24. Das veite Land
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n, London,
iris, Rom, öan Francisco, Stockholm, #r. Peterser
(Enellenangebe eime Gewäse).
S
enh
(schult aue: Aheigisch uouasunt. Zeitung, ESSe
J-
(Leben irgendwo zu Ende abschnurren zu lassen. Auch die letzte
[Liebste, die ihn begleiten will, scheucht er von sich: „Aus, Erna,
Sun-
Teili ist.
auch zwischen uns. Du bist zwanzig, du gehörst nicht zu mir.
Diese ausführliche Nachzeichnung der Hauptlinie erschien
PRE
nötig, da sie in der gestrigen Aufführung nicht restlos klar wurde.
□ Essen, 9. Jan. Stadttheater: „Das weite Land.“ Das
Mancherlei Varianten des Themas laufen nebenher. Wenn
Hin und Her der Geschlechter, oder wie der auch hier wieder auf¬
man das Drama als eine geschlossene, mit Notwendig¬
keit sich erfüllende Handlung auffaßt
lauchende räsonnierende Schriftsteller Albertus Rhon im Zwischen¬
und wir wollen daran
spiel es einmal formuliert, „die tiefe Unsicherheit aller irdischen
vorläufig noch festhalten — so ist diese Tragikomödie sicherlich
Beziehungen zwischen Mann und Weib“, ist das Grundthema des
kein Drama. Aber das hat seinen Grund in der Meiung
Skeptikers Schni
Schnitzlers von der Welt und den Menschen, unter denen ihm
s„vielleicht" kann ebensogut ein
„vielleicht au und es beherrscht nicht nur die Zu¬
seine Wiener Zeitgenossen am nächsten stehen. Und das ist die
kunft, sondern auch die Vergangenheit. Man kann nichts wissen,
entscheidende Frage: will Schnitzler hier ein zeitlich und örtlich
und man soll nichts vorhersagen, nicht für die nächste Minute
begrenztes Spiegelbild geben, ist also diese Auffassung des Lebens
kann man einstehen. Der Menschen Tun und Lassen entscheiden
als ein frivoles Gesellschaftsspiel lediglich Sachgestaltung? Oder
nicht Grundsätze, sondern die Zufälligkeiten des Alltages; ein
steht der Dichter selbst im Reigen seiner Geschöpfe, als ein un¬
Wort, ein Blick, eine Situation, eine Wallung des Bluts sind
bekümmerter Tänzer im Chaos dieser Welt? Dann wäre er,
trotz all der erstaunlichen künstlerischen Kultur, die auch in
mächtiger als der sogenannte Charakter. Zwischen Mann und
Weib gibt es keine Logik, sondern nur Willkür, Laune, Trieb.
diesem Stück wieder wirksam ist, für uns ein toter Mann. Aber
es ist wohl zu früh, diese Frage zu entscheiden.
Im dritten Akte läßt der Dichter den Kern und Gehalt des Stückes
zu Protokoll geben: „Sollte es Ihnen nicht aufgefallen sein, was
Der Aufführung fehlte eins: der wienerische Glanz, die
für komplizierte Subjekte wir Menschen im Grunde sind? So
tänzerische Grazie, die auch über Schwermut und Verzweiflung
vieles hat zugleich Raum in uns —! Liebe und Trug ... Treue
noch einen Hauch von Komödie breitet. Das war alles so nord¬
und Treulosigkeit ... Aubetung für die eine und Verlangen nach
deutsch, schwerfällig, so unschnitzlerisch; es konnte auch ein un¬
einer anderen oder nach mehreren. Wir versuchen wohl Ord¬
wahrscheinlich schlechter Ibsen oder ein überlebensgroßer Suder¬
nung in uns zu schaffen, so gut es geht, aber diese Ordnung
mann sein. Einzig die Herren Bartsch (Natter) und Hübner
ist doch nur etwas Künstliches . .. Das Natürliche ... ist das
(Mauer) und Frau Csillag (Anna Aigner) gaben etwas von
Chaos. Ja — die Seele .. ist ein weites Land.
dem, was allein dies Stück in die Grenzen der Möglichkeit
Schnitzler führt diese seine neue (oder doch früher nie so ins
rücken kann. Herr Rüthling hatte den Hofreiter sehr fleißig
grelle Licht gerückte) Anschauung konsequent durch. Der Fabri¬
und mit Verständnis ausgearbeitet, aber sein Naturell gibt nicht
kant Friedrich Hofreiter läßt sich treiben von Moment zu Mo¬
her, was hier nottut; am nächsten kam er der Gestalt, abgesehen
ment und folgt blindlings und rücksichtslos der Eingebung des
von der verfehlten Schlußgeste, in den beiden letzten Akten. Gut,
Augenblicks; Ordnung zu schaffen hat ja gar keinen Zweck. I
wenn auch ebenfalls etwas zu schwer, waren die Genia des Fräu¬
mehr graue Haare sich in seinen Scheitel stehlen, desto krampf¬
lein Rosmer und der Otto des Herrn Walleck, die ja als
hafter hält er die Don Juan=Rolle fest, aus Eitelkeit, Gewohnheit
Außenseiter in dem Treiben stehen. Fräulein Preußer wird
und Sehnsucht nach der Jugend, die zugleich Angst vor dem Alter
die sehr schwierige Rolle der Erna noch studieren müssen; die
ist. Sein Egoismus läßt ihn sogar die Liebe und Treue seiner
Anlage war richtig, aber der Ton stimesse noch nicht. Herrn
Frau als anspruchsvoll empfinden, ihre Tugend geniert und be¬
Striebecks Aigner war unzwlängsich." Die Pausen waren
lästigt ihn, setzt ihn ins Unrecht, und als sich einer seiner Freunde,
zahlreich und überlang; es war gegen ½12 Uhr, als der Vorhang
zum letzten Male fiel.
dessen Werben sie abgewiesen hat, ihretwegen umbringt, wird sie
ihm geradezu unheimlich. Seinem amoralischen und ganz in
Diesseits aufgehenden Empfinden erscheint Weibestugend als
etwas Unwesentliches gegenüber einer so irreparablen Sache wie
der Tod. Und in plötzlicher Wallung schreit er ihr seine Stim¬
mung ins Gesicht, mit Worten, die, kaum ausgesprochen, schon
nicht mehr wahr sind, die aber fortwirkend die letzten Trümmer
880
seiner Ehe umstürzen. Frau Genia läßt sich gleiten wie alle die
anderen, im ersten Aufruhr schenkt sie sich dem ersten guten
Jungen, der ihrer begehrt. Aber als Friedrich, der in den Dolo¬
0Mn. 1973 Generalanzeiger für Düsseldos!
miten derweil ein neues Abenteuer zum gewohnten Ende geführt
hat, heimkehrt und die Wendung der Dinge entdeckt, fühlt er sich
Dassciloni
zwar im ersten Moment wundervoll erleichtert, aber dann lassen
ihn alle Genüßlingsphilosopheme im Stich, und er zwingt, da
er in den Augen der Leute wissenden Spott flimmern sieht, den
—
Hüptdarsteller.
Nebenbuhler brüsk vor die Pistole. Gewiß zunächst nur, um
Das Stadttheatelführte
einer Formalität zu genügen, aber als es soweit ist, schießt er
nitzlers Tragi¬
mödie „Das weite La
ihn dennoch über den Haufen. Der Alternde hat die frische
tzung auf. Aber selbst der sauber herausgearbeitete
Jugend des Andern plötzlich als freche Provokation empfunden.
sonversationsstil vermochte dem in Einzelheiten geist¬
1 Das letzte Band zwischen den Eheleuten ist zerrissen; er geht, sein!
ichen, im ganzen recht schwachen Stück zu einem kräf¬
Eigen Erfolg nicht zu verhelfen. Den unmotivierten Bruch im
Charakter des Genia überbrückte Fräulein Rosmer um
so weniger, als sie ihn im ersten Akt stark vertiefte.
Herrn Rüthlieg gelang es, ein einheitliches Bild des
Fabrikanten Hofreiter zu geben, indem er ihn von An¬
fang an als leichtlebigen Stimmungsmenschen anlegte;
auf diese Weise wird auch das Duell aus einer Augen
blickslaune heraus begreiflich. In Episoden taten sich
die Damen Csillag (Schauspielerin) und Preußer (Erna)
hervor, sowie die Herren Walleck (Fähnrich), Striebeck
(Direktor), Hübner (Arzt) und Olsen (Serknitz). Das
Publikum amüsierte sich über die Bonmots des ersten
Aktes, schwieg nach dem zweiten und applaudierte zum
Schluß, jedoch nicht allzu begeistert. Schade um die
amüsante Novelle, die hier dramatisiert und zerstriche
wurde.
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n, London,
iris, Rom, öan Francisco, Stockholm, #r. Peterser
(Enellenangebe eime Gewäse).
S
enh
(schult aue: Aheigisch uouasunt. Zeitung, ESSe
J-
(Leben irgendwo zu Ende abschnurren zu lassen. Auch die letzte
[Liebste, die ihn begleiten will, scheucht er von sich: „Aus, Erna,
Sun-
Teili ist.
auch zwischen uns. Du bist zwanzig, du gehörst nicht zu mir.
Diese ausführliche Nachzeichnung der Hauptlinie erschien
PRE
nötig, da sie in der gestrigen Aufführung nicht restlos klar wurde.
□ Essen, 9. Jan. Stadttheater: „Das weite Land.“ Das
Mancherlei Varianten des Themas laufen nebenher. Wenn
Hin und Her der Geschlechter, oder wie der auch hier wieder auf¬
man das Drama als eine geschlossene, mit Notwendig¬
keit sich erfüllende Handlung auffaßt
lauchende räsonnierende Schriftsteller Albertus Rhon im Zwischen¬
und wir wollen daran
spiel es einmal formuliert, „die tiefe Unsicherheit aller irdischen
vorläufig noch festhalten — so ist diese Tragikomödie sicherlich
Beziehungen zwischen Mann und Weib“, ist das Grundthema des
kein Drama. Aber das hat seinen Grund in der Meiung
Skeptikers Schni
Schnitzlers von der Welt und den Menschen, unter denen ihm
s„vielleicht" kann ebensogut ein
„vielleicht au und es beherrscht nicht nur die Zu¬
seine Wiener Zeitgenossen am nächsten stehen. Und das ist die
kunft, sondern auch die Vergangenheit. Man kann nichts wissen,
entscheidende Frage: will Schnitzler hier ein zeitlich und örtlich
und man soll nichts vorhersagen, nicht für die nächste Minute
begrenztes Spiegelbild geben, ist also diese Auffassung des Lebens
kann man einstehen. Der Menschen Tun und Lassen entscheiden
als ein frivoles Gesellschaftsspiel lediglich Sachgestaltung? Oder
nicht Grundsätze, sondern die Zufälligkeiten des Alltages; ein
steht der Dichter selbst im Reigen seiner Geschöpfe, als ein un¬
Wort, ein Blick, eine Situation, eine Wallung des Bluts sind
bekümmerter Tänzer im Chaos dieser Welt? Dann wäre er,
trotz all der erstaunlichen künstlerischen Kultur, die auch in
mächtiger als der sogenannte Charakter. Zwischen Mann und
Weib gibt es keine Logik, sondern nur Willkür, Laune, Trieb.
diesem Stück wieder wirksam ist, für uns ein toter Mann. Aber
es ist wohl zu früh, diese Frage zu entscheiden.
Im dritten Akte läßt der Dichter den Kern und Gehalt des Stückes
zu Protokoll geben: „Sollte es Ihnen nicht aufgefallen sein, was
Der Aufführung fehlte eins: der wienerische Glanz, die
für komplizierte Subjekte wir Menschen im Grunde sind? So
tänzerische Grazie, die auch über Schwermut und Verzweiflung
vieles hat zugleich Raum in uns —! Liebe und Trug ... Treue
noch einen Hauch von Komödie breitet. Das war alles so nord¬
und Treulosigkeit ... Aubetung für die eine und Verlangen nach
deutsch, schwerfällig, so unschnitzlerisch; es konnte auch ein un¬
einer anderen oder nach mehreren. Wir versuchen wohl Ord¬
wahrscheinlich schlechter Ibsen oder ein überlebensgroßer Suder¬
nung in uns zu schaffen, so gut es geht, aber diese Ordnung
mann sein. Einzig die Herren Bartsch (Natter) und Hübner
ist doch nur etwas Künstliches . .. Das Natürliche ... ist das
(Mauer) und Frau Csillag (Anna Aigner) gaben etwas von
Chaos. Ja — die Seele .. ist ein weites Land.
dem, was allein dies Stück in die Grenzen der Möglichkeit
Schnitzler führt diese seine neue (oder doch früher nie so ins
rücken kann. Herr Rüthling hatte den Hofreiter sehr fleißig
grelle Licht gerückte) Anschauung konsequent durch. Der Fabri¬
und mit Verständnis ausgearbeitet, aber sein Naturell gibt nicht
kant Friedrich Hofreiter läßt sich treiben von Moment zu Mo¬
her, was hier nottut; am nächsten kam er der Gestalt, abgesehen
ment und folgt blindlings und rücksichtslos der Eingebung des
von der verfehlten Schlußgeste, in den beiden letzten Akten. Gut,
Augenblicks; Ordnung zu schaffen hat ja gar keinen Zweck. I
wenn auch ebenfalls etwas zu schwer, waren die Genia des Fräu¬
mehr graue Haare sich in seinen Scheitel stehlen, desto krampf¬
lein Rosmer und der Otto des Herrn Walleck, die ja als
hafter hält er die Don Juan=Rolle fest, aus Eitelkeit, Gewohnheit
Außenseiter in dem Treiben stehen. Fräulein Preußer wird
und Sehnsucht nach der Jugend, die zugleich Angst vor dem Alter
die sehr schwierige Rolle der Erna noch studieren müssen; die
ist. Sein Egoismus läßt ihn sogar die Liebe und Treue seiner
Anlage war richtig, aber der Ton stimesse noch nicht. Herrn
Frau als anspruchsvoll empfinden, ihre Tugend geniert und be¬
Striebecks Aigner war unzwlängsich." Die Pausen waren
lästigt ihn, setzt ihn ins Unrecht, und als sich einer seiner Freunde,
zahlreich und überlang; es war gegen ½12 Uhr, als der Vorhang
zum letzten Male fiel.
dessen Werben sie abgewiesen hat, ihretwegen umbringt, wird sie
ihm geradezu unheimlich. Seinem amoralischen und ganz in
Diesseits aufgehenden Empfinden erscheint Weibestugend als
etwas Unwesentliches gegenüber einer so irreparablen Sache wie
der Tod. Und in plötzlicher Wallung schreit er ihr seine Stim¬
mung ins Gesicht, mit Worten, die, kaum ausgesprochen, schon
nicht mehr wahr sind, die aber fortwirkend die letzten Trümmer
880
seiner Ehe umstürzen. Frau Genia läßt sich gleiten wie alle die
anderen, im ersten Aufruhr schenkt sie sich dem ersten guten
Jungen, der ihrer begehrt. Aber als Friedrich, der in den Dolo¬
0Mn. 1973 Generalanzeiger für Düsseldos!
miten derweil ein neues Abenteuer zum gewohnten Ende geführt
hat, heimkehrt und die Wendung der Dinge entdeckt, fühlt er sich
Dassciloni
zwar im ersten Moment wundervoll erleichtert, aber dann lassen
ihn alle Genüßlingsphilosopheme im Stich, und er zwingt, da
er in den Augen der Leute wissenden Spott flimmern sieht, den
—
Hüptdarsteller.
Nebenbuhler brüsk vor die Pistole. Gewiß zunächst nur, um
Das Stadttheatelführte
einer Formalität zu genügen, aber als es soweit ist, schießt er
nitzlers Tragi¬
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Jugend des Andern plötzlich als freche Provokation empfunden.
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ichen, im ganzen recht schwachen Stück zu einem kräf¬
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so weniger, als sie ihn im ersten Akt stark vertiefte.
Herrn Rüthlieg gelang es, ein einheitliches Bild des
Fabrikanten Hofreiter zu geben, indem er ihn von An¬
fang an als leichtlebigen Stimmungsmenschen anlegte;
auf diese Weise wird auch das Duell aus einer Augen
blickslaune heraus begreiflich. In Episoden taten sich
die Damen Csillag (Schauspielerin) und Preußer (Erna)
hervor, sowie die Herren Walleck (Fähnrich), Striebeck
(Direktor), Hübner (Arzt) und Olsen (Serknitz). Das
Publikum amüsierte sich über die Bonmots des ersten
Aktes, schwieg nach dem zweiten und applaudierte zum
Schluß, jedoch nicht allzu begeistert. Schade um die
amüsante Novelle, die hier dramatisiert und zerstriche
wurde.
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