II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 780

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24. Das
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Lose Blätter
Schnitzlers „Weites Land“
us mancherlei Erlebnisgründen steigt dem Schaffenden das Schaffen
auf. Der eine erlebt nur sein Leben stark und täglich neu, stärker,
Wtiefer. Das Erleben sammelt sich in ihm, steigt, schwillt, fließt
über. Es ist „Blut“, mit dem dann seine Dichtungen geschrieben sind.
Womit freilich nicht alles gesagt ist. Wir wünschen das „Blut“ auch rot
und stark. Wünschen es von des Gedankens Blässe nicht angekränkelt aber
vielleicht mitgetrieben im Rollen von des Gedankens Macht. Und es
kann kommen, daß ein gut Empfindender sagt: Ich mag das Blut nicht
sehen; wozu überhaupt erzählt er das alles? Immer sein eignes Ich
voran, und es zieht mich nichts zu ihm ..
Andern fließt das Blut nicht in die Werke über. Und sind dennoch
Dichter, etwa Dichter der Dinge. Für ein ganz kleines Kind hat alles
Leben, ist alles im Weltlauf wert, sobald es nur von der eignen Seele
berührt wird. Ein zwölfjähriges „weiß“, daß der Stein nichts ist als
ein totes Etwas. Aber der Dichter berührt ihn dann wieder mit der
Seele, und der Stein lebt wieder auf, lebt, weil in ihn hinein, um ihn
herum gelebt wird vom Dichter her. Ganze Welten leuchten im Kleinen
und Großen auf, aus Steinen, Pflanzen, Regen, Wind, Gestirnwandel.
Wer sie leuchten sehen will, muß freilich Steine, Pflanzen und Gestirn¬
wandel gesehen haben in seinem eignen Wesen. Hebbel, der wohl nur
Pflastersteine so kannte, versprach dem freiwilligen Leser des wunder¬
vollen „Nachsommers“ von Stifter darum „die Krone Polens“. Es
kann aber ganz wohl kommen, daß man der Naturphänomene in Drucker¬
schwärze satt wird. Man will Natur unmittelbar, und von der Dichtung
andere Kräfte, Erregungen, Bilder
Und wiederum gibt es Dichter, welche die Kraft haben, ein paar
Gestalten vor sich hinzuschauen und sie dann leben zu lassen wie ihre
leibhaftige Umwelt. Solche Dichter leben scheinbar? wirklich? nicht in
sich, leben in Gestalten, erleiden, lieben, vernichten mit ihren Gestalten.
„Ich stell mir vor, viele Dichter sind geborene Verbrecher“, sagt Fabrikant
Hofreiter in Schnitzlers „Weitem Land“, ,— nur ohne die nötige Courage —
oder Wüstlinge, die sich aber nicht gern in Unkosten stürzen ...“ Der Schrei
des Herzens und die Flut der Seele klingt in ihrem Werk nun freilich
entfernter. Und sie ermüden leicht.
Noch viele Visionen vom Schaffen drängen sich auf, wenn man ein¬
mal das Wunder in Muße betrachtet. Wie schuf Lessing? Wie Ibsen?
Nun, das Leben also will sich sehen, will sich selbst gegenüberstehen, sich freier
und gereinigt neu erschaffen. Einer preßt es aus sich heraus, einer sucht
es in Wald und Feld, einer in Gestalten. Heute sind viele, die es gleich¬
sam unmittelbar sehen wollen, nicht gepreßt und gesucht; ohne leiden¬
schaftliche Anstrengung und Blutgeruch. Einfach, sie treten aus sich
heraus und sehen es an. Von der Seite, wie der Tod auf Böcklins
Palette sieht. So sehen sie sich und die andern und wie sie miteinander
verbunden sind und wie die Stunden inneren Seins sich folgen ohne Ur¬
sache und doch im Gesetz. Und gerade dieses Verbundensein, Nichtverbun¬
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Kunstvart XXi, 7