24. Das veite Land
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Nad
G s #77 Unschan
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mern zu ermäßigten Preisen sorgen für
hat und jeder Unverheiratete eine ver¬
das laufende Repertoire. Die Aufmerk¬
heiratete Frau liebt, hat der Fabrikant
samkeit des literarischen Publikums
Hofreiter, der in jeder Hinsicht ein suchs¬
wandte sich indessen den Erstaufführungen
schlauer moralinfreier Geschäftsjäger ist,
zweier namhafter Autoren zu.
seine eigene Lebensauffassung sich aufge¬
Zum fünfzigsten Geburtstag Arthur
baut. Das Leben ist kurz. Anspruch auf
Schnitzlers kam am 15. Mai die an al¬
Glück und Lust ist Voraussetzung des Da¬
len größeren Bühnen gespielte und selbst
seins. Die Arbeit ist ernst, wie der Kampf
in Wien sanft abgelehnte Tragikomödie
um das Glück, das Vergnügen, die Lust.
„Das weite Land“ heraus.
Die wahre Lebenslust in allen Dingen aber
Es wurde keine rechte Geburtstags¬
ist der ewige Wechsel. So wird die Arbeit
feier. Das Publikum verhielt sich nach dem
zur Lust, die Lust zu einer Arbeit, fast zu ei¬
ersten Akt völlig still, fast teilnahmslos,
ner anstrengenden Arbeit. Dazwischen
zeigte sich im zweiten ein wenig interessiert,
bleibt freilich Zeit genug zum Spiel, zum
machte nach dem dritten Akt einen geär¬
Spiel, das wie eine Arbeit aussieht, und es
gerten Eindruck und ließ sich erst im vierten
scheint, daß der Wechsel des Spiels ihm
Akt, der mit nicht ganz neuen Spannungs¬
ein erlebensreiches Abbild seiner Jagd nach
mitteln arbeitet, packen. Der fünfte Akt
Frauenliebe, seiner ertragreichen Jagd nach
verlief flau. Schon der Titel des Werks ist
Erwerb geworden ist.
eine Verlegenheit. Man könnte ihn wegen
In dieser Welt fühlt sich Hofreiter
seiner Vieldeutigkeit auf gar manches Werk
wohl; er lebt wie in einem Taumel und
setzen, das nicht den verpflichtenden Namen
betreibt die Verführung der Frauen im
Schnitzler trägt. Der Gesamteindruck wiegt
großen wie eine Art Sport. Trotz seines
vor, daß bei dieser Arbeit dem gefährlich
wilden Lebens behält Hofreiter das kalte
schnell produzierenden Wiener herzlich
Auge, da seine vorgespiegelte oder wirk¬
wenig Neues eingefallen ist. Den bedenk¬
liche Leidenschaftlichkeit und Hitze im tief¬
lichsten Eindruck hinterließ, wie schon oben
sten Grunde eiskalt ist. Sein Weib, Frau
angedeutet, der dritte Akt. Trotz einer Fülle
Genia, hat bis zur Stunde ihm Treue ge¬
von Gestalten, die an und für sich sicher
halten. Ein Liebhaber hat sich sogar er¬
hingestellt sind, ist in diesem Akt alles
schossen, weil er die Gunst der zurückhalten¬
amorph. (Ich habe seit Otto Ernsts „Die
den Frau nicht erwerben konnte. Der Atem
Liebe höret nimmer auf ..“ Akt 1, keinen
der Welt Hofreiters infiziert auch schlie߬
so billig und vulgär gearbeiteten Akt ge¬
lich dessen Frau. Nun aber dieser merkt,
sehen!) Dazu ist der Gegenstand recht ab¬
daß ein junger schöner Marineoffizier Frau
gegriffen. Im vierten Akt, der mit einer
Genia erfolgreich sich nähert, wird er wach¬
Herausforderung zum Zweikampf endet,
sam, lauert, weil Laune und verletzte Eitel¬
wird durch Erwartungsspannung eine
keit es will, dem Nebenbuhler auf, tut an¬
starke lähmende Temperatur erreicht. Und
fangs, als sei nichts geschehen, provoziert
der fünfte, nach dem Zweikampf, hat im
dann den Liebhaber und erschießt ihn im Duell.
äußeren Geschehen eine fatale Ahnlichkeit
Der Zuschauer und jeder aufrichtige
mit dem Schlußakt der „Liebelei“. Der In¬
Freund Schnitzlers befindet sich diesem Hof¬
halt ist in den Grundlinien so: In einer
reiter gegenüber in großer Verlegenheit.
Welt, in der jeder Ehegatte seine Liebelei
Zugegeben, daß es solche Menschen gibt.
