or
24 Das veite Land
AUR9
Grazer Tagblatt, Gran
Abendblatt
1
Theater und Kunst.
(Schauspielhaus.) Neueinstudierung von
[Artur Schnitzlers Tragikomödie
„Das weite Land am 6. August 1917.
Abgesehen von einigen, allerdings gänzlich mi߬
glückten Nebenfiguren, über welche der Mantel
christlicher Nächstenliebe gebreitet werden mag, darf
man die gestrige Aufführung des Werkes im
Gegensatz zu der verfehlten Wiedergabe vor zwei
Jahren als wohlgelungen bezeichnen. Julius Gre¬
venberg hat sich redliche und, so weit als mög¬
lich, auch erfolgreiche Mühe mit dem Stück gegeben;
dasselbe gilt von den Darstellern, aber über einen
Achtungserfolg brachte es ihr Zusammenwirken
doch nicht hinaus, und das ist auch nicht gut möglich
bei einem Drama, dem trotz aller seiner Vorzüge
im einzelnen das Dramatische so vollständig man¬
gelt. Von den neueingestellten Kräften verdienen
vor allem die beiden Darsteller des Paares Hof¬
reiter volles Lob. Hans Olden, der abermals unge¬
teilten Beifall fand und der uns als Mitglied
jedenfalls herzlich willkommen sein soll, ist ein vor¬
trefflicher Darsteller. Er hatte manchen ganz aus¬
gezeichneten Augenblick, und wenn es ihm gelänge,
die Erotik, vor allem den Zwiespalt in dem an
übermächtiger Sinnlichkeit Schiffbruch leidenden
Charakter noch etwas tiefer zu fassen, so wäre er
ein Friedrich Hofreiter allerersten Ranges. Schau¬
spielerisch glänzend wirkte Alice Gerald, und der
einzige Einwurf, den man ihr machen könnte, wäre
der, daß sie keine Wienerin ist, was allerdings für
die Gestalt der Genia eine schwer entbehrliche Vor¬
bedingung bedeutet. Daß es ihr trotzdem gelang,
die Figur schauspielerisch einwandfrei und zugleich
psychologisch glaubwürdig herauszuarbeiten, sei ihr
zur besonderen Ehre angerechnet. Von den übrigen
neuen Mitwirkenden seien Lori Lauter=Wei¬
ser mit ihrer feinsinnig gefaßten Erna, Ernst
Arnold mit dem urechten Paul Kreindl und
Franz Otto für seine schlicht-wahrhafte Fassung des
Doktor Mauer mit besonderer Anerkennung her¬
vorgehoben. Das gänzlich ausverkaufte Haus spen¬“
dete den Hauptdarstellern herzlichsten Beifall.
E. R. v. Dombrowsks.
box 29/3
7-406 1917
Grazer Volksbin.
andetarAmmrmAnK NIRAWAE
—
Theater, Kunst und Literatur.
Schauspielhaus.
Schnitzlers-Wiener Stück „Das weite Land“ hat uns schon
voriges Jahr beglückt. Wir hatten schon damals dem Wider¬
willen Ausdruck gegeben, mit dem uns diese blasierte Nichts¬
tuer=Gesellschaft gerade jetzt in der Kriegszeit erfüntEin
Gegenstück zu der fressenden, saufenden und tanzenden Kriegs¬
verdiener=Gesellschaft aus Molnars Budapester Stück
„Fasching". Dr. Aigner sagt im dritten Akt: Das Chaos sei
—
—
Pner
Gnrerieriestt
das Natürliche. Darin kennzeichnet sich wieder die germanischer,
christlicher Weltanschauung direkt entgegengesetzte semnsche
Geistesrichtung der Moderne, Schnitzlers. Das Germanentum
baut aus, anerkennt eine sittliche, soziale Ordnung, das Juden¬
tum fühlt sich wohl, bereichert sich im Chaos. Dieses Chaos:
herbeizuführen, in Literatur, Kunst, Gesellschaft, Politik, im
gesamten Völkerleben ist bewußt oder unbewußt die Tendenz
des Indentums. Darum lehnen wir solche Produkte ab, so
raffiniert und kultiviert sie auch erscheinen mögen. Als Hof¬
reiter, der Fabrikant, für den Flirt und Liebe der Hauptberuf,
alles andere Nebensache, dem es vor seiner Frau graut, weil
sie zu viel Tugend hat, die ihm erst menschlich nahe tritt, als
sie ein Verhältnis mit eine jungen Schiffsfähnrich einging,
der ein junges Mädchen ihrem Bräutigam abwendig machte
u. s. w., spielte das zweitemal Herr Olden. In lässiger Hal¬
tung, mit Wienerischem Akzent, ähnlich seinem Gardeoffizier.
An der Burg spielte Korff den Hofreiter, den sich Olden wohl
zum Vorbild nahm. Er hatte starken Beifall. Auch das aus¬
gezeichnete Spiel aller anderen.
