We
24. bas #ste Land
box 29/2
—
Ausschnift aus:
Köngsberger Hartung'sche Zennüg
191 Königsbers 1. Fr.
Nem:* Cne.
—
Nebensache. Die Hauptsache seid ihr, ihr, ihr!“ Nach diesem Prinzip
Neues Schauspielhaus.
Dieser Ton
lebt und handelt er. Kaum ist Adele verabschiedet, da gewinnt er sich
wurde auch in d
(halb zog er sie, halb sank sie hin) die Angebetete seines besten Freun¬
Schnitzler: „Das weite Land.“
führung vorzügli
des. Die Tugend weiß er nicht zu schätzen, auch an anderen nicht und seinem Ruf und
Unsere bis dahin bescheldene Kenntnis Arthur Schnitzlers
nicht einmal an seiner eigenen Frau. Ja, diese wird ihm dadurch fast! rische Energie un
ist gestern recht angenehm bereichert worden. Sein jüngstes Drama
fremd, daß sie einen Verehrer nicht erhört und darum in den Tod
ist ohne Zweifel ein schwaches Stück, aber ebenso sicher eine seine
den Abscheu gege
gehen lößt. Als sie sich nun doch aber einmal revanchiert, ist es ihm
Dichtung. Jedes Wort darin ist bezeichnend für den Antor, wie für
neben war aber
freilich auch nicht recht. Er provoziert ein Duell — natürlich nicht aus
das Milien, in dem sich seine Gestalten bewegen. Es ist darin die
ernst nimmt, auch
großer Leidenschaft, Eifersucht oder dergleichen, sondern einfuch weil
Atmosphäre eines Teils der Wiener Gesellschaft mit wundervoller
stimmt und jene
er nicht der Dumme sein will. Der Gegner bleibt auf dem Platze,
gEchtheit wiedergegeben — jenes Teils, der der Donaustadt schon zu
Wienertum gehör
seine Gattin wendet sich mit Schandern wie von einem Mörder ab.
Großvaters Zeiten den Beinamen eines „Capna der Geister“ einge¬
Instinkt unfehlb
Vielleicht, so läßt uns der Dichter vermuten, bringt diese Affäre den
tragen hat.
Dulderin, die ih
Berauschten zur Vernunft; vielleicht gehört er von nun an nicht mehr
„Solit es Ihnen noch nicht aufgefallen sein“, sagt in dem Stück
Endes auch nur
den Weibern, sondern seinem heranwachsenden Sohne. Es steht ein
ein Hoteldirektor, „was für komplizierte Subjekte wir Menschen im
hängnisvollen
Fragezeichen am Schluß, und wir können darauf nach Belieben Ant¬
Grunde sind? So vieles hat zugleich Raum in uns: Liebe und Trug,
als Erna recht. be
wort geben. Ob die kommende Generation, deren Kinderstimme wir
Treue und Treulosigkeit, Anbetung für die eine und Verlangen nach
nicht viel Carrie##
vor dem Vorhangfallen aus der Ferne hören, anders werden wird?
einer anderen oder nach mehreren. Wir versuchen wohl Ordnung in
Glänzend war in
Es wäre zu wünschen.
