II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 499

W
L.
24. Das 116—
box 29/2
Ausschnltt aus:
Karntner Tagblatt, Klagenfhn
79 1

11*
Theater, Kunst und Mum.
Jubiläums=Stadttheater. Gestern abend erleb¬
ten wir die Erstaufführung der neuen Schnitzler¬
schen Tragikomödie „Das weite Land“ Das
Land der Seelen soll es uns vor Augen führen;
und das es von Schnitzler gezeichnet ist, so war zu
erwarten, daß wir da nicht in elysischen Gefilden
wandeln. Hier ist es glitscherig, dort sumpfig, we¬
nig sonnige, heitere oder gar fruchtbare Gegend.
Viele kleine Seitenwege führen von der geraden,
reinen Straße ab, aber das ist ja das einzige, was
die Marionetten dieses Dramas brauchen. Der
Fabrikant Hofreiter zeigt dies am besten. Wenn er
auf solchem Abwege eine Venusgrotte entdeckt, so
geht er nicht daran vorüber, sondern sagt „Guten
Tag und küss’ die Hand, meine Gnädigste“. Das
Gegenstück, seine Gattin Genia mit der Miene der
stillen Dulderin, ist jedenfalls die ansprechendste
Persönlichkeit in diesem Werke. Und selbst hier ist
nicht ganz fester Boden. Nachdem sie einen Verehrer
durch ihre Abwehr in den Tod getrieben, tröstet sie
sich schließlich doch mit einem Marinefähnrich. Daß
Genia den ersten nicht erhört, begreift der edle
Gatte nicht, aber — o unbegreiflicher Widerspruch!
mit dem zweiten duelliert er sich, trotzdem er
selbst eben wieder in ein zärtliches Verhältnis mit
einem jungen, frühreifen Mädchen verstrickt ist.
Nun endlich erwacht er aus seinem Sinnentaumel
und muß erkennen, daß Jugend und Liebe nicht
von einander zu trennen sind, und — klappt zu¬
sammen. Die Geschichte zieht sich furchtbar in die
Länge, in den ersten drei Akten sickert der Grundge¬
danke nur allmählich durch; viel Klatsch, Lang¬
weile, dazwischen einige kluge, witzige Einfälle, die
die Hotelszenen beleben. Im vierten und fünften
Akt wird die Sache spannend. Unsere Darsteller ta¬
ten ihr Bestes, um das Bild zu beleben. Da muß
aber unbedingt das Arrangement des ersten Aktes
verändert werden. Die Plauderecke war wirklich zu
sehr in der Ecke. Man konnte weder etwas verstehen
noch davon sehen. Sogar Frau Genia, die ja noch
den besten Platz innehatte, wurde von ihr n Gat¬
ten, der uns gütigst seine Kehrseite bot, ganz ver¬
deckt. Dr. Maurer war überhaupt unsichtbar. Er
konnte die Zeit dazu benützen, seinen Zwicker zu
dressieren, diesen fatalen Zwicker, der immer nicht
halten wollte. Alles übrige war ganz treffend in¬
szeniert und eingeleitet. Der blasierte, schon etwas
angealterte Fabrikant mit seiner leichten und seich¬
ten Lebensauffassung war von Herrn Schramm
scharf charakterisiert worden. Fräulein Wolff
fand für seine Gattin Genia den richtigen Ton.
Das stille, stets in leiser Spannung gehaltene We¬
sen der im Herzen wunden Frau war hier gut zu
erkennen. Fräulein Brion zeigte uns in der
Erna, der jungsten Geliebten Hofreiters, das mo¬
derne Mädchen der Geldaristokratie, sehr von sich
eingenommen und mit einem Anflug von Frech¬
dreistigkeit. Das sichere, männliche Auftreten Dr.
Maurers hatte Herr Baumgarth richtig auf¬
gefaßt. Zu nennen wären noch Fräulein Korn
als Schauspielerin, Fräulein Normann, die
Frau des Bankiers Natter, Herr Roché, der ge¬
schiedene Gatte der Schauspielerin, Herr Reiseg¬
ger als Marinefähnrich, Herr Krois als
Schriftsteller und Herr Spiegl, der den
Hotelportier mimte. Auch die kleinen Partien wa¬
ren gut besetzt. Das Haus war sehr schwach besucht:
daran mag wohl die tags vorher stattgefundene
„Walküre“=Aufführung schuld gewesen seint
Th. R.