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gebracht; und die Bahn von Atzwang, von der die Rede ist, soll als
Schwebebahn zwar nicht über Völs, aber über Sankt Konstantin zum
Weiher hinauf führen. Einen Aignerturm und eine Hofbrandhütte wird
man zwar am Völser Weiher vergebens suchen und die „Alpenrose“,
die zwischen Kastelruth und Seis eine so herrlich gelegene Jausenstation
bildete, ist leider eingegangen; daß aber der schneidige norddeutsche
Gast, der über das lange Ausbleiben seiner Wäsche klagt, nicht so ganz
unrecht hat, kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen. die elektrische
Beheizung des Weihers zu Badezwecken..
Man rate: wo, in welcher Art von Führer durch Österreichs
Alpen kann dieser Abschnitt vorkommen? Da man es nicht erraten
wird, und ich nicht boshaft genug bin, den Touristen, der schon
den Rucksack schnürt, zappeln zu lassen, so will ich es verraten.
Dieser Abschnitt steht in einer Burgtheaterkritik des Herrn J. Minor
über das Weite Lande in der „Osterreichischen Rundschau“.
Die Germanistik ist ein weites Land; und ich habe die
Wahl zwischen den folgenden Möglichkeiten. Eine alte Lieblings¬
idee von mir ist, Persönen, die sich in überflüssigen Berufen
unnütz gemacht haben, sagen wir Nationalökonomen, Historiker,
Germanisten, in praktischeren Lebensfächern sich betätigen zu lassen.
Wäre ich Regent, ich würde anordnen, daß Rollen umbesetzt,
vertauscht, gestrichen werden, und so gut wie ich die
Journalisten zwänge, Kolporteure zu werden, würde ich es durch¬
zusetzen wissen, daß Professoren sich eine Zeit lang im Schank¬
gewerbe umtun oder sich als Einspänner, Friseure, Bierablader
versuchen. Ob es etwa geraten ist, einen Germanisten zum Souffleur
zu machen, bleibe dahingestellt. Von mir aus könnte zwar
Herr Minor dort, wo im -weiten Land- das Wort -Hopfe fällt,
fasziniert stecken bleiben und so eindringlich -Hopf=Schopf, siehe
Wiedehopfe flüstern, daß der Schauspieler aus dem Text kommt
und die Vorstellung gestört wird. Aber schließlich ist zu
bedenken, daß er dann auch, wenn der Hamlet vom Brodem
eines eklen Betts spricht, ihm mit einem Brodem=Broden, siche
Dampf, Qualm, Nebel, Dunst, Ausdünstung ins Wort fallen
könnte, und da sei Gott vor. Auch dürfte kein Souffleurkasten
der Welt für einen so stattlichen Vollbart, wie er Herrn Minor
ziert, Raum haben. Aber ist er denn nicht auch die schmucke Tracht
der Männer, die vor dem Hotel am Völser Weiher stehen und
sich dem Fremden erbötig machen, ihn zum Aignerturm oder zur
Alpenrose um die Tax’ hinaufzuführen und was der Herr sonst
gern gibt? Herr Minor, von dem ich ohnedies nicht bezweifle,
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daß er im Sommer mit nackerten Knien herumgeht, könnte gewiß
zwischen Atzwang und Seis ein herrlich gelegenes Seminar halten,
von Kastelruth bequem zu erreichen, lohnender Ausblick auf die
Sturm- und Drangperiode und das pittoreske Tal der Romantiker,
während man in zirka 1½ Stunden auf einem den Hang hinaufsteigen¬
den Pfade, der in vielen Zickzackbiegungen und Schleifen an Mulden
und Dolinen vorüberführt, zu einem grünen, felsigen Weideland
gelangt, das sich hinten verflacht und eine prachtvolle Vegetation