uns zu schaffen, so gut es geht, aber diese Ordnung ist doch nur etwas
Herr du Bois
Das Stück ist im Grunde nicht viel mehr als eine allerdings kost¬
Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos. Ja, die Seele ist ein
losigkeit zu einen
bare Milieuschilderung der Wiener Lebekreise. Eigentliche „Ideen“
weites Land, wie ein Dichter es einmal ausdrückte“. Schon in
etwas, und zwar
sind nicht darin oder bleiben doch unscharf im Hintergrunde. Schnitz¬
diesen titelgebenden Worten ist angedeutet, daß in dem „weiten Land“
kraft. Herr We
ler selbst hat über seinen Hofreiter das Wort fallen lassen, er sei ein
Schnitzlers nur eine Königin herrscht: die Liebe. In der Tat haben
genug: er laborie
Baumeister Solneß der Sexualität. Das Gleichnis be¬
alle Männer und Frauen der Dichtung einen erotomanen Zug; sie
sage=, aber doch
fremdet im ersten Augenblick, ergibt aber immerhin eine interessante
sind sast nur Männchen und Weibchen — sonst nichts. Liebe ist ihr
erste noch zu allge
Parallele. Wie Solneß ist Hofreiter — dieser allerdings immer
Hauptberuf und der eigentliche Zweck ihres Daseins. Dem schon er¬
die sie diesmal
nur auf dem Gebiete der Liebe — von Erfolg zu Erfolg geschritten,
wähnten Hoteldirektor (sonst eine ganz nebensächliche Person) weist
Aldor den klein
ohne sich ängstlich um die Empfindungen anderer zu kümmern. Wie
man die Geliebte von gestern, von heute und von morgen nach. Das
mit dem Tode be
Solneß scheint auch er eine gewisse Wiedervergeltung von der Jugend
ist wohl ein wenig Verleumdung. Aber es ist ein Symbol für diese
der in dieser Um
zu fürchten, der er nicht Platz machen will. Darum fordert er sie mit
Sorte von Menschen, die uns „Das weite Land“ vorführt. Sie leben
etwas mannhafter
ihrem „frechen, jungen Blick“ vor die Pistole und knallt sie nieder.
und sterben für jene seelischen und körperlichen Emotionen, die man
und schwer. End
Und endlich hat auch er seine Hilde Wangel — in Erna, die ihn auf
in ihrer Gesamtheit mit Liebe, im einzelnen besser mit Liebeleien be¬
Hirsch, Perl
die Spitze des Aignerturms führt und ihn ebenso ins Leben geleiten
zeichnet. Sonst sehr honette und anständige Leute, scheuen sie um
Peppler und
will, den Gealterten und innerlich Brüchigen aber doch nicht mehr
dieses Preises willen so leicht vor keinem Verbrechen zurück. Sie
erlösen kann ... Diese und andere Gedanken ließen sich in einem
stehlen Herzen, brechen die Treue, betrügen die Freundschaft und gehen,
Roman weit besser entfalten als in einem Drama, das nicht den Aus¬
wenn ihre Eitelkeit verletzt ist, sogar kalten Mutes über Leichen.
blick auf ein „weites Land“, sondern immer nur auf kleine prägnante
Der Chorführer dieser tragikomischen Triebmenschen ist der
Ausschnitte bieten kann. Dabei ist das locker gefügte Stück schon jetzt
Fabrikant Friedrich Hofreiter. Ein verheirateter Anatol, der in der
recht weitschweifig geraten. Es umfaßt etwa 170 Textseiten und fünf
Ehe sein Junggesellenleben, nur noch verfeinerter, fortsetzt. Noch als
Akte, von denen der in einem Dolomitenhotel spielende Mittelakt fast
angegrauter Vierziger hat er die Empfindung, als ob alles Bisherige
wie ein Fremdkörper, wie eine Reminiszenz an gallische Schwänke
nur Vorstadium gewesen wäre und erst jetzt Liebe und Leben beginnen.
wirkt. Die Untreue Genias, die uns urplötzlich im vierten Akt als
„Es gibt aber“, wirft ihm Adele, eine verflossene Geliebte, ein, „doch
fait accompli überrascht, ist nicht genügend motiviert, und auch die
noch was anderes auf der Welt als uns“. Worauf der Wiener Don
Freude an der Hauptgestal wird durch einige Unkiarheiten und
Juan erwidert: „Ja — die Pausen zwischen der einen und der
Ueberspannungen beeinträchtigt. Gleichwohl ist das Stück unschätz¬
andern. Die sind ja auch nicht uninteressant. Wenn man Zeit hat,
bar durch seine tiefschürfende Mannespsychologie wie durch die Kultur
und in der Laune ist, baut man Fabriken, erobert Länder, schreibt] seines sein geschlissenen Dialogs, in der Schnitzler auch hier die besten
Symphonien, wird Millionär; aber glaub mir, das ist doch alles nur] Vorbilder der Franzosen erreicht, wenn nicht übertrifft.
