II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 576

24. Das weite Land
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Klose & Seidel
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wäb. Morkur
Zeitung:
Stuttgart
Ort:
Datum:
Ar.
. Mai
Kgl. Hoftheater.
* Das weite Land, Tragikomödie von A. Schnitzler.
So Stuttgurt 20/ Mai. Die Jeier von Arthur
ur Schnitzlers
50.
urtstaß hit die Hofbühne letzten Samstag mit der
Erstauffschruch Kiner neuesten Dichtung, der Tragikomödie
„Das meite Lanld“, begangen. In der Tat ist dieses Drama,
wenn es auch nicht die beste seiner Bühnenschöpfungen ist, doch
in Vorzügen und Schwächen trefflich geeignet, ein sicheres Bild
der geistvollen, kulturfeinen, parfümierten Kunst des Wiener
Dichters zu geben. Es bewegt sich in der Sphäre, in der sich
Schnitzler zu Hause fühlt, die er liebt und zugleich verabscheut,
die ihm um ihres rauschenden Lebens willen so interessant und
wegen ihrer inneren Leere so trostlos erscheint, in der
Sphäre der genußsüchtigen Lebenskünstler und Egoisten, deren
Dasein aufgeht in Geselligkeit, Sport und ewig wechselnder
Liebelei. In diesen Kreisen, die er uns in anmutigem Plauder¬
ton mit einer fast ermüdenden Breite vorführt findet er den
Boden für die melancholische Lebensweisheit, daß die Seele
ein weites Land ist, ein Land voll unbekannter versteckter
Tiefen und Risse, die ein festes Weiterschreiten unmöglich
machen, ein Chaos, in dem Treue und Untreue, Liebe zu einer
und Verlangen nach der andern unentwirrbar zusammen sind.
In der Unberechenbarkeit des Geschehens in dem rätselhaften
Bestimmtwerden unseres Handelns durch ein geheimnisvolles
Unterbewußtes liegt die Tragikomödie des Lebens. Der Inhalt
des Stücks ist an dieser Stelle bereits geschildert worden
(Ab.Bl. vom 18 ds.), so daß hier darüber weggegangen werden kann.
Wohl folgt man eine Zeitlang dem Versuche Schnitzlers, die
geheimen Unterstimmen des Bewußtseins erklingen zu lassen,
mit Interesse, man sucht sich abzufinden mit diesen Unbegreif¬
lichkeiten und Launenhaftigkeiten vorübergehender Augenblicks¬
stimmungen, aber nur zu bald wird man inne, wie in diesem
wogenden Uebel latenter Gefühle alle feste Zeichnung, alle
dramatische Folgerichtigkeit verloren geht. Auch der Gedanke,
dem Schnitzlers Drama Ausdruck geben will, ist von der Ober¬
fläche des Lebens genommen. Wohl mag es von einer mit
nichtigem selbstsüchtigem Lebensgenuß ausgehöhlter Gesellschaft
gelten, daß schließlich der Spleen und die Verworrenheit der
Seele, die Treue und Untreue, Liebe und Verrat nicht zu
trennen weiß, das Schicksal bestimmen; vom Menschen als
solchen gilt das nicht. Jeder sicher in sich ruhende Geist fühlt,
daß in allem, was ihm begegnet, selbst im Unerwartetsten und
Ueberraschendsten, der feste Kern seiner Persönlichkeit, sein
innerstes Wesen sich auswirkt. Schnitzlers feiner, hochkultivierter
liebenswürdiger Persönlichkeit, der alles zu verstehen und alles
zu vergeben, tiefstes Bedürfnis ist, fehlt die sittliche Kraft einer
starken Natur, aus der allein ein tieferes Verständnis des
Menschen und ein echtes Drama erwächst.
Die Aufführung war unter der sicheren Leitung von Dr.
Bloem alles Lobes wert. Hr. Junker schuf in seinem Hof¬
reiter eine packende, namentlich in den tragischen Partien er¬
greifende Gestalt. Anfangs hätte er wohl dem rastlosen Ge¬
nießer mehr Lebensfrische und robustes Zugreifen geben dürfen:
da schien uns die Zermürbtheit und Müdigkeit seines Spiels
nicht ganz am Platz zu sein. Aber auch so war seine Schöpfung
aus einem Guß. Frau Remolt gab ihrer Genia in einem
eindrücklichen vornehmen Spiel eine schwerblütige edle Größe. Mit
dieser Vertiefung hat sie freilich die rätselhafte Wandlung die¬
ser Frau nicht eben verständlicher gemacht. Aus der vom
Dichter recht oberflächlich gezeichneten Erna machte Frau Hof¬
meister so viel sich ihr abgewinnen ließ. Herm. Blank
erwies als Dr. Mauer von neuem seine Befähigung für ruhige,
verstandesklare Naturen. Frl. Rossi zeichnete in der Rolle
der Frau Wahl die seichte Gesellschaftsdame mit köstlichen
Strichen. Als Vertreter der kleineren Rollen bewährten sich
die Damen Künniger und Eichholz und die Herren Richter,
Tenhaeff, Alsen und Springer. Die szenische Umrahmung
bekundete, wenn man die Stilmischung in der Ausstattung des
Villagartens im ersten und zweiten Akt als in den Verhält¬
nissen gegeben hinnimmt, feinen Geschmack. Das Hotelentré
im 3. Akt war in Ausstattung und Raumwirkung gleich vor¬
nehm und echt bis auf den regelrecht auf- und abgehenden
Lift, mit dem Schnitzler freilich dem Sensationsbedürfnis des
Publikums eine schlimme Konzession gemacht hat. Das
Publikum nahm die Neuheit sehr freundlich auf.
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