darbietet, und ohne größere Anstrengung das idyllische Dörfchen
Schwatz erreicht, von wo ein guter Weg abzweigt, der ein gro߬
artiges Gebirgspanorama eröffnet und an öden Trümmern vorbei
den Ausblick über die ganze Schmockerei gestattet. Jedenfalls bin
ich fest entschlossen, den nächsten Sommer mich an Herrn Minor
anseilen zu lassen. Sicher ist sicher. -Sagen wir roch-, sagt er
zum Schluß seines Burgtheaterreferats durch die Schönheiten
der Alpen, daß Herr Balaithy ein sehr vertrauenerweckender
Bergführer wart. Das ist gewiß kameradschaftlich gedacht;
aber ich tue es nicht anders, ich nehme mir den bewährten
Minor. Was Herrn Balaithy betrifft, so spielt er nur eine kleine
Rolle im -weiten Lande, und man muß schon wie ich das Gehör
für alle Aussprüche haben, die man nicht hört, um wetten zu können,
daß der Baron Berger — auch ein gediegener Alpinist — diese
Besetzung wie folgt gerechtfertigt hat: -Es gehört zur Tradition
des Burgtheaterse — und dabei hob sich sein Brustkorb, den
Kosmos zu umfassen, und sein Auge glänzte wie ein Stern
— des gehört zur Tradition des Burgtheaters, die kleinsten Rollen
mit ersten Schauspielern zu besetzene. Natürlich hat er es gesagt
und Herr Wittmann — den ich auch lieber im Gebirge sähe als im
Parkett — schrieb pünktlich: -Es gehört zur Tradition des
Burgtheaters Das mit der Tradition ist nämlich so. Getzt
zieht mich Berger ins Gespräch, ich lasse Minor warten
und verirre mich.) Das Burgtheater hat also in der Zeit, da es die
großen Rollen mit ersten Kräften besetzen konnte, die
kleinen Rollen mit ersten Kräften besetzt. Jetzt besetzt es
die großen Rollen mit letzten Kräften und läßt die paar fähigen
Episodisten, die es noch hat, statieren. Und es ist gewiß ein
Unterschied, ob Meister wie Hartmann, Mitterwurzer und Lewinsky
Königen und Staatsmönnern, die im Hintergrund über die Szene
gehen, das Gesicht von Königen und Staatsmännern gaben oder
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gebracht; und die Bahn von Atzwang, von der die Rede ist, soll als
Schwebebahn zwar nicht über Völs, aber über Sankt Konstantin zum
Weiher hinauf führen. Einen Aignerturm und eine Hofbrandhütte wird
man zwar am Völser Weiher vergebens suchen und die „Alpenrose“,
die zwischen Kastelruth und Seis eine so herrlich gelegene Jausenstation
bildete, ist leider eingegangen; daß aber der schneidige norddeutsche
Gast, der über das lange Ausbleiben seiner Wäsche klagt, nicht so ganz
unrecht hat, kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen. die elektrische
Beheizung des Weihers zu Badezwecken..
Man rate: wo, in welcher Art von Führer durch Österreichs
Alpen kann dieser Abschnitt vorkommen? Da man es nicht erraten
wird, und ich nicht boshaft genug bin, den Touristen, der schon
den Rucksack schnürt, zappeln zu lassen, so will ich es verraten.
Dieser Abschnitt steht in einer Burgtheaterkritik des Herrn J. Minor
über das Weite Lande in der „Osterreichischen Rundschau“.
Die Germanistik ist ein weites Land; und ich habe die
Wahl zwischen den folgenden Möglichkeiten. Eine alte Lieblings¬
idee von mir ist, Persönen, die sich in überflüssigen Berufen
unnütz gemacht haben, sagen wir Nationalökonomen, Historiker,
Germanisten, in praktischeren Lebensfächern sich betätigen zu lassen.
