24. has weite Land
box 29/2
Für vernenge Dehanttungen seue¬
gen Einlonderaten. Die letzte
Es wäre bei solcher Sachlage sehr zu Legrüßen gewesen, Wandlung seines Freundes Barth machte er allerdings nicht
das Chaos“ ... Also eine nihilistische Tendenz, die sofort
die Frage nach sich zieht, wie sich denn das Weib zu dieser
nunmehr, sehr gegen die Absicht des Dichters, auf die sym¬
pathische Persönlichkeit Genias konzentriert.
supponierten Unbeständigkeit männlicher Liebe stellt. Wenn
man die Handlung des Stückes als Antwort auf diese Frage
So sehen wir denn Hofreiter, der Ende des zweiten Auf¬
ansehen darf — und man darf das wohl —, dann gibt Schnitz¬
zugs seine Frau verläßt, um zu reisen, gleichgültig ins „weite
ler eigentlich zwei Antworten. Frau Genia Hofreiter, so zeigt
Land“ seiner weiteren erotischen Abenteuer entschwinden,
er — wenn auch nicht sehr deutlich — bewahrt dem treulosen
sehen ihn gleichgültig mitten im Gesellschaftstreiben eines
Gatten trotz allen Verrats die seelische Treue, im Spiel der
österreichischen Alpenhotels eine neue Aventiure absolvieren
Erotik aber hintergeht sie ihn. Es muß hier freilich sogleich
und wundern uns nur über den Dichter der im dritten Aufzug
das Wort „zeigt“ durch „beweist“ ersetzt werden, denn das
eine Doublette dieser Figur vorstellt, einen Schicksalsgenossen
Problem ist nur logisch=rechnerisch gelöst, künstlerisch nicht ge¬
Hofreiters im „weiten Land“ der ehelichen Untreue, der zudem
formt worden. Schnitzlers Drama als solches ist mißlungen...
gar gefühlsstärker und gewichtiger als dieser erscheint und dem
denn auch das oben zitierte thematische Motto in den Mund
Im ersten Aufzug sieht man in eine Ehekrise hinein. Der
gelegt wird.
Fabrikant Hofreiter und seine Frau sind sich fremd geworden.
Durch seine Schuld. Er jagt anderen Frauen nach, sie grämt
Stärkste Verwunderung überkommt uns aber im vierten
sich darüber, da sie ihn noch immer liebt, findet sich aber in
Akt, wo Frau Genia sich plötzlich als Geliebie eines ebenfalls
bitter=weiser Resignation mit ihrem Schicksal ab. Rächt sich
auftauchenden bläßlichen Marinefähnrichs präsentiert. Eine
auch nicht, vergilt nicht Gleiches mit Gleichem. Obwohl ihr
Wandlung, die der Dichter einfach dekretiert, nicht erklärt,
die Versuchung nahe genug kommt. Sie kann eben nicht —
nicht geschildert hat, während es ihn doch Mühe genug gekostet
ihrer Natur nach nicht —, und läßt so einen Anbeter an ihrer
hätte, hier diesen physischen Verrat am andern, diese lntreuege¬
starren Festigkeit zu Grunde gehen. Der Gatte aber (der in
gen sich selbst glaubhaft zu machen. Es hilft nichts, wir müssen
seinen erotischen Beziehungen sozusagen gerade frei geworden
nun auch Frau Genia in ein „weites Land“ entlassen, in das
ist) erfährt davon.
Nebelland dichterischer Willkür, in dem seelische Konstruktionen
ihr gestaltloses, schemenhaftes Dasein vegetieren. Die beiden
Dieser Akt ist ein ausgezeichneter Auftakt. Er exponiert
Murrr Zeitan
Schlußakte, in denen Schnitzler wieder auf glalter Theater¬
die Handlung vortrefflich und zeigt die Gestalten in wün¬
bahn geht, brauchen nur der Registrierung wegen zur Kennt¬
schenswerter Klatheit. Frau Genia: gelassen, ruhig, von über¬
nis genommen zu werden: Da entdeckt der Gatte das Verhält¬
legener Klugheit und natürlicher Güte, deren Liebe einen
nis und schießt den Rivalen im Duell nieder.
