II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 587

24. Das weite Land
box 29/2
Ausschnitt aus:
olkerecht, Aussig, Böhmen
vom:
10. 191

Das weite Land.
Aussig, 10. Oktober.
Arthur Schnitzler läßt uns in dieser Tragikomödie
einen Blick in das welte Land der menschlichen Seele
tun und seine Werke haben auf der Bühne dieselbe
Wirksamkeit, wie seine Novellen und psychologischen
Romane. Obzwar er seinen künstlerischen Blick an
französischen Beispielen geschärft hat, so ist doch seine
Kunft ganz deutsch. Dennoch kann man dieses Bühnen¬
werk in manchen Partien mit Ibsens „Rosmersholm“
vergleichen, auch darin bilden die Geheimnisse der mensch¬
lichen Seele die Triebkraft. „Das weite Land“ hat eine
wenig komplizierte Handlung: Ein in Baden bei Wien
lebender Fabrikant betrügt seine Frau, wovon auch sie
Kenntnis hat. Trotzdem bleibt sie ihm treu. Wegen ihr
begeht ein Mann Selbstmord, was aber ihren Gatten
nur zu einigen Zynismen veranlaßt. Der Fabrikant er¬
obert auf einer Dolomittentour ein unschuldiges Mädchen,
während seine von ihm vernachlässigte Gattin daheim
den Werbungen eines Marineoffiziers, der ein Sohn
ihrer Freundin ist, erliegt. Doch sieht ihr Gatte den
Liebhaber nach seiner Rückkehr aus dem Fenster des
Schlafgemaches seiner Gattin steigen, ein Duell ist die!
Folge und der Offizier wird getötet. Nun erst sieht der
Fabrikant, wie weit er es gebracht hat. Er weist das
verführte Mädchen, dem er im Berghotel die Heirat ver¬
sprochen hatte, zurück, trotzdem es ihm folgen will. Nur
noch seinem dreizehnjährigen Sohne, der aus England
um diese Zeit zurückgekehrt, will er gehören.
Die gestrige Aufführung war wohl in dieser Spiel¬
saison die beste. Herr D. Ferdinand stellte einen
Fabrikanten auf die Bühne, dem man es ansehen konnte,
daß ihm die Zeit zwischen dem ausgesprochenen Wunsche
und seiner Erfüllung nervös macht. Zweifellos verfügt
Herr Ferdinand über eine ganz enorme Gestaltungskraft.
Ebenbürtig zur Seite stand ihm Frau Bielitz, der
trotz Heiserkeit die Darstellung der Genia glänzend gelang.
Sehr gut spielte auch Herr Martens den Marine¬
Fähnrich und nicht minder Fräulein Breuer als Erna.
Hervorgehoben seien noch Fräulein Becker in ihrer
Rolle als Schauspielerin, Herr Kögel, der ihren ge¬
schiedenen Gatten gab, Herr Mendel als Bankier
Natter und Herr Dr. Kny als Dr. Mauer. Zu nennen
wären noch: die Herren Eisenprobst, Conradini,
René, Bräuer, Reißner, Damm, John,
Jurok und Gerber. Ferner die Damen Beil, von
Asten, Schäfer und Gurtschinew. Die Regie
lag in den Händen des Herrn Kögel.
Der Besuch war nicht glänzend. „Nobelplätze“ leer,
die billigeren Plätze gefüllt. Das feine Publikum schaut
halt lieber in das weite Lani des Banalen. W.
(Anfang
Mittwoch,
zw-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stbekuun,
burg, Toronto.