24. bas #ste Land
box 29/2
—
Ausschnift aus:
Köngsberger Hartung'sche Zennüg
191 Königsbers 1. Fr.
Nem:* Cne.
—
Nebensache. Die Hauptsache seid ihr, ihr, ihr!“ Nach diesem Prinzip
Neues Schauspielhaus.
Dieser Ton
lebt und handelt er. Kaum ist Adele verabschiedet, da gewinnt er sich
wurde auch in d
(halb zog er sie, halb sank sie hin) die Angebetete seines besten Freun¬
Schnitzler: „Das weite Land.“
führung vorzügli
des. Die Tugend weiß er nicht zu schätzen, auch an anderen nicht und seinem Ruf und
Unsere bis dahin bescheldene Kenntnis Arthur Schnitzlers
nicht einmal an seiner eigenen Frau. Ja, diese wird ihm dadurch fast! rische Energie un
ist gestern recht angenehm bereichert worden. Sein jüngstes Drama
fremd, daß sie einen Verehrer nicht erhört und darum in den Tod
ist ohne Zweifel ein schwaches Stück, aber ebenso sicher eine seine
den Abscheu gege
gehen lößt. Als sie sich nun doch aber einmal revanchiert, ist es ihm
Dichtung. Jedes Wort darin ist bezeichnend für den Antor, wie für
neben war aber
freilich auch nicht recht. Er provoziert ein Duell — natürlich nicht aus
das Milien, in dem sich seine Gestalten bewegen. Es ist darin die
ernst nimmt, auch
großer Leidenschaft, Eifersucht oder dergleichen, sondern einfuch weil
Atmosphäre eines Teils der Wiener Gesellschaft mit wundervoller
stimmt und jene
er nicht der Dumme sein will. Der Gegner bleibt auf dem Platze,
gEchtheit wiedergegeben — jenes Teils, der der Donaustadt schon zu
Wienertum gehör
seine Gattin wendet sich mit Schandern wie von einem Mörder ab.
Großvaters Zeiten den Beinamen eines „Capna der Geister“ einge¬
Instinkt unfehlb
Vielleicht, so läßt uns der Dichter vermuten, bringt diese Affäre den
tragen hat.
Dulderin, die ih
Berauschten zur Vernunft; vielleicht gehört er von nun an nicht mehr
„Solit es Ihnen noch nicht aufgefallen sein“, sagt in dem Stück
Endes auch nur
den Weibern, sondern seinem heranwachsenden Sohne. Es steht ein
ein Hoteldirektor, „was für komplizierte Subjekte wir Menschen im
hängnisvollen
Fragezeichen am Schluß, und wir können darauf nach Belieben Ant¬
Grunde sind? So vieles hat zugleich Raum in uns: Liebe und Trug,
als Erna recht. be
wort geben. Ob die kommende Generation, deren Kinderstimme wir
Treue und Treulosigkeit, Anbetung für die eine und Verlangen nach
nicht viel Carrie##
vor dem Vorhangfallen aus der Ferne hören, anders werden wird?
einer anderen oder nach mehreren. Wir versuchen wohl Ordnung in
Glänzend war in
Es wäre zu wünschen.