Hauch von mütterlicher Sorglichkeit angenommen hat (man
Doch nein: auf dieser glatten Theaterbahn liegt noch eine
mag an die Gattin des Virtuosen in Bahrs „Konzert“ denten);
ironische oder — wenn man will — tragikomische Pointe, daß
er: eine interessante, ja blendende Mischung von echt wieneri¬
M. morr
nämlich die große Geste des Sernalanarchisten und =Kommu¬
schem Charmeur und modernem, fast englisch anmutendem
nisten, der seiner Frau theoretisch die gleiche Ehefreiheit oder
Geschäftsmann, ein geiftreicher, aber innerlich kalter Sinnen¬
Libertinage zubilligt wie sich selbst, daß diese Geste in der Praxis
mensch. — Frage an du dramatische Schicksal des zweiten
Des Feuilleton.
persönlichen Erlebens vor dem dunklen Etwas des konventio¬
Aufzugs: Wie wird ihn dies Erlebnis von Frauentreue be¬
nellen Ehrbegriffs und des Männchen=Instinkts zur lügen¬
rühren? Wird er an ihm wachsen oder es von sich weisen?
auspielhaus.] „Ein weites Feld¬—
haften Grimasse wird, daß die Beharrungsmacht ererbt uralter 5#
ontane, wenn Fragen nach allerlei
Nach seiner Charakteranlage darf man nicht annehmen,
Gesellschaftsbegriffe auch diesen verwegensten Eigenmoralisten
bare Gebiet der Lebensmöglichkeiten
daß ihn innerlich überlegenes Frauentum sogleich auf
zu sich herunterzwingt. Eine Pointe, die allerdings nicht stark
ei
die
e Land“ —
Knice zwingt; aber wenn ihn Schnitzler diese Treue
nennt Arthur
wirkt, da sie erstens an einer gleichgültigen Persönlichkeit auf¬
r Anlehnung die Menschenscele-57n
nicht verstehen läßt, wenn Hofreiter einfach nicht be¬
gezeigt wird und zweitens weder an sich noch bei Schnitzler
lchle, ihre rätselvolle, aller Ordnung
greift, daß Genias Tugend wegen ein Mensch in den Tod
neu ist: in Andeutung stecktesie bereits in der Duellszene von
e Kompliziertheit. Im genaueren
gehen mußte, wenn sie ihm deshalb unheimlich wird — dann
„Effi Briest“, von der sich der Wiener Dichter hat anregen
im Verhältnis zum Weibe. „So
bringt Schnitzler in dieser brutalen Kürze der dramatischen
lassen, ganz deutlich und klar ausgeführt aber auch schon in #
in uns!“ sagt eine Parallelfigur
seinem eigenen älteren Drama „Freiwild“.
Folge einen an sich möglichen, nicht unverständlichen, ja feinen
ragikomödie, „Liebe und Trug ...
Gedankengang in unglaubwürdige Ueberspannung hinein.
Was durch den grauen Nebel von Schnitzlers „weitem:
.Anbetung für die eine und Ver¬
Diese Spitzfindigkeit psychologischer Argumentation macht die
Land“ durchschimmert, ist Stück= und Teilwerk: ein geschliffe¬
oder mehreren. Wir versuchen Pohl
Konturen Hofreiters nicht deutlicher, nicht klarer, sie fügt ihm
ner Dialog, geistreiche und witzige Aperaus, gewandt bewegte;
en, so aut es gest aber diete Lib¬
höchstens einen so starken Zug feelischer Roheit und gefühls¬
Figurengruppen und lebendige Episodenmenschen, ansehnliche
# armer Oberflächlichkeit bei, daß er und sein Schicksal nicht
seelische Stimmungskunst und zum Schlusse geschickte Theater¬
züge, technische Rontine. Aber auch dies Arabeskenwerk ist oft!
