II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 567

we
24. bas1te Land
box 29/2
& Seidel
eitungeausschnitte.
Georgenkirebplatz 21!
ten Zeitungen und ist 4es
ste Bureau Deutschlands.)
1.
ar
□. 1
R
nen Abend schuld war, lasse ich dahingestellt. Es genügt
und bestimmter die Charaktere Hofreiters und Genias zu um¬
mir, die beschämende Tatsache konstatiert zu haben, und ich
reißen. Infolgedessen haftet diesen etwas Lehrhaftes, etwas
Seuilleton.
beeile mich, dem Dichter selbst, diesem liebenswerten, klugen,
zuviel Absicht an. Das weite Land, das menschliche Seele
hellseherischen Seelenfinder meine Reverenz zu erweisen.
heißt, erscheint künstlich ausgeweitet.
= und Nationaltheater.
Schnitzler hat die Kunde von der modernen Seele auf
Mit dieser Seele aber hat es noch eine besondere
eine ganz eigene, besondere Weise bereichert. Es ist Sitte ge¬
Bewandtnis. Schnitzler nennt sie natürlich nur ironisch
Schnitzlers 50. Geburtstag.
worden, die Eigenart seiner Kunst aus seinem ärztlichen Beruf
ein weites Land. (Denn dieser Vergleich, der von einem
zu erklären. Diese Sitte der Feuilletonisten ist mehr bequem
„Das weite Land“.
Dichter stammen soll, ist eher, wie es im Drama heißt,
als begründet. Denn Schnitzler hält sich nirgends an das
einem Hoteldirektor zuzutrauen.) Aber er benutzte die Weit¬
(Erstaufführung.
gegenständliche Phänomen, nirgends an die Körperlichkeit der
des Seelenlandes doch dazu, um in ihr ein paar Launen
rtstage Arthur Schnitzlers wurde seine
Erscheinungen; er ist niemals Naturalist gewesen. Vielmehr
des Schicksals verschwinden zu lassen, die im Drama stark
kas weite Land“ vom Mannheimer
gestaltet er stets die Grundstimmung einer Welt oder eines
theatralisch wirken. Vor allem ist die Erschießung Otto
ltheater auf ihre Widerstandsfähigkeit ge¬
Lebens und läßt erst daraus die Umrisse einer Gestalt und
von Aigners eine Laune des Dichters und seiner Gestalt.)
lar und sein Drama hielten sich trefflich
einer Seele auswachsen. Er ist eine Ausnahme weiter Kom¬
Derlei paßt gewiß in ein „weites Land“, aber es steht
der Unzulänglichkeit der Aufführung
plexe ein Ueberschauer verschwimmender Perspektiven, einer
fremd und unorganisch im Seelenleben Hofreiters. Und
Dem Kritiker aber bleibt nichts anders
der Auserwählten, die mit dem Tastsinn der Seele begabt sind.
auch das Schicksal seiner Freunde, des einen, der an seiner
ichter Arthur Schnitzler an seinem 50.
Meist liegt eine weiche, zarte Stimmung, durchsichtig und ver¬
Seite im Gebirge sich zu Tode fiel, und auch des andern
das Mannheimer Hof= und National¬
hüllend zugleich wie ein Schleier, über seinen Werken. Aber
jenes Pianisten, der um Genias willen starb, —
auch
igen, ihn gegen die Unbekümmertheit, mit
auch härtester Zusammenprall und glutigste Theatralik sind
dieses Schicksal ist mit spielerischer Laune erfunden und
seine letzte Bühnendichtung heranwagte,
ihm nicht fremd. Schnitzler ist bei aller Zartheit seiner Mittel
zu absichtsvoll zur künstlichen Ausweitung der Seelen¬
en. So ehrt das Hoftheater seir: Dichter:
und Wirkungen niemals ein Verweichlicher und Verwässerer.
perspektive benutzt.
und krastloseste Schmarren Otto Ernsts
Gewiß! In seinen Dichterträumen wandeln Anatol und
Wie aber drängt diese Dichtung gleicherweise zum
umgibt man ihn mit neuen Dekorationen.
Medardus, aber er scheut auch nicht vor den unbequemen Wirk¬
Seelischen und Theatralischen, zur äußeren Form und zur
r=Aufführung dagegen, die überdies aus¬
lichkeiten des (Geschlechts=) „Reigens“ und vor den brutalen
inneren Gehaltenheit! Es ist eine Lust, den Finessen des
ung des Dichters bezeichnet wird, ist der
Kämpfen der Renaissance (in dem wundervollen „Schleier der
Dialogs zu folgen, und zugleich eine tiefe ästhetische Genug¬
enug. Man legte die verschiedenen Schau¬
Beatrice“) zurück.
tuung zu erkennen, wie fest aus diesen Bausteinen das Ge¬
sten Akte in einen zusammen und läßt es
In seiner Tragikomödie „Das weite Land“ ist Anatol,
samtgebäude des Dramas sich fügt.
ärmlichen, poesielosen Gartenbilde ge¬
der die Liebe in ihrer ewigen Variation liebt, älter geworden
Von alledem merkte man der gestrigen Aufführung
eußerliche ist schon bezeichnend genug für
und verheiratet. Hofreiter liebt seine Frau und der Reihe
wenig oder gar nichts an. Ueber alle anderen ragte Frau
Dichterehrung. Aber der äußerlichen ent¬
nach viele andere Frauen, jetzt gerade die abenteuerlustige
Hummel als Genia empor. Sie war von sieghafter In¬
kinnere Struktur der Aufführung. Man
Erna Wahl. Genia, seine Frau, weiß von allem und ist ihm
nerlichkeit. Diese Darstellerin hat etwas Gothisches in
b herunter, zum Teil sehr undeutlich, fast
dennoch treu. Ein Pianist, dem sie sich versagte, hat sich um
sich, eine Differenziertheit des Gefühls, die doch immer
ob nuancen= und stimmungslos. Eine
ihretwillen erschossen. Nun aber naht sich ihr Otto von
wieder in rührender Schlichtheit endigte. Neben ihr wirkte
Schauspielern stand absolut nicht in ihren
Aigner, ein junger, stiller Mensch, und wie ihr Gatte die
Herr Koch als Hofreiter ziemlich plump. Er war nicht
neben ihnen oder blieb ihnen ganz fern.
Jugend Ernas gierig an sich reißt, läßt sie sich selbst von
frei, souverän und liebenswürdig genug. Trotzdem war er
menspiel war keine Rede. Herr Richter
der unverbrauchten Jugend Ottos verführen, Hofreiter erfährt
von einer unwandelbaren Echtheit der Gefühle und Töne
inem übertriebenen Wiener Dialekt einen
es und erschießt Otto von Aigner im Duell. Seine Frau aber
und von einer (manchmal zu wenig gelösten) Gediegenheit
Tennisplatz, und störte dadurch, so oft
weicht entsetzt von ihm. Dies Gerippe, das einer Troubadour.
schauspielerischer Mittel. Im letzten Akt war sein Spiel¬
der Bühne erschien, das Ensemble der
Ballade anzugehören scheint, trägt in Schnitzlers Drama ein
ebenso diskret wie beredt. Herr Rotmund spielte der¬
aber ihrerseits wieder kaum ein einziges
breit und weit gemaltes modernes Kulturbild. Die Handlung
jungen Otto viel zu sehr aufs Ungefähre und Typische hink
einem Ensemble zusammenfanden. Jeder
verästelt sich in viele Episoden, die aber immer Exponenten
Dieser junge Mensch ist aber eine Charaktersigur im besten
orten des Dichters seine Monologe und
der Haupthandlung sind. Ein verhaltener Strom lebendiger
Sinne des Wortes. Gänzlich versagte Frl. Fein als Erna##
ich nach Zwiesprach' mit den Mitspielern,
Energieen fließt von Seele zu Seele und ist bald von komi¬
Sie spielte dieses junge Mädchen als virtuose Dame, wat
entstünde Aber es entstand keiner! Ein
schen, balb von tragischen Lichtern überfärbt. Die Charak¬
aber auch in dieser Verstiegenheit ganz gefühllos und
m Mahlerfest, das zeigte, wie man Künst¬
teristik sowohl Hofreiters als auch Genias wird aus all die sen
leer.
Sehr echt und diskret war Frl. Wittels als Mut#
mühte sich das Theater zu zeigen, wie man
Episoden gespeist, wie ein stiller Weiher aus vielen unruhigen
ter Otto von Aigners, sehr delikat Frl. Blankenfeld
ll. Herr Reiter begnügt sich als Re¬
Bächen. Die beiden Gatten stehen glaubhaft in einer Kultur
als verflossene Geliebte Hofreiters und Bankiersgattin
idener Inspizientenarbeit und Herr Gre¬
(nicht in einer Natur!), weil diese sich in ihnen wie in allen
Geradezu ein Labsal in dieser grob skizzenhaften Aufführ
azu und verhindert es nicht, daß man
andern Personen individualisiert. Auch in diesem Drama ist
rung war die Darstellung des Bankiers Natter durch Herr¬
heater an einem Dichter derartig vergeht.
das Milien das Primäre und das Individuum erst das
Kolmar. Diese Gestalt war ein kleines Kunstwerk stim¬
bsich von dem Vorwurf der Pietätlosigkeit
Produkt einer Stimmung, einer allgemeinen Leben situation.
mungsvoller Charakterschöpfung für sich.
hen Dichter nach dieser Vorstellung schwer= Schnitzler hat aber aus der Grundstimmung der dramatischen
Von allem andern laßt mich schweigen. Schauspiele
en. Wa##und wer an di ain kunstverlasse Handlung zuviele Einzelbeisviele losgelöst, um desto sicherer #aierten wie in einer ireinden oder alliu vertrautenun
darum trivialen Welt. Ich wage keinem einzigen einen
Vorwurf zu machen. Aber um so leidenschaftlicher klage
ich einen Theaterleiter an, der eine solche Vorstellung
zum unzulänglichen Ereignis, werden ließ.
H. S. 4