II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 742

1
1
11
WE
24. Das ite Land
box 29/5
tung, München
1926
druck gebracht wie in dem „Weiten Land“ in Hofreiter und seiner
ite Land.
spielerischen Umwelt, aus der zum Schlusse der Weheruf der Tra¬
Arthur Schnitzler.
gödie aufschrillt. Ich habe die Première im Burgtheater gesehen.
Schauspielhaus.)
Harry Walden in der Rolle des Hofreiter, die schöne Olga Wohl¬
gemut als dessen Gattin Genia. Albert Heine gab mit unheimlicher
und nein. Denn „Das weite
Kälte unter der freundlichen Maske den Bankier Natter, der sich
u gleicher Zeit in Wien und in
betrügen läßt, aber den Betrug durch Bloßstellung lohnt — auf
klangt. In Wien am Hofburg¬
gleichem Gebiet. Eine wunderbar feine Aufführung damals in der
iglichen Residenztheater. 1911 und
sorglosen Zeit vor dem Kriege — heute wirken im Schauspiel¬
schen Uraufführung und Erstauf¬
hause die besten Kräfte zweier Theater zusammen, um ähnliche
5 Jahre? Scheint es nicht, als
Wirkung zu erzielen. Mit bestem Erfolg, das muß zu Anfang
Zeit, da „Das weite Land“ der
hervorgehoben werden. Was zu vermeiden ist, soll aber gleich hinzu¬
i konnte, eine Welt der Qualen
gefügt sein: viele der Mitwirkenden sind auf die intime Welt der
ischen wie psychischen Charakters
Kammerspiele eingespielt, die sogar den Flüsterton entschuldigt, ja
remière; denn jetzt erst scheinen
erklärt. Im weiteren Raume des Schauspielhauses muß sich die
weiten Landes herangereift, jetzt
Darstellung stärkerer Mittel an Gesten und Stimme bedienen.
besser zu erkennen, die damals
Hier wird die sonst ausgezeichnete Regie von Forster=Larri¬
eren unheimliche Tiefen inmitten
naga Akkorde greifen müssen, wo sie jetzt nur arpeggiert. Es
itzlers Schmiedekunst des Wortes
braucht schon ein Orchester und keine Harfensoli, um in dem weiten
er Abgründigkeit. Dieser Friedrich
Raume Schlagkraft und Widerhall zu finden. Forster=Larrinaga
erne Don Juan=Figur, er ist die
selbst war in der ungemein dankbaren Rolle des Hofreiter sehr
Kampfes zwischen Alten und
interessant, wenn ihm auch die äußeren Voraussetzungen zu dieser
ist nicht alt und man könnte
Tenorpartie fehlen. Leicht und sicher im Dialog machte er eines
Sechziger umgießen — wäre er
glaubhaft: den Vernichtungswillen seines Hasses gegen die strah¬
ses, den der Alternde gegen alles
lende Jugend. Als Genia Hofreiter war Margarete Anton mit
ter zum Helden der Tragikomödie
etwas zu starker Bewußtheit darauf bedacht, das Ewig=Weibliche
auen seines Lebensspiels zu mei¬
dieser reizvollen Schnitzlerschen Gestalt zugunsten des rein In¬
Mord geschehen, den er an dem
tellektuellen ihrer Aussprüche zu verdrängen. Trotzdem und trotz
m in Liebe ergebenen Frau be¬
der zu raschen und wenig deutlichen Rede fesselte diese leidende
Selbstmord zwang, aus nicht
Heldin — wenn bei Schnitzler überhaupt Helden und Heldinnen“
Duell den Geliebten der Gattin,
existieren — durch ihre zarte Passivität. Das gesellschaftliche Bild
sich zu rächen. Und niemals lenkt
jener sagenhaft fernen Vorkriegszeit in Wien tritt in dem Stücke
Rache an der sieghaften Jugend
prachtvoll in Erscheinung. So ist der in der Halle eines Luxus¬
des Spiels sind andere Motive
hotels im Gebirge spielende dritte Akt Vorbild für die all die
s deren wichtigstes das schon be¬
zahlreichen, ein gleiches Milieu benützenden Komödien wissentlicher
Seele an erster Stelle steht und
und unwissentlicher Nachahmer geworden. Darstellerisch war
eidenschaftliche Ueberzeugung des
dieses Gesellschaftsspiel im Schauspielhause auf respektabler Höhe.
Ihr, Ihr!“ seien dem Manne das
Marie Ferron als Frau Wahl muß in erster Linie gerühmt
Leben. In absoluter Verneinung
werden, denn sie gab die Wienerin mit Lebendigkeit und Echtheit,
es. seiner Weiberverachtung, hat
splanderte ganz entzückend. Fräulein Hambach als Erna gab
besonderen Akzent doch mit dem
zihrer Rolle Charme und jugendliche Glut und Anmut. Ewis
s das Weib immer als Liebende,
Vorkmann spielte die heikle Rolle der Adele mit zierlicher
hrten Verbundene dargestellt, den
Persiflage. Die Jungen“ wurden von Walter Bach, Lenz und
Geschlechte Verfallenen, der wohl
Baum vortrefflich dargestellt; Walter Bach traf den leichten
sich selbst zu beherrschen imstande
zwienerischen Ton am besten. Katsch spielte den Bankier Natter
ramatiker das so stark zum Aus¬
sohne das Gift, das Albert Heine in dieser Rolle zu verspritzen
pflegte, doch in seiner Weise eigenartig und charakteristisch. Den
berühmten Schriftsteller Dr. Rohn in einer Maske zu spielen,
die gleichsam eine Kreuzung zwischen Arthur Schnitzler und Her¬
mann Bahr darstellt, blieb Gerhard mit Erfolg vorbehalten.
Einen „scharfen“ Norddeutschen gab Classen sehr humorvoll,
Seger den „gebildeten“ Portier Rosenstock. Framer spielte
den eleganten Dr. von Aigner mit Stil und Haltung und Heß
ließ in seinem gradlinigen Dr. Mauer irgendwie Töne seines
Wozzeck“ aufklingen. Das Ensemblespiel war sehr fein, nur eines
sei wiederholt: größere Deutlichkeit immer und überall. Nichts
irritiert mehr als übermäßig betonte Bonmots, nichts regt mehr
auf als unter den Tisch gefallene Pointen, zumal, wenn sie, wie
bei Arthur Schnitzler, Quellen und Mündungen der Spielströmung
umschließen. Die Bühnenbilder von Stern waren sehr gut ab¬
gestimmt und in ihrem Wesen wirklich wienerisch, auch die Toi¬
letten fügten sich schön in den szenischen Rahmen. Das Publikum,
sichtlich über die Sordinierung der Stimmen irritiert, war von
Tialog und Handlung bald gefesselt und svendete starken Beifall —
der erst verstehen ließ, wie wenig sich die Menschen in menschlichen,
allzu menschlichen Dingen wandeln — trotz des lateinischen
Sprichworts.
Lola Lorme. 4