galerie.“
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Donnerstag
Auseigak
(Anfang
isschnitt aus:
Freitag, de
10 1. 1912
furter.“
m:
Samstag,
Walzer.“
„Das weite Land“. Tragikomödie
Sonntag, de
Hon Artb. SchuinlerDengestrige Premieren¬
furter.“
abend machte uns mit Schnitzlers neuestem
Walzer.“
und bereits weit berühmtem Stücke: „Das
Tep
weite Land“ bekannt und gestaltete sich zu
einer sehr intereffanten Unterhaltung auch [Freitag, den
für jene, die der dargestellten Idee nicht sym= Samstag, da
pathisch gegenüberstehen. Man legt dem Stück
Sonntag, d
als Leitgedanken die Aeußerung zu Grunde:
(Nachmitt
Die Menschenseele ist ein weites unerforsch=Deutsche
liches Land mit unbekannten Höhen und Tie=Sonntag, de
fen. Diese Ansicht ist eigentlich nichts ganz[Neues de
neues, aber sie wird hier in neuer Beleuch=Freitag, den
tung nachgewiesen. Der Beweis nimmt aller¬
Samstag, 5
dings die etwas ungewohnte Zeit von fünf
Frack.“
Akten in Anspruch, vermag aber durch treff
Sonntag, der
lichen Aufbau der Handlung, durch gedanken=Montag, den
reiche Dialoge und durch einen auffallenden
„Cavall
Reichtum an verschiedenartigen Charakteren
Oper
tatsächlich zu fesseln. Selbstverständlich steht
die sinnliche Liebe im Mittelpunkt des Stücks
Freitag, den
Konzert.
Der Held ist der Fabrikant Hofreiten, der seine
Samstag,
tugendhafte Frau betrügt und von einer Lieb¬
kavalier.“
schaft zur anderen eilt, ohne sich Bedenken zu
machen. Nur wünscht er, daß seine Frau auch
Sonntag, der
schuldig werden möge. Das ist schon eine
Montag, der
zählungen.
Unheimlichkeit seines „Charakters“. Diese
steigert sich, als seine Gattin in einem beson¬
Schauf
deren Falle ihre Unschuld und Treue nach=Freitag, den
weist und er darüber — ganz abgekühlt ist
Samstag, der
und sie verläßt, um bei einer Dolemitentour
lings Fluch
neue Abenteuer zu suchen. Ein junges Mäd¬
Sonntag, den
chen fällt ihm und seiner Lust zum Opfer.
fahrt.“ (Na
Als er zurückgekommen war und entdeckt
Flucht.“ (2
hatte, daß seine von ihm vernachlässigte Frau Montag, den
einem Fähnrich ihre Liebe geschenkt hat, dat
knallt er den jungen Mann kaltblütig nieder,
weil er kein Troddel sein will und läßt auch
das junge Mädchen, das ihm folgen will, im
Stich. Unheimlich ist der Mann, der sich jede,
andern keine Schuld verzeiht. Diese Rolle
bot Herrn Dr. Ferdinand Gelegenheit,
seine Darstellungsgabe im besten Lichte zu
zeigen und einen glänzenden Erfolg zu er¬
reichen. Eine vorzügliche Verkörperung er¬
fuhr die nicht leichte Partie der Frau Genia
durch Frau Ferdinand=Bielitz, die
ihre starke Heiserkeit tapfer bekämpfend, durch
ausdrucksvolles Spiel ganz außerordentlich
zum Gelingen des Abends beigetragen hat.
Auch die Träger der kleineren Rollen sind
lobend zu erwähnen. Herr Kny zeigte als
Dr. Mauer vornehme Zurückhaltung, Fraul
Beil brachte die schmackhafte aufgeregte Frau
Wahl recht schön zur Darstellung und Frl.i#
Else Breuer zeigte als Erna ein recht an¬
sprechendes Können. In ihrer Partie hat der#
Dichter ein junges Mädchen gezeichnet das#
uns in seinem Gedankengang merkwürdig er¬1
scheint und dort, wo es den ersten Verehrerst
nach seiner Vergangenheit ausfragt, ebensol!
unheimlich erscheint als wie im Gespräch mit
dem lüsternen Hofreiter im Hotel am Völser
Weiher. Das Leben und Treiben in dem ebeng
genannten Hotel wurde bei flottem Spieljg
recht nett wiedergegeben besonderes Gefallen;
erregte Herr Reißner als entrüsteter Serk¬
nitz. Die Szenerie des Stückes war wirkungs=g
voll zusammengestellt, die Abwickelung der
Gespräche vollzog sich glatt, Erfolg und Bei¬
fall waren verdient.