II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 638


24. Das ite Land
box 29/3
Reichenberger deutsche Volkszeitung
Reichenbere. Bolanen
15 C. 1919
Reichenberger Stadttheater.
14. Juni.

„Das weite Land“
14% eine Tragikomödie in 5 Aufzügen von
A. Schnitzler.

Arnold Korif setzte gestern seine Gastspiel¬
reihe in Schnitzlers „Weitem Land“ fort. In
der dem geistreichen Wiener satirischen Caujeur
eigenen leichtflüssigen Form wird ein Problem
behandelt, das — man könnte fast sagen leider —
im Mittelpunkte des Gesellschaftslebens unserer
Tage steht, das Problem des „Ehebruchs und sei¬
ner unangenehmen Folgen. Schnitzler versicht
eigentlich das Prinziv, daß dem Manne stets
erlaubt und verstattet ist, was die Frau nicht
ungestraft iun darf. Der Jabrikant Hofreiter,
von Korff meisterlick dargestellt, hat eine rei¬
zende Frau (Genia — Frl. Sorel), die einen
Liebhader abweist — aus purem Treigefühl —
und der wie aus einem Briefe dieses mysteriö¬
sen Koriakofi erhellt) sich eine Kugel vor den
Ballon schietzt. Da wirft der Ehemann der Frau
vor, sie trage Schuld am Tode des Mannes,
den sie trot allem liebte! Es bleibt — wieder
echt Schntzler — übrigens unklar, ob der Russe
nicht das Opfer eines amerikanischen Duells mit
Hofreiter geworden ist. Vor Jahren war übrigens
auch ein Freund des Hofreiter neben ihm in
den Tolomiten abgestürzt und tot geblieben. Ob
das ein reiner „Zufall“ war, bleibt Geheimnis
des Tichters. „Kurz, die Freunde Hofreiters haben
kein Glück. Während der Lebemann=Gatte ein
Verhältnis ums andere unterhält, bald die junge
Frau seines Bankiers poussiert, bald ein junges
Mädel verführt und seinem. Freunde Dr. Maner
(Herr Gebhardt) damit sein Lebensglück zer¬
stört, kommt es zwischen der Gattin Genia und
einem jungen Seefähnrich zu einem intimen
Verhältnis und

Hofreiter rächt seine Ehre
und schießt den jungen Mann über den Haufen,
um ggleich darauf lachend dessen Mutter die
Hand zu schütteln! Das „weite Land“ soll
wie es einmal heißt — die „Seele“ sein, man
könnte auch ebenso gut an das „Jenseits“ den¬
ken! Mastisch, verschleiert, verwickelt, verzwickt
ist das ganze „weite Land“, aber der leichte
Plauderton, der geistreiche Dialog, die raffinierte
Art, Spannung zu erzeugen und zu erhalten,
das gibt ihm Wert und Inhalt! — Die Auf¬
führung war eine mustergiltige. Besonders be¬
währten isch neben dem Gaste ganz außerordent¬
lich Frl. Sorel als Genia, Frl. Swobodas
als Erna, Frau Rucker als Frau Meinhold¬
Aigner, und Herr Gebhardt als Dr. Mauer.
In kleineren Rollen sind zu loben Herr Duffek,
Frl. Schwart (Dr. v. Aigner, Frau Wahl),
Herr Brandt (Bankier Natter), der übrigens
als Spielleiter vorzüglich gearbeitet hatte, Frl.;
Mohr als dessen Gattin, Herr Heim als Hu¬
sarenoberleutnant, Herr Fuchs, Herr Martien,
Herr Karner in ihren Episoden. Unzulänglich
war Herr Weyland als Marinefähnrich. Um
so etwas betrügt eine Rassefrau, die auf sich
hält, eine Frau wie diese Genia, ihren Mann
nicht! Eine Frage sei gestattet: „Ist es jetzt
unter Herrn von Millentowic am Hofburgtheater
üblich, daß ein um Sekunden verspäteter Auftritts
vom Partner beim Abgang des „Verspäteten“
mit der Bemerlung dem Publikum zum Bewußt¬
sein gebracht wird —: „das nächste Mal kommen's
früher!?“ Es hätte doch wohl das entrüstete
Hinwerfen des Stuhles genügt, und schließlich
hätte lein Mensch im ganzen Hause die „Kunst¬
pause“ gemerkt; am allerwenigsten bei einem
Herrn Korff. Das vollbesetzte Haus spendete über¬
reichen Beifall ergötzlich war oftmals das Ge¬
lächter an Stellen, die einem denkenden Menschen
das Lachen doch eigentlich vergehen lassen müssen.
Aber mit dem „Denken“ ist es halt so eine Sache:
„Manchem tut's weh und mancher lernt's nie!“
Max J. Siegel.