Wäre ich Regent, ich würde anordnen, daß Rollen umbesetzt,
vertauscht, gestrichen werden, und so gut wie ich die
Journalisten zwänge, Kolporteure zu werden, würde ich es durch¬
zusetzen wissen, daß Professoren sich eine Zeit lang im Schank¬
gewerbe umtun oder sich als Einspänner, Friseure, Bierablader
versuchen. Ob es etwa geraten ist, einen Germanisten zum Souffleur
zu machen, bleibe dahingestellt. Von mir aus könnte zwar
Herr Minor dort, wo im -weiten Land- das Wort -Hopfe fällt,
fasziniert stecken bleiben und so eindringlich -Hopf=Schopf, siehe
Wiedehopfe flüstern, daß der Schauspieler aus dem Text kommt
und die Vorstellung gestört wird. Aber schließlich ist zu
bedenken, daß er dann auch, wenn der Hamlet vom Brodem
eines eklen Betts spricht, ihm mit einem Brodem=Broden, siche
Dampf, Qualm, Nebel, Dunst, Ausdünstung ins Wort fallen
könnte, und da sei Gott vor. Auch dürfte kein Souffleurkasten
der Welt für einen so stattlichen Vollbart, wie er Herrn Minor
ziert, Raum haben. Aber ist er denn nicht auch die schmucke Tracht
der Männer, die vor dem Hotel am Völser Weiher stehen und
sich dem Fremden erbötig machen, ihn zum Aignerturm oder zur
Alpenrose um die Tax’ hinaufzuführen und was der Herr sonst
gern gibt? Herr Minor, von dem ich ohnedies nicht bezweifle,
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daß er im Sommer mit nackerten Knien herumgeht, könnte gewiß
zwischen Atzwang und Seis ein herrlich gelegenes Seminar halten,
von Kastelruth bequem zu erreichen, lohnender Ausblick auf die
Sturm- und Drangperiode und das pittoreske Tal der Romantiker,
während man in zirka 1½ Stunden auf einem den Hang hinaufsteigen¬
den Pfade, der in vielen Zickzackbiegungen und Schleifen an Mulden
und Dolinen vorüberführt, zu einem grünen, felsigen Weideland
gelangt, das sich hinten verflacht und eine prachtvolle Vegetation
darbietet, und ohne größere Anstrengung das idyllische Dörfchen
Schwatz erreicht, von wo ein guter Weg abzweigt, der ein gro߬
artiges Gebirgspanorama eröffnet und an öden Trümmern vorbei
den Ausblick über die ganze Schmockerei gestattet. Jedenfalls bin
ich fest entschlossen, den nächsten Sommer mich an Herrn Minor
anseilen zu lassen. Sicher ist sicher. -Sagen wir roch-, sagt er
zum Schluß seines Burgtheaterreferats durch die Schönheiten
der Alpen, daß Herr Balaithy ein sehr vertrauenerweckender
Bergführer wart. Das ist gewiß kameradschaftlich gedacht;
aber ich tue es nicht anders, ich nehme mir den bewährten
Minor. Was Herrn Balaithy betrifft, so spielt er nur eine kleine
Rolle im -weiten Lande, und man muß schon wie ich das Gehör
für alle Aussprüche haben, die man nicht hört, um wetten zu können,
daß der Baron Berger — auch ein gediegener Alpinist — diese
Besetzung wie folgt gerechtfertigt hat: -Es gehört zur Tradition
des Burgtheaterse — und dabei hob sich sein Brustkorb, den
Kosmos zu umfassen, und sein Auge glänzte wie ein Stern
— des gehört zur Tradition des Burgtheaters, die kleinsten Rollen
mit ersten Schauspielern zu besetzene. Natürlich hat er es gesagt
und Herr Wittmann — den ich auch lieber im Gebirge sähe als im
Parkett — schrieb pünktlich: -Es gehört zur Tradition des
Burgtheaters Das mit der Tradition ist nämlich so. Getzt
zieht mich Berger ins Gespräch, ich lasse Minor warten
und verirre mich.) Das Burgtheater hat also in der Zeit, da es die
großen Rollen mit ersten Kräften besetzen konnte, die
kleinen Rollen mit ersten Kräften besetzt. Jetzt besetzt es
die großen Rollen mit letzten Kräften und läßt die paar fähigen
Episodisten, die es noch hat, statieren. Und es ist gewiß ein
Unterschied, ob Meister wie Hartmann, Mitterwurzer und Lewinsky
Königen und Staatsmönnern, die im Hintergrund über die Szene
gehen, das Gesicht von Königen und Staatsmännern gaben oder
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