II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 534

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24. Das weite Land
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Arsciesisst Sng=
gemeint ist damit das Reich der inneren Möglichlei¬
dem der Autor in zeitgemäßem Gewande das ur¬
ten, das weite Land der Seele.
alte, von den Dichtern aller Völter in vielerlei My¬
Friedrich Hofreiter, Fabrikant, klug, reich, glück¬
then abgewandelte Thema vom trotzigen Verächter
licher Unternehmer, glücklicher Liebhaber, obwohl er
menschlicher Gesetze behandeln wollte, den das stär¬
die Vierzig schon längst hinter sich hat. Im übrigen
kere Gesetz endlich doch zerschmeltert.
ein frostiger Charakter, rücksichtslos trotz der gepfleg¬
Die vom Hofschauspieler Arnold Korff mit
testen Formen, ein Mensch, der nichts zu geben hat sunserem Schauspielensemble einstudierte Darstellung
und den kaum etwas anderes interessiert als sein
bei der Premiere vom Samstag, den 2. d. M., wwar
Erfolg, sein Genuß, seine Laune. Sein kleiner Sohn
mustergiltig. Die vier Hauptfiguren hoben sich in
ist irgendwo in England in einer Schule. Genia,
scharfer Konlur ab, vor allem der Fabrikant Hof¬
seine Frau, ist der Seitensprünge des Mannes über¬
reiter des Herrn Korff, der die bestimmenden Grund¬
drüssig, sie will weg von ihm, kann sich dazu aber
linien dieses Charakters in schöner Klarheit heraus¬
doch auch wieder nicht aufraffen, und so haben sie brachte. In recht interessantem Gegenspiel hiezu be¬
sich auf ein scheinbar leidliches Nebeneinander ein= tonte Frl. Simon auf das glücklichste die weichen,
gerichtet. Er hat eben seiner Letzten, einer kleinen schlichten Züge der Frau Genia. Der Dr. Mauer
Gans von Bantiersfrau, den Abschied gegeben; der Herrn Hohenau war eine vortreffliche, ruhig
seine Frau hat sich aus innerer Reinlichkeit — oder umrissene Gestalt. Herr Hofstädter kam als
aus verborgener Liebe zu ihrem Mann? — der phylosophischer Hoteldirektor Dr. Aigner prächtig
Leidenschaft eines jungen Künstlers, des Russen Kor= zur Geltung. Frl. Karoly stattete die „Erna“
sakoff versagt, der darum aus dem Leben ging. Das
mit modern mädchenhafter Entschiedenheit aus. Mit
macht ihr nun die Nähe ihres Mannes unerträglich.
würdiger Vornehmheit sprach Frau v. Raday die
Sie sagt ihm auf seine Fragen die Wahrheit. Nun Worte einer freiwillig Vereinsamten (Anna Mein¬
ist plötzlich er es, der nicht bei ihr aushält. Er be¬ hold=Aigner) kräftig und voll Gefühl Herr Ga¬
greift das Opfer dieser Frauentugend nicht, sie wird
bel den Part ihres Sohnes, des Marinefähnrichs.
ihm unheimlich. Er verläßt sein Haus und begibt
Den verschlagenen und intriguanten Bankier Natter
sich in Begleitung seines Freundes, des Aretes Dr. gab Herr Hardtmuth mit beißender Lustigkeit
Mauer, in die Alpen. In einem Tiroler Hotel findet
und Ironie. Frl. Winter war als mondaine Ban¬
er dann den größeren Teil seiner städtischen Gesell¬
kiersfrau wohl zu wenig repräsentativ, Frl. Hiller
schaft wieder. Da ist der Bankier Natter, der Mann
als „Mama Wahl“ sehr interessant und von diskre¬
jener Letzten, und diese selbst; da ist die wortreiche,
tem Humor. Herr Mahr gab den Hotelportier
klatschhafte Frau Wahl mit ihrem snobistischen Sohn
Rosenstock, eine nichtssagende, überflüssige Figur, mit
und ihrer sehr modernen, sehr entschiedenen, sehr der nichts anzufangen ist, Herr Kaligar den
persönlichkeitsstolzen Tochter Erna; da ist der junge Kreindl mit bekanntem Geschick. Herr Eichler,
Herr Kreindl mit dem vergeblichen Fanatismus der
der die Dekorationsfigur des Husarenoberleutnants
Tennis=Meisterschaft, und die anderen Typen, Char¬
„(Stanzides“ darstellte, wirkte mit seinem sackähn¬
gen und Karikaturen. Da trifft der Unstete auch auf lichen Attila wenig dekorativ — frühere Rücksprache
einen, der ihm wie ein kaum verändertes Spiegelbelo
mit dem Theaterschneider vor dem Auftreten würde
seiners elbst erscheinen muß. Der Direktor des Hotels,
sich empfehlen. Die übrigen Nebenfiguren waren gut.
Dr. v. Aigner, ist es; Lebemann, Politiker, Unter¬
Das Haus war ausverkauft; das Publikum nahm
nehmer, und in allem ebenso erfolgreich, ebenso un¬
das Stück mit geteiltem, die vorzügliche Darstellung
verwüstlich, ebenso wenig sentimental, wie Hofreiter
mit einmütigem Beifall auf und überschüttete beson¬
selbst. Seit vielen Jahren ist er, nach dem ersten
ders den Gast, Herrn Korff, mit Applaus.
Treubruch, den seine Gattin entdeckt hat, von den
hr. —
Seinen weg. Sein Sohn Otto, jetzt schon Fähnrich
Jugend. Schauspiel in 3 Akten von Mar—
bei der Marine, ist ihm ein Unbekannter. Früher
Halbe Die W#####.
einmal war Dr. Aigner einer der Allerkühnsten;
eine halsgefährliche Bergspitze, die er als erster tou¬
ristisch bezwungen hat, führt seithee seinen Namen.
Aber feitdem ihm das Alter die gewagtesten Touren
verwehrt, mag er auch die leichteren nicht mehr, die für
ihn noch ganz unbedenklich wären. Er verzichtet rest¬
los, wo er nicht siegen kann. Hofreiter aber ist keiner
von denen, die lich jemals bescheiden. Mit seinem
Freund, dem bravon Doktor und mit Erna Wahl
erklimmt er die lebensgefährliche Spitze. Droben,
im Rausch der Höhe, treibt es die beiden zueinander;
Erna wird die Geliebte Hofreiters.
Indessen hat auch seine Frau einen gefunden,
den sie nicht wieder, wie jenen unglücklichen ersten,
tödlicher Hoffnungslosigkeit überlassen will. Es ist
der Sohn des Hoteldirektors, der junge Marinefähn¬
rich. Hofreiter entdeckt bei seiner Rückkehr das Ver¬
hältnis. Der Selbstmord jenes Ersten, der sich aus
Liebe zu dieser Frau getötet hatte, war ihm damals
unbegreiflich und unerträglich. Nun aber, da er den
Zweiten glücklicher sieht, treibt ihn seine Eitelkeit,
reizt ihn seine Nervosität, verführt ihn der Rausch
seines eigenen verliebten Taumels zu einer jähen
Gebärde der Rache. Er provoziert den jungen Men¬
schen zu einem Duell. Es soll eine ganz unbedenkliche
Sache sein, Ehrenkomödie, um der Form zu ge¬
nügen. Aber der Fähnrich bleibt tot auf dem Platz.
s. —
Hofreiter hat ihn mit festem Willen erschossen. Nicht