II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 728

24. Das veite Land
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Wien, Sonntag
DER T
hat kein leichtes Handgelenk, doch das Gewicht Büh
Bühne und Kunst
der Persönlichkeit. Sie war in ihrer edlen Haus= Diff
frauenmojestät wie eine traurige Königin im chei
Das weite Land.
Exil. Und auch aus tiefsten Tiefen emporgequäl¬
spiel
tes Leid — besonders ergreifend bei dem Vorlesen!
Jose
Tragikomödie von Artur Schnitzler. Zum ersten des Brieses im ersten Akt und bei den Schlu߬
Male im Volkstheater.
tätig
szenen — bringt nichts Trübes und Dunkles mit,
* Das weite Land ist die Seele. Sie ist ein so
sondern hat edlen, goldenen Klang.
kürz
weites Land, daß ihre Zentralregierung die Kon¬
In der herzenswarmen Biederkeit des Herrn Ther¬
troll= und Herrschaft über die fernen Provinzen
Lessen, in der skurril=geistreichen Bohemie desslan
perliert. Diese schließen Bündnisse und lassen sich
Herrn Ziegler, in der unheimlichen, masochi= für!
in kriegerische Abenteuer ein, die den Absichten
stischen Selbstironie des Herrn Lackner wurden Jose
und Interessen des Zentrums widerlaufen, was
die interessantesten Gestalten des Dichters restlos stank
zu schweren innerpolitischen Konflikten führt. lebendig. Frau Else Schilling machte in einer gen
Es ist das Schnitzlersche Erlebnis, das funda= kurzen Rolle ein langes und schweres Schicksal 75.
mentale Problem all seiner Dichtungen. Sie
fühlbar. Sie kann mit Perspektive spielen. Cäcilie statt
scheiden sich in verschiedene Gattungen je nach der
Lvovsky: frühlingsherb und — nicht aus Kört
Verfassung des „weiten Landes“. Wenn dieses bloß
Moral ehrlich, sondern von Natur echt — klar wie
ange
ein locker gefügtes System von vereinigten Staaten
geschliffener Kristall. Sehr gut auch Herr Benno
dem
ist, wo kein verantwortliches Zentrum schwere
Smytt — mit seinem bebenden Feuer und seiner
sofor
Konsequenzen für die Grenzzwischenfälle zu tragen
schüchternen Entschlossenheit — als der junge Lieb¬
kat, bann sind besagte Provinzabenteuer eher
haber der Frau.
teilt
amüsant und ergeben ein Lustspiel. Hat aber jene
Überhaupt scheint Schnitzler in der jüngeren
nah#
weite, äußere Seele trotz allem eine innere Seele,
Generation unproblematischere, klarere, stärkere hand
einen Kern, dann ergibt sich die Tragödie, daß
Menschen gesehen zu haben. Mit Recht. Zumindestvorge
einem die kleinen Freuden großes Leid bereiten,
hat diese Generation eines voraus: sie ist in ihrer gelin
daß die Dinge, die man so tut, zwei Bedeutungen
Frivolität viel sachlicher und weniger empfindsam. hat
haben. Eine Bedeutung an sich von angenehmer
Die unwichtigen Nebenerlebnisse konnten für Fin
Nichtigkeit und eine tödlich ernste Bedeutung für
Schnitzlers Helden nur darum tragisch=gefährlich einer
die Seele unserer Seale. Ein bitteres Unrecht ge¬
werden, weil sie ihnen nicht genügend un¬ finan
schieht durch dieses Lebensgesetz den Menschen=swichtig waren. Die neue Generation aber hat zu s#
kindern. Die Steuerseele hält treu den Kurs. Doch
andere Sorgen, zuweilen in Form von ernsten
hundert kleine Segelseelchen sind freien Winden
Aufgaben und Lebenszielen Ihre Seele ist fester
ausgeliefert und wersen das Schiff zuweilen doch
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verankert. Die kleinen Liebeleien werden nicht aus
aus der Bahn in hafenlose, dunkle Gewässer. Die
der Mode gekommen sein, aber sie bleiben die
Menschen verlassen und verraten einander, ohne
Bagatellen, die sie zu sei. haben.
eigentlich untreu geworden zu sein.
Béla Balázs.
Der Fabrikant Hofreiter liebt seine Frau. Und
licht:
trotzdem. Sie leidet und wartet und ein sympathi¬
„Clo=Clo“ am Johann Strau߬
b
Th.-4.„
scher junger Anbeter hat sich ihrer Tugend wegen

erschossen Doch gerade diese unerschütterliche Tu¬
gend ist dem Manne unheimlich. Sie bedrückt ihr. eine ##
Er ist vor allem stolz und weil er es nicht er=[Leha
tragen kann, der schlechtere zu sein, flieht er vor nicht
seiner Frau in neue Abenteuer. Inzwischen er= über 1
scheint ein neuer Anbeter und die Verlassene und schen !
Gekränkte nimmt seine Liebe auf sich, weil sie retten
seinen Tod nicht auf sich nehmen will. Der Gatte mit se
scheint wie von einem Alpdruck befreit, Eifersucht neuen
läßt alte Liebe entflammen und auf dunklen, unter=wirksar
seelischen Wegen zu seiner Frau zurückgefune späre,
den erschießt er ihren Geliebten, den sie nicht Tenor
liebt, im Duell. Er ist vor allem stolz. Doch die das m¬
Frau, die seit Jahren auf diese Wiederkehr ge= lampe
wartet hat, wendet sich entsetzt und angeekelt nun
mäßig.
endgültig von ihm ab. Denn viel zu viel Strömun¬
stellung
gen hat die Seele und nur wer eine ganz stille oder
französ
gar keine hat, vermag sein Leben sicher zu steuern.
üblich
Es kommt immer anders und man kennt sich nicht
Frä¬
aus.
natürli
Diese schöne Dichtung, voll leicht=flüssiger[Kran
Schwerr und elegant verhaltener Leidenschaft,
Kolbes
hat keine straffe Konstruktion, wie es die Vor¬ Tänzer
schrift für das Drama erforder“. Sie „gleuet“,
werden
wie auch in ihr gesagt wird, mit romanhaftem
wie ihr —
Schweben von Einem ins Andere und man sind, a
kommt