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mern zu ermäßigten Preisen sorgen für
hat und jeder Unverheiratete eine ver¬
das laufende Repertoire. Die Aufmerk¬
heiratete Frau liebt, hat der Fabrikant
samkeit des literarischen Publikums
Hofreiter, der in jeder Hinsicht ein suchs¬
wandte sich indessen den Erstaufführungen
schlauer moralinfreier Geschäftsjäger ist,
zweier namhafter Autoren zu.
seine eigene Lebensauffassung sich aufge¬
Zum fünfzigsten Geburtstag Arthur
baut. Das Leben ist kurz. Anspruch auf
Schnitzlers kam am 15. Mai die an al¬
Glück und Lust ist Voraussetzung des Da¬
len größeren Bühnen gespielte und selbst
seins. Die Arbeit ist ernst, wie der Kampf
in Wien sanft abgelehnte Tragikomödie
um das Glück, das Vergnügen, die Lust.
„Das weite Land“ heraus.
Die wahre Lebenslust in allen Dingen aber
Es wurde keine rechte Geburtstags¬
ist der ewige Wechsel. So wird die Arbeit
feier. Das Publikum verhielt sich nach dem
zur Lust, die Lust zu einer Arbeit, fast zu ei¬
ersten Akt völlig still, fast teilnahmslos,
ner anstrengenden Arbeit. Dazwischen
zeigte sich im zweiten ein wenig interessiert,
bleibt freilich Zeit genug zum Spiel, zum
machte nach dem dritten Akt einen geär¬
Spiel, das wie eine Arbeit aussieht, und es
gerten Eindruck und ließ sich erst im vierten
scheint, daß der Wechsel des Spiels ihm
Akt, der mit nicht ganz neuen Spannungs¬
ein erlebensreiches Abbild seiner Jagd nach
mitteln arbeitet, packen. Der fünfte Akt
Frauenliebe, seiner ertragreichen Jagd nach
verlief flau. Schon der Titel des Werks ist
Erwerb geworden ist.
eine Verlegenheit. Man könnte ihn wegen
In dieser Welt fühlt sich Hofreiter
seiner Vieldeutigkeit auf gar manches Werk
wohl; er lebt wie in einem Taumel und
setzen, das nicht den verpflichtenden Namen
betreibt die Verführung der Frauen im
Schnitzler trägt. Der Gesamteindruck wiegt
großen wie eine Art Sport. Trotz seines
vor, daß bei dieser Arbeit dem gefährlich
wilden Lebens behält Hofreiter das kalte
schnell produzierenden Wiener herzlich
Auge, da seine vorgespiegelte oder wirk¬
wenig Neues eingefallen ist. Den bedenk¬
liche Leidenschaftlichkeit und Hitze im tief¬
lichsten Eindruck hinterließ, wie schon oben
sten Grunde eiskalt ist. Sein Weib, Frau
angedeutet, der dritte Akt. Trotz einer Fülle
Genia, hat bis zur Stunde ihm Treue ge¬
von Gestalten, die an und für sich sicher
halten. Ein Liebhaber hat sich sogar er¬
hingestellt sind, ist in diesem Akt alles
schossen, weil er die Gunst der zurückhalten¬
amorph. (Ich habe seit Otto Ernsts „Die
den Frau nicht erwerben konnte. Der Atem
Liebe höret nimmer auf ..“ Akt 1, keinen
der Welt Hofreiters infiziert auch schlie߬
so billig und vulgär gearbeiteten Akt ge¬
lich dessen Frau. Nun aber dieser merkt,
sehen!) Dazu ist der Gegenstand recht ab¬
daß ein junger schöner Marineoffizier Frau
gegriffen. Im vierten Akt, der mit einer
Genia erfolgreich sich nähert, wird er wach¬
Herausforderung zum Zweikampf endet,
sam, lauert, weil Laune und verletzte Eitel¬
wird durch Erwartungsspannung eine
keit es will, dem Nebenbuhler auf, tut an¬
starke lähmende Temperatur erreicht. Und
fangs, als sei nichts geschehen, provoziert
der fünfte, nach dem Zweikampf, hat im
dann den Liebhaber und erschießt ihn im Duell.
äußeren Geschehen eine fatale Ahnlichkeit
Der Zuschauer und jeder aufrichtige
mit dem Schlußakt der „Liebelei“. Der In¬
Freund Schnitzlers befindet sich diesem Hof¬
halt ist in den Grundlinien so: In einer
reiter gegenüber in großer Verlegenheit.
Welt, in der jeder Ehegatte seine Liebelei
Zugegeben, daß es solche Menschen gibt.
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