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Grazer Tagblatt, Gran
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Theater und Kunst.
(Schauspielhaus.) Neueinstudierung von
[Artur Schnitzlers Tragikomödie
„Das weite Land am 6. August 1917.
Abgesehen von einigen, allerdings gänzlich mi߬
glückten Nebenfiguren, über welche der Mantel
christlicher Nächstenliebe gebreitet werden mag, darf
man die gestrige Aufführung des Werkes im
Gegensatz zu der verfehlten Wiedergabe vor zwei
Jahren als wohlgelungen bezeichnen. Julius Gre¬
venberg hat sich redliche und, so weit als mög¬
lich, auch erfolgreiche Mühe mit dem Stück gegeben;
dasselbe gilt von den Darstellern, aber über einen
Achtungserfolg brachte es ihr Zusammenwirken
doch nicht hinaus, und das ist auch nicht gut möglich
bei einem Drama, dem trotz aller seiner Vorzüge
im einzelnen das Dramatische so vollständig man¬
gelt. Von den neueingestellten Kräften verdienen
vor allem die beiden Darsteller des Paares Hof¬
reiter volles Lob. Hans Olden, der abermals unge¬
teilten Beifall fand und der uns als Mitglied
jedenfalls herzlich willkommen sein soll, ist ein vor¬
trefflicher Darsteller. Er hatte manchen ganz aus¬
gezeichneten Augenblick, und wenn es ihm gelänge,
die Erotik, vor allem den Zwiespalt in dem an
übermächtiger Sinnlichkeit Schiffbruch leidenden
Charakter noch etwas tiefer zu fassen, so wäre er
ein Friedrich Hofreiter allerersten Ranges. Schau¬
spielerisch glänzend wirkte Alice Gerald, und der
einzige Einwurf, den man ihr machen könnte, wäre
der, daß sie keine Wienerin ist, was allerdings für
die Gestalt der Genia eine schwer entbehrliche Vor¬
bedingung bedeutet. Daß es ihr trotzdem gelang,
die Figur schauspielerisch einwandfrei und zugleich
psychologisch glaubwürdig herauszuarbeiten, sei ihr
zur besonderen Ehre angerechnet. Von den übrigen
neuen Mitwirkenden seien Lori Lauter=Wei¬
ser mit ihrer feinsinnig gefaßten Erna, Ernst
Arnold mit dem urechten Paul Kreindl und
Franz Otto für seine schlicht-wahrhafte Fassung des
Doktor Mauer mit besonderer Anerkennung her¬
vorgehoben. Das gänzlich ausverkaufte Haus spen¬“
dete den Hauptdarstellern herzlichsten Beifall.
E. R. v. Dombrowsks.
box 29/3
7-406 1917
Grazer Volksbin.
andetarAmmrmAnK NIRAWAE
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Theater, Kunst und Literatur.
Schauspielhaus.
Schnitzlers-Wiener Stück „Das weite Land“ hat uns schon
voriges Jahr beglückt. Wir hatten schon damals dem Wider¬
willen Ausdruck gegeben, mit dem uns diese blasierte Nichts¬
tuer=Gesellschaft gerade jetzt in der Kriegszeit erfüntEin
Gegenstück zu der fressenden, saufenden und tanzenden Kriegs¬
verdiener=Gesellschaft aus Molnars Budapester Stück
„Fasching". Dr. Aigner sagt im dritten Akt: Das Chaos sei
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Pner
Gnrerieriestt
das Natürliche. Darin kennzeichnet sich wieder die germanischer,
christlicher Weltanschauung direkt entgegengesetzte semnsche
Geistesrichtung der Moderne, Schnitzlers. Das Germanentum
baut aus, anerkennt eine sittliche, soziale Ordnung, das Juden¬
tum fühlt sich wohl, bereichert sich im Chaos. Dieses Chaos:
herbeizuführen, in Literatur, Kunst, Gesellschaft, Politik, im
gesamten Völkerleben ist bewußt oder unbewußt die Tendenz
des Indentums. Darum lehnen wir solche Produkte ab, so
raffiniert und kultiviert sie auch erscheinen mögen. Als Hof¬
reiter, der Fabrikant, für den Flirt und Liebe der Hauptberuf,
alles andere Nebensache, dem es vor seiner Frau graut, weil
sie zu viel Tugend hat, die ihm erst menschlich nahe tritt, als
sie ein Verhältnis mit eine jungen Schiffsfähnrich einging,
der ein junges Mädchen ihrem Bräutigam abwendig machte
u. s. w., spielte das zweitemal Herr Olden. In lässiger Hal¬
tung, mit Wienerischem Akzent, ähnlich seinem Gardeoffizier.
An der Burg spielte Korff den Hofreiter, den sich Olden wohl
zum Vorbild nahm. Er hatte starken Beifall. Auch das aus¬
gezeichnete Spiel aller anderen.
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