W
24. Das 1te Land
box 29/7
CASINOS IN OSTERREICH
Baden SalzburgSemmering
Roulette — Baccara — Chemin de fer
Osterreichische Casino A. G.
Wien III, Schwarzenbergplatz Sa
„OBSERVER“
I. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien I, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
ATIS
Ausschnitt ausauiea Wiener Tashe
23.FEB. 1936
vom:
□
2
W
Und dann kam eines Tages Alfred v. Berger und holte
die Künstlerin als Burgtheater. Sie startet am 14. Oktober
1911 in Schnitzlers „Weitem Land“ als Genia und hat auch
hier Erfolg. War sie am Volkstheater die Schauspielerin der
Bahr=, Schnitzler= Molnar=, Shaw=, und Schönherr=Stücke
gewesen, so wird sie nun an der Burg die Hedda Gabler, die
Elga, die Leonore Sanvitale, die Pompadour in Brachvogels
„Narziß", die Zarin Elisabeth in der „Kleinen Katharina“
und noch vieles andre, sogar die Potiphar in der „Josephs¬
legende“ von Richard Strauß.
Unvergeßlich von mehreren Unvergeßlichkeiten ist vor allem
ihre Zarin Elisabeth: wie sie als Gespenst ihrer selbst er¬
scheint, leichenfahl, schon halb drüben, und doch noch start
im Irdischen verankert — das gehört zu den Spitzenleistungen, 2#
die auch Spitzenleister nur selten, nur in Augenblicken des
Sich=Ueberwachens leisten, obwohl eben dieses Sich=selbst=über¬
steigern=Können zur großen Kraft der wirklichen Begabung 6
gehört.
Keine Schauspielerin spielt indes alles, was sie kann, es ist s
denn auch „ihr ewig Weh und Ach“ und erzeugt die Gefühle 13
des Vernachlässigtseins, des Sichnichterfüllthabens samt den
dazugehörigen Klagen. Für den Schauspieler gibt es kein Er¬
ledigen einer Aufgabe, es gibt nur ein sisyphushaftes Empor¬
wälzen des Felsblocks, eigentlich jeden Abend, an dem er spielt.
Und es gibt auch noch nicht den Direktor mit der Zauberhand,
aus der für alle seine Mitglieder alle Rollen herausfallen, die
sie spielen können oder könnten. Vielleicht wäre es eine Er¬
weiterung ihres Kunstgebietes geworden, wenn sie nach dem
Rat des Obersthofmeisters Fürsten Montenuovo klassische
Rollen bevorzugt hätte; wie dem sei: was Lili Marberg spielt,
hat eine vornehme Aura. Es ist die Vornehmheit der eigenen
Natur, die sich ihren Figuren mitteilt, und das Wertvolle daran
ist, daß diese Vornehmheit natürlich klingt.
Fündundzwanzig Jahre Burgtheater! Es war ein Stück
Leben, in dem sich Glanz, Erfolg, Triumph, Enttäuschung,
Leid und Arbeit, Gnade und Last prächtig mischten, wie es
schon jedem echten Künstler verhängt ist. Und dann, an einem
markanten Punkt der Laufbahn, vor den Vorhang treten und
eine große Generalquittung von Dank empfangen zu können,
ist auch eine schöne Einrichtung, man könnte sagen: ein
Privilegium, das den olympischen Kranz vertritt.
Nun, sie fing als liebes Mädchen in Dresden an, machte als
Lola Montez die Münchner rebellisch, sie gehört heute zu den
liebenswürdigsten Meisterinnen der Burgtheaterkunst, sie blieb
demnach ihrem Zeichen L. M. immer treu. So hat Lili Marberg
Ursache, dem großen Direktor, der die Schicksale im irdischen
Possenspiel lenkt, ganz aufrichtig dankbar zu sein.
Ernst Deesey.
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1911 in Schnitzlers „Weitem Land“ als Genia und hat auch
hier Erfolg. War sie am Volkstheater die Schauspielerin der
Bahr=, Schnitzler= Molnar=, Shaw=, und Schönherr=Stücke
gewesen, so wird sie nun an der Burg die Hedda Gabler, die
Elga, die Leonore Sanvitale, die Pompadour in Brachvogels
„Narziß", die Zarin Elisabeth in der „Kleinen Katharina“
und noch vieles andre, sogar die Potiphar in der „Josephs¬
legende“ von Richard Strauß.
Unvergeßlich von mehreren Unvergeßlichkeiten ist vor allem
ihre Zarin Elisabeth: wie sie als Gespenst ihrer selbst er¬
scheint, leichenfahl, schon halb drüben, und doch noch start
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Sich=Ueberwachens leisten, obwohl eben dieses Sich=selbst=über¬
steigern=Können zur großen Kraft der wirklichen Begabung 6
gehört.
Keine Schauspielerin spielt indes alles, was sie kann, es ist s
denn auch „ihr ewig Weh und Ach“ und erzeugt die Gefühle 13
des Vernachlässigtseins, des Sichnichterfüllthabens samt den
dazugehörigen Klagen. Für den Schauspieler gibt es kein Er¬
ledigen einer Aufgabe, es gibt nur ein sisyphushaftes Empor¬
wälzen des Felsblocks, eigentlich jeden Abend, an dem er spielt.
Und es gibt auch noch nicht den Direktor mit der Zauberhand,
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sie spielen können oder könnten. Vielleicht wäre es eine Er¬
weiterung ihres Kunstgebietes geworden, wenn sie nach dem
Rat des Obersthofmeisters Fürsten Montenuovo klassische
Rollen bevorzugt hätte; wie dem sei: was Lili Marberg spielt,
hat eine vornehme Aura. Es ist die Vornehmheit der eigenen
Natur, die sich ihren Figuren mitteilt, und das Wertvolle daran
ist, daß diese Vornehmheit natürlich klingt.
Fündundzwanzig Jahre Burgtheater! Es war ein Stück
Leben, in dem sich Glanz, Erfolg, Triumph, Enttäuschung,
Leid und Arbeit, Gnade und Last prächtig mischten, wie es
schon jedem echten Künstler verhängt ist. Und dann, an einem
markanten Punkt der Laufbahn, vor den Vorhang treten und
eine große Generalquittung von Dank empfangen zu können,
ist auch eine schöne Einrichtung, man könnte sagen: ein
Privilegium, das den olympischen Kranz vertritt.
Nun, sie fing als liebes Mädchen in Dresden an, machte als
Lola Montez die Münchner rebellisch, sie gehört heute zu den
liebenswürdigsten Meisterinnen der Burgtheaterkunst, sie blieb
demnach ihrem Zeichen L. M. immer treu. So hat Lili Marberg
Ursache, dem großen Direktor, der die Schicksale im irdischen
Possenspiel lenkt, ganz aufrichtig dankbar zu sein.
Ernst Deesey.
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