II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 577

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24. Das „ite Land box 29/2
Klose & Seidel
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Ort:
Btüttgert—
Datum:
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er uns verbuhlte, vertrottelte, zerfressene und verkommene Fi¬
Königliches Hoftheater.
guren aus der Wiener Lebewelt vorführen kann, da stellt
er seinen Mann. „Psychologie“ existiert für diesen Herrn
* Stuttgart, 19. Mai. Wenn der Mensch fünfzig Jahre
Schnitzler nur unter dem Gesichtspunkt der Sexualbrunst; wenn
alt wirdz erfährt man allerhand neues von ihm. So wurde
seine Männer und Frauen sich nicht verbuhlen können, kann er
uns kund und zu wissen, daß ein gewisser Herr Arthur Schnitzler
kein „Seelengemälde“ erstellen. Er lebt nur, wenn er die
aus Wien ein Dichter sei, denn, so hieß es, die deutschen
Ehe bricht, oder wenn seine Helden und Heldinnen in per¬
Theaterleitungen seien übereingekommen, die 50. Geburtstage
verser Lust excedieren; ihm ist die Frau lediglich „Geschlecht",
der deutschen Dichter durch Aufführung eines ihrer Werke
um das sich alles dreht. Auch im „weiten Land“ läßt er
zu feiern. Also führte man gestern das „weite Land“ von
seinen Helden sagen: „um euch (Frauen) dreht sich alles,
Schnitzler auf und der Wiener Autor wurde dadurch offiziell
ob wir Sinfonien schreiben und Dichterwerke, oder Kunstwerke
zum Dichter. Die heutige Zeit ist verschwenderisch mit Titeln
schaffen, ihr seid doch die Hauptsache“. Und das ist die künstle¬
und Ehrenzeichen; so muß man es schließlich auch ertragen,
rische und moralische Weltanschauung Schnitzlers. Das Weib
wenn die Theaterleitungen einen ihrer Lieblinge zum Dichter
ist ihm Motiv. Aber notabene: nur das „illegitime“, immer
erheben. In Wahrheit ist Herr Schnitzler nämlich kein Dich¬
das Weib oder die Geliebte der andern, auch nicht das nor¬
ter, sondern nur ein Bühnenschriftsteller und Essayist, 50%
male Weib, sondern die ächte oder verhüllte Courtisane, die
niedriger, wie etwa Hermann Sudermann; höchstens zu ran¬
Geschiedene, die Ehebrecherin, die befleckte Jungfrau — an¬
gieren mit Hermann Bahr oder Oskar Blumenthal, aber
ständige Frauen und Mädchen gibts in der Schnitzler'schen
für feinere Nerven erheblich unangenehmer, wie die genannten.
Gestalten=Welt nicht. Alles ist zerfressen, brünstig, liebestoll,
* Es gibt in der neuen Wiener Schule keinen Autor, der einem
ehebrecherisch, trugvoll, gemein. Die Männer sind gehörnt
so auf die Nerven fällt, wie dieser Herr Schnitzler mit seinem
oder hörnen andere, wieder andere sind pervers, lieben ihre
beispiellosen Cynismus und seiner Unfähigkeit, von den Speziali¬
Frauen, weil sie die Ehe brechen oder sehen brünstig zu,
täten der Wiener Sexual=Verlotterung aufs allgemein mensch¬
wie die Frauen aus einer Hand in die andere wandern.
liche zu kommen. Diesem Herrn Schnitzler wird alles zur
Herr Schnitzler war ehedem Mediziner und so mag er wohl
„Liebelei“. Ueber die „Anatols“ und „Christinen“ kommt er
aus der Literatur der Grenzfälle des Sexual=Pathologischen
nicht hinaus, auch wenn diese in „militärischer“ oder
allerhand Typen kennen gelernt haben. Die führt er uns
„bourgeoiser“ Verpackung einhergehen. Seine „Liebelei“ hat
nun vor und das gute Publikum muß dazu auf Veranlassung
ihn „berühmt“ gemacht, aber über diese Berühmtheit hat er
der Bühnenleitungen an des „Dichters“ 50. Geburtstag Hurra
sich nicht erhoben. Er wollte uns mal „klassisch“ kommen und
schreien. Armes, befangenes P#
schrieb eine deutsche „Madame Bovary“ aber er blieb elend
terleitungen! Nicht nur Schund=, auch Schandliteratur ist es,
in der „Liebelei“ stecken und langweilte alle, die das „Original“
was Herr Schnitzler bietet. Ein Buch wie „Reigen“ gehört
Flauberts kennen. Seine Stärke ist seine Frivolität. Nur,
heute noch polizeilich verboten. In allen seinen Werken tritt
wo er jeder guten Sitte ins Gesicht schlagen kann, offen
dieser „Dichter“ das menschliche unter die Füße der seruellen
das sagen, was andere anzudeuten zu anständig sind, wo! Brunst; ein Gestank geht von allen diesen Figuren aus, ein
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