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bas weite Land
box 29//6
Erna: Auf Wiedersehn!
Frau Meinhold: Sie gehn schon? Hoffentlich bin ich es nicht,
die Sie davontreibt?
Erna: Durchaus nicht, gnädige Frau. Ich hatte mich gerade emp¬
fohlen. Adien, Frau Genia. (Ab.)
Genia. Frau Meinhold.
Genia (mit ungeheurer Selbstbeherrschung): Ich freue mich sehr,
Sie wiederzusehn, Frau Meinhold. Es hat mir sehr leid getan, daß
Sie gestern gefehlt haben.
Frau Meinhold: Sie hatten ja größere Gesellschaft, da tu ich
nicht gern mit. Heute bin ich um so früher da, wie Sie sehn, Frau
Genia,
Genia: Es ist gar nicht so früh. (Auf die Standuhr sehend.) Richtig
erst zehn Uhr! Ich dachte, es müßte bald Mittag sein. Friedrich ist
schon längst in die Stadt gefahren. Sie wissen ja, Frau Meinhold, er
ist gestern angekommen.
Frau Meinhold: Natürlich weiß ich das. (Lächelnd.) Otto hat
mir ja abends seine Grüße überbracht.
Genia: So — Ihr Herr Sohn verläßt Sie schon heute ...?
Frau Meinhold: Mein Herr Sohn ist sogar schon fort. Noch
gestern mit dem letzten Zug ist er hineingefahren. Und heute abend
fährt er nach Pola.
Genia: Heute abend schon? Ah!
Frau Meinhold: Sollten Sie das wirklich erst von mir er¬
fahren?
Genia: O, das wißt ich wohl. Ich dachte mir aber, den heutigen
Tag wollte er ganz seiner Mutter widmen.
Frau Meinhold: Er hat heute in der Stadt noch eine Menge
zu tun, so haben wir uns schon gestern abend Adien gesagt ... Es ist
besser so.
Genia: Gewiß ist das besser.
Frau Meinhold: Können Sie sich denken, Frau Genia, wie mir
das heute morgen war, als ich nun wieder so ganz allein in meiner
Laube beim Frühstück saß. Nun ist mein kleines Haus mit einem Mal
so leer ... wie ich's lange nicht gewohnt war. Ich bin nun eine Zeit¬
lang doch recht verwöhnt gewesen — trotz allem. Und der Gedanke,
daß er diesmal auf so lange fort ist und so weit, das macht das Haus
noch leerer und trauriger. Drum bin ich lieber fortgegangen ...
Genia: Ich versteh's.
Frau Meinhold: Nicht mit der Absicht, Sie so früh zu stören,
Frau Genia, das muß ich Ihnen gestehn. Durchaus nicht. Ich wollte
einen Spaziergang machen ... einen einsamen Waldspaziergang. Und
nun bin ich doch da. Weiß Gott, wie das kommt. Es muß mich wohl
irgendwas hergetrieben haben. (Sieht sie lange an.)
Genia (erwidert ihren Blick): Ich danke Ihnen.
Frau Meinhold: Danken Sie mir nicht. Ich hatte nur die
Wahl, Ihnen sehr böse — oder sehr gut zu sein. Und als ich meine
Wohnung verließ, war es noch lange nicht entschieden. Denn in diesen
letzten Tagen, jetzt, da er fort ist, darf ich's Ihnen wohl sagen, Genia —
ist mir manchmal recht bang gewesen ...
Nevanderbest bu.
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Erna: Auf Wiedersehn!
Frau Meinhold: Sie gehn schon? Hoffentlich bin ich es nicht,
die Sie davontreibt?
Erna: Durchaus nicht, gnädige Frau. Ich hatte mich gerade emp¬
fohlen. Adien, Frau Genia. (Ab.)
Genia. Frau Meinhold.
Genia (mit ungeheurer Selbstbeherrschung): Ich freue mich sehr,
Sie wiederzusehn, Frau Meinhold. Es hat mir sehr leid getan, daß
Sie gestern gefehlt haben.
Frau Meinhold: Sie hatten ja größere Gesellschaft, da tu ich
nicht gern mit. Heute bin ich um so früher da, wie Sie sehn, Frau
Genia,
Genia: Es ist gar nicht so früh. (Auf die Standuhr sehend.) Richtig
erst zehn Uhr! Ich dachte, es müßte bald Mittag sein. Friedrich ist
schon längst in die Stadt gefahren. Sie wissen ja, Frau Meinhold, er
ist gestern angekommen.
Frau Meinhold: Natürlich weiß ich das. (Lächelnd.) Otto hat
mir ja abends seine Grüße überbracht.
Genia: So — Ihr Herr Sohn verläßt Sie schon heute ...?
Frau Meinhold: Mein Herr Sohn ist sogar schon fort. Noch
gestern mit dem letzten Zug ist er hineingefahren. Und heute abend
fährt er nach Pola.
Genia: Heute abend schon? Ah!
Frau Meinhold: Sollten Sie das wirklich erst von mir er¬
fahren?
Genia: O, das wißt ich wohl. Ich dachte mir aber, den heutigen
Tag wollte er ganz seiner Mutter widmen.
Frau Meinhold: Er hat heute in der Stadt noch eine Menge
zu tun, so haben wir uns schon gestern abend Adien gesagt ... Es ist
besser so.
Genia: Gewiß ist das besser.
Frau Meinhold: Können Sie sich denken, Frau Genia, wie mir
das heute morgen war, als ich nun wieder so ganz allein in meiner
Laube beim Frühstück saß. Nun ist mein kleines Haus mit einem Mal
so leer ... wie ich's lange nicht gewohnt war. Ich bin nun eine Zeit¬
lang doch recht verwöhnt gewesen — trotz allem. Und der Gedanke,
daß er diesmal auf so lange fort ist und so weit, das macht das Haus
noch leerer und trauriger. Drum bin ich lieber fortgegangen ...
Genia: Ich versteh's.
Frau Meinhold: Nicht mit der Absicht, Sie so früh zu stören,
Frau Genia, das muß ich Ihnen gestehn. Durchaus nicht. Ich wollte
einen Spaziergang machen ... einen einsamen Waldspaziergang. Und
nun bin ich doch da. Weiß Gott, wie das kommt. Es muß mich wohl
irgendwas hergetrieben haben. (Sieht sie lange an.)
Genia (erwidert ihren Blick): Ich danke Ihnen.
Frau Meinhold: Danken Sie mir nicht. Ich hatte nur die
Wahl, Ihnen sehr böse — oder sehr gut zu sein. Und als ich meine
Wohnung verließ, war es noch lange nicht entschieden. Denn in diesen
letzten Tagen, jetzt, da er fort ist, darf ich's Ihnen wohl sagen, Genia —
ist mir manchmal recht bang gewesen ...
Nevanderbest bu.
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