Künstliches ... Das Natürliche ist 1, weiter zu interessieren vermögen und alle Anteilnahme sich] zus Schuldkonto zu schreiben: da wo es, wie vor allem im
box 29/2
Für vernenge Dehanttungen seue¬
gen Einlonderaten. Die letzte
Es wäre bei solcher Sachlage sehr zu Legrüßen gewesen, Wandlung seines Freundes Barth machte er allerdings nicht
das Chaos“ ... Also eine nihilistische Tendenz, die sofort
die Frage nach sich zieht, wie sich denn das Weib zu dieser
nunmehr, sehr gegen die Absicht des Dichters, auf die sym¬
pathische Persönlichkeit Genias konzentriert.
supponierten Unbeständigkeit männlicher Liebe stellt. Wenn
man die Handlung des Stückes als Antwort auf diese Frage
So sehen wir denn Hofreiter, der Ende des zweiten Auf¬
ansehen darf — und man darf das wohl —, dann gibt Schnitz¬
zugs seine Frau verläßt, um zu reisen, gleichgültig ins „weite
ler eigentlich zwei Antworten. Frau Genia Hofreiter, so zeigt
Land“ seiner weiteren erotischen Abenteuer entschwinden,
er — wenn auch nicht sehr deutlich — bewahrt dem treulosen
sehen ihn gleichgültig mitten im Gesellschaftstreiben eines
Gatten trotz allen Verrats die seelische Treue, im Spiel der
österreichischen Alpenhotels eine neue Aventiure absolvieren
Erotik aber hintergeht sie ihn. Es muß hier freilich sogleich
und wundern uns nur über den Dichter der im dritten Aufzug
das Wort „zeigt“ durch „beweist“ ersetzt werden, denn das
eine Doublette dieser Figur vorstellt, einen Schicksalsgenossen
Problem ist nur logisch=rechnerisch gelöst, künstlerisch nicht ge¬
Hofreiters im „weiten Land“ der ehelichen Untreue, der zudem
formt worden. Schnitzlers Drama als solches ist mißlungen...
gar gefühlsstärker und gewichtiger als dieser erscheint und dem
denn auch das oben zitierte thematische Motto in den Mund
Im ersten Aufzug sieht man in eine Ehekrise hinein. Der
gelegt wird.
Fabrikant Hofreiter und seine Frau sind sich fremd geworden.
Durch seine Schuld. Er jagt anderen Frauen nach, sie grämt
Stärkste Verwunderung überkommt uns aber im vierten
sich darüber, da sie ihn noch immer liebt, findet sich aber in
Akt, wo Frau Genia sich plötzlich als Geliebie eines ebenfalls
bitter=weiser Resignation mit ihrem Schicksal ab. Rächt sich
auftauchenden bläßlichen Marinefähnrichs präsentiert. Eine
auch nicht, vergilt nicht Gleiches mit Gleichem. Obwohl ihr
Wandlung, die der Dichter einfach dekretiert, nicht erklärt,
die Versuchung nahe genug kommt. Sie kann eben nicht —
nicht geschildert hat, während es ihn doch Mühe genug gekostet
ihrer Natur nach nicht —, und läßt so einen Anbeter an ihrer
hätte, hier diesen physischen Verrat am andern, diese lntreuege¬
starren Festigkeit zu Grunde gehen. Der Gatte aber (der in
gen sich selbst glaubhaft zu machen. Es hilft nichts, wir müssen
seinen erotischen Beziehungen sozusagen gerade frei geworden
nun auch Frau Genia in ein „weites Land“ entlassen, in das
ist) erfährt davon.
Nebelland dichterischer Willkür, in dem seelische Konstruktionen
ihr gestaltloses, schemenhaftes Dasein vegetieren. Die beiden
Dieser Akt ist ein ausgezeichneter Auftakt. Er exponiert
Murrr Zeitan
Schlußakte, in denen Schnitzler wieder auf glalter Theater¬
die Handlung vortrefflich und zeigt die Gestalten in wün¬
bahn geht, brauchen nur der Registrierung wegen zur Kennt¬
schenswerter Klatheit. Frau Genia: gelassen, ruhig, von über¬
nis genommen zu werden: Da entdeckt der Gatte das Verhält¬
legener Klugheit und natürlicher Güte, deren Liebe einen
nis und schießt den Rivalen im Duell nieder.
Hauch von mütterlicher Sorglichkeit angenommen hat (man
Doch nein: auf dieser glatten Theaterbahn liegt noch eine
mag an die Gattin des Virtuosen in Bahrs „Konzert“ denten);
ironische oder — wenn man will — tragikomische Pointe, daß
er: eine interessante, ja blendende Mischung von echt wieneri¬
M. morr
nämlich die große Geste des Sernalanarchisten und =Kommu¬
schem Charmeur und modernem, fast englisch anmutendem
nisten, der seiner Frau theoretisch die gleiche Ehefreiheit oder
Geschäftsmann, ein geiftreicher, aber innerlich kalter Sinnen¬
Libertinage zubilligt wie sich selbst, daß diese Geste in der Praxis
mensch. — Frage an du dramatische Schicksal des zweiten
Des Feuilleton.
persönlichen Erlebens vor dem dunklen Etwas des konventio¬
Aufzugs: Wie wird ihn dies Erlebnis von Frauentreue be¬
nellen Ehrbegriffs und des Männchen=Instinkts zur lügen¬
rühren? Wird er an ihm wachsen oder es von sich weisen?
auspielhaus.] „Ein weites Feld¬—
haften Grimasse wird, daß die Beharrungsmacht ererbt uralter 5#
ontane, wenn Fragen nach allerlei
Nach seiner Charakteranlage darf man nicht annehmen,
Gesellschaftsbegriffe auch diesen verwegensten Eigenmoralisten
bare Gebiet der Lebensmöglichkeiten
daß ihn innerlich überlegenes Frauentum sogleich auf
zu sich herunterzwingt. Eine Pointe, die allerdings nicht stark
ei
die
e Land“ —
Knice zwingt; aber wenn ihn Schnitzler diese Treue
nennt Arthur
wirkt, da sie erstens an einer gleichgültigen Persönlichkeit auf¬
r Anlehnung die Menschenscele-57n
nicht verstehen läßt, wenn Hofreiter einfach nicht be¬
gezeigt wird und zweitens weder an sich noch bei Schnitzler
lchle, ihre rätselvolle, aller Ordnung
greift, daß Genias Tugend wegen ein Mensch in den Tod
neu ist: in Andeutung stecktesie bereits in der Duellszene von
e Kompliziertheit. Im genaueren
gehen mußte, wenn sie ihm deshalb unheimlich wird — dann
„Effi Briest“, von der sich der Wiener Dichter hat anregen
im Verhältnis zum Weibe. „So
bringt Schnitzler in dieser brutalen Kürze der dramatischen
lassen, ganz deutlich und klar ausgeführt aber auch schon in #
in uns!“ sagt eine Parallelfigur
seinem eigenen älteren Drama „Freiwild“.
Folge einen an sich möglichen, nicht unverständlichen, ja feinen
ragikomödie, „Liebe und Trug ...
Gedankengang in unglaubwürdige Ueberspannung hinein.
Was durch den grauen Nebel von Schnitzlers „weitem:
.Anbetung für die eine und Ver¬
Diese Spitzfindigkeit psychologischer Argumentation macht die
Land“ durchschimmert, ist Stück= und Teilwerk: ein geschliffe¬
oder mehreren. Wir versuchen Pohl
Konturen Hofreiters nicht deutlicher, nicht klarer, sie fügt ihm
ner Dialog, geistreiche und witzige Aperaus, gewandt bewegte;
en, so aut es gest aber diete Lib¬
höchstens einen so starken Zug feelischer Roheit und gefühls¬
Figurengruppen und lebendige Episodenmenschen, ansehnliche
# armer Oberflächlichkeit bei, daß er und sein Schicksal nicht
seelische Stimmungskunst und zum Schlusse geschickte Theater¬
züge, technische Rontine. Aber auch dies Arabeskenwerk ist oft!
Künstliches ... Das Natürliche ist 1, weiter zu interessieren vermögen und alle Anteilnahme sich] zus Schuldkonto zu schreiben: da wo es, wie vor allem im