II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 511

24. Das weite Land
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A anlialen Peren Gen hane
N. 13 NUVE NDER 1911
ergenausgabe
Im Schauspielhaus zu Frankfurt a. M. sand
gestern die infolge von Personalschwierigkeiten ver¬
spätete Premiere von
&
##' Tragikomödie
„Das weite Banzthlsger mterte wot ein
Weilchen, bis man im weiten Land wegkundig
wurde aber die Sicherheit wuchs rasch, die
Eindrücke wurden von Akt zu Akt stärker
und man dankte dem Dichter und Führer
lebhaft und mit offenkundiger Ehrlichkeit. Der Hof¬
reiter Arthur Bauers war faszinierend, eine Ge¬
stalt stärkster künstlerischer Individualität, Frl. Wulff
als Genia wirkte in der gewaltsamen Ruhe der Er¬
scheinung überzeugend und bewegend. Die Auf¬
führung war von Dr. Heine vorzüglich inszeniert.
Im Komödienhaus hatte „So n Wind¬
bund“ Schwant in lhen ven Gursrang ainen.
stürmischen Lacherfolg, der den anwesenden Autaun
#ie n die Rompe rief.
7
Dr. Max Goldschmidt
S Bureau für
Zeitungsausschnitte
Berlin N. 24
Teiephen MA. 2601.
Ausschnitt aus
Frankfurter Warte, Frankfurt a. M.
20 1. 11
Schauspielhaus.
(Erstaufführung: „Das weite Land“, Tragikom' vie in 5
Akten von Arthur Schnitzler.) Warum diese Tragikomödie
gerade „Das weite—Land“heißt, dahinter sind wohl trotz
der im Philosophenmantel auftretenden Trivialitäten einer Szene
des dritten Aufzugs, — nebenbei bemerkt, einer der fadenschei¬
nigsten Szenen des ganzen Stücks — wohl nur einige ganz be¬
sonders Erleuchtete gekommen. Unseres Erachtens könnte das
Stück mit demselben Recht, „Der Wurstkessel" oder noch anders
heißen. Wenn ein Dichter das Aushängeschild „Die Seele ein
weites Land“ über sein Drama hängt und dann weiter nichts
über das Problem zu sagen weiß, wie Schnitzler in diesem
Stück, so wirft das immerhin schon ein bedenkliches Licht auf
seinen Geschmack. Aber rechten wir nicht mit dem Dichter über
die Etikette, die er seinem Stück aufgeklebt hat! Wenn es sonst
was taugt, so mag es doch heißen, wie es will! — Das Ganze
ist, wie es sich bei Schnitzler ziemlich von selbst verstehn,
Ehebruchsdrama von A bis 3, ein Abriß aus dem Leben,
jener Gesellschaftsklasse, in der Alles haut goüt hat. — Deca¬
dencestimmung jenseits von „Gut“ und „Böse“. Hauptfiguren:
Der Fabrikant Hofreiter und seine Frau, die Ehe durch seine
Schuld zerrüttet. Der erste und beste Akt bereitet die kommen¬
den Entwicklungen und Konflikte überzeugend vor. Frau Genia
ist ihrem Mann, trotzdem sie seine Wege kennt, treu gewesen,
weil sie ihn noch immer liebt. Ein Verehrer hat sicht weil
sie fest blieb, ihretwegen erschossen. Der Mann erfährt davon.
Ihm, dem Sinnmenschen, ist das Verhalten der Frau un¬
verständlich. Er versucht, eine Schuld auf ihrer Seite zu kon¬
struieren, aber seine Beschuldigungen prallen an ihr ab; der##
Brief des Toten, den seine Frau ihm gibt, redet eine deutliche
Sprache. Merkwürdigerweise wird nun Genia ihrem Gatten
unheimlich — oder tut er nur so? Er tritt eine Reise an, um
ein neues Abenteuer zu erleben. Wie der Dichter das im
Drama entwickelt, das wirkt so fade und widerspruchsvoll,
daß der ganze dramatische Aufbau eigentlich schon an dieser
Stelle geliefert ist. Was jetzt noch weiter spielt, das ist kein
einheitlich=konstruierter Dramencharakter mehr, sondern nur ein
Gemisch zusammenhangsloser Charakterzüge, das kein Interesse
mehr hervorzurufen vermag; geniale Gesinnungslumperei und
naives Trotteltum, versetzt mit einer Dosis Uebermenschentum
und kalter, brutaler Berechnung. In Genias Leben ist in¬
zwischen ein Fähnrich getreten, eine vollständige Schatten¬
figur, über die wir nichts erfahren, als daß aus ihren Augen
die „freche Jugend“ schaut. Nun sollen wir's, — so ver¬
langt der Dichter — glauben, daß Genia sich bis über die
Ohren in besagten Fähnrich verliebt und mit beiden Füßen
in ihre Leidenschaft hineinspringt. Hier ist der zweite irra¬
tionale Punkt des Stückes, wo die Gewaltsamkeit an die
Stelle der inneren Folgerichtigkeit tritt. Schluß= und Knall¬
effekt: Hofreiter kommt dahinter, brüskiert den Fähnrich in
Anwesenheit einer zahlreichen Gesellschaft und erschießt ihn im
Duell. Wie er, der im ersten Aufzug die „freie Liebe“, zu der
er sich theoretisch und praktisch bekennt, seine Frau geradezu
auf dem Präsentierteller angeboten hat, dazu kommt, das ist
der dritte große psychologische Purzelbaum, den uns der Dichter
mitzumachen zumuten will. Es ist wirklich nicht not, noch
auf allerlei Kleinigkeiten einzugehen, auf die in ihrem Zu¬
sammenhang sinnlose Episode der drei Billardkugeln, auf das
angetippte, aber nicht durchgeführte Motiv vom Aignerturm
und andere verfehlte Ansätze. Man kann ruhig aufs Ganze
gehen: es gelingt dem Dichter, trotz krampfhafter Anstrengun¬
gen und vieler feiner Einzelheiten, in der Dialogführung nicht
einmal, die Zuschauer für sein Milieu, geschweige denn für
seine dramatischen Motive zu interessieren. Woran das liegt,
das mögen andere untersuchen! Die einzige Gestalt, die lebens¬
voll heraustritt, ist Genia. Sie fand in Frl. Wulf, der “
altenen
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