uns zu schaffen, so gut es geht, aber diese Ordnung ist doch nur etwas
Herr du Bois
Das Stück ist im Grunde nicht viel mehr als eine allerdings kost¬
Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos. Ja, die Seele ist ein
losigkeit zu einen
bare Milieuschilderung der Wiener Lebekreise. Eigentliche „Ideen“
weites Land, wie ein Dichter es einmal ausdrückte“. Schon in
etwas, und zwar
sind nicht darin oder bleiben doch unscharf im Hintergrunde. Schnitz¬
diesen titelgebenden Worten ist angedeutet, daß in dem „weiten Land“
kraft. Herr We
ler selbst hat über seinen Hofreiter das Wort fallen lassen, er sei ein
Schnitzlers nur eine Königin herrscht: die Liebe. In der Tat haben
genug: er laborie
Baumeister Solneß der Sexualität. Das Gleichnis be¬
alle Männer und Frauen der Dichtung einen erotomanen Zug; sie
sage=, aber doch
fremdet im ersten Augenblick, ergibt aber immerhin eine interessante
sind sast nur Männchen und Weibchen — sonst nichts. Liebe ist ihr
erste noch zu allge
Parallele. Wie Solneß ist Hofreiter — dieser allerdings immer
Hauptberuf und der eigentliche Zweck ihres Daseins. Dem schon er¬
die sie diesmal
nur auf dem Gebiete der Liebe — von Erfolg zu Erfolg geschritten,
wähnten Hoteldirektor (sonst eine ganz nebensächliche Person) weist
Aldor den klein
ohne sich ängstlich um die Empfindungen anderer zu kümmern. Wie
man die Geliebte von gestern, von heute und von morgen nach. Das
mit dem Tode be
Solneß scheint auch er eine gewisse Wiedervergeltung von der Jugend
ist wohl ein wenig Verleumdung. Aber es ist ein Symbol für diese
der in dieser Um
zu fürchten, der er nicht Platz machen will. Darum fordert er sie mit
Sorte von Menschen, die uns „Das weite Land“ vorführt. Sie leben
etwas mannhafter
ihrem „frechen, jungen Blick“ vor die Pistole und knallt sie nieder.
und sterben für jene seelischen und körperlichen Emotionen, die man
und schwer. End
Und endlich hat auch er seine Hilde Wangel — in Erna, die ihn auf
in ihrer Gesamtheit mit Liebe, im einzelnen besser mit Liebeleien be¬
Hirsch, Perl
die Spitze des Aignerturms führt und ihn ebenso ins Leben geleiten
zeichnet. Sonst sehr honette und anständige Leute, scheuen sie um
Peppler und
will, den Gealterten und innerlich Brüchigen aber doch nicht mehr
dieses Preises willen so leicht vor keinem Verbrechen zurück. Sie
erlösen kann ... Diese und andere Gedanken ließen sich in einem
stehlen Herzen, brechen die Treue, betrügen die Freundschaft und gehen,
Roman weit besser entfalten als in einem Drama, das nicht den Aus¬
wenn ihre Eitelkeit verletzt ist, sogar kalten Mutes über Leichen.
blick auf ein „weites Land“, sondern immer nur auf kleine prägnante
Der Chorführer dieser tragikomischen Triebmenschen ist der
Ausschnitte bieten kann. Dabei ist das locker gefügte Stück schon jetzt
Fabrikant Friedrich Hofreiter. Ein verheirateter Anatol, der in der
recht weitschweifig geraten. Es umfaßt etwa 170 Textseiten und fünf
Ehe sein Junggesellenleben, nur noch verfeinerter, fortsetzt. Noch als
Akte, von denen der in einem Dolomitenhotel spielende Mittelakt fast
angegrauter Vierziger hat er die Empfindung, als ob alles Bisherige
wie ein Fremdkörper, wie eine Reminiszenz an gallische Schwänke
nur Vorstadium gewesen wäre und erst jetzt Liebe und Leben beginnen.
wirkt. Die Untreue Genias, die uns urplötzlich im vierten Akt als
„Es gibt aber“, wirft ihm Adele, eine verflossene Geliebte, ein, „doch
fait accompli überrascht, ist nicht genügend motiviert, und auch die
noch was anderes auf der Welt als uns“. Worauf der Wiener Don
Freude an der Hauptgestal wird durch einige Unkiarheiten und
Juan erwidert: „Ja — die Pausen zwischen der einen und der
Ueberspannungen beeinträchtigt. Gleichwohl ist das Stück unschätz¬
andern. Die sind ja auch nicht uninteressant. Wenn man Zeit hat,
bar durch seine tiefschürfende Mannespsychologie wie durch die Kultur
und in der Laune ist, baut man Fabriken, erobert Länder, schreibt] seines sein geschlissenen Dialogs, in der Schnitzler auch hier die besten
Symphonien, wird Millionär; aber glaub mir, das ist doch alles nur] Vorbilder der Franzosen erreicht, wenn nicht übertrifft.