II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 4

23 Der Schleiender Pierrette
Telephen 12.901.
„USSERTER
I. öeterr. bohördl. kunz. Unseemahmen für Zeitungs-Ansechaltte
Wien, I., Conoordlaplatz 4.
bestretungen
in Berlin, Basel, Bundapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Oeuf, Kopantragen, Londnn, Madrki, Meiland, Minnespolla,
Nrw-Vork, Parie, Nun, Sen Prancisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Gusllenangabe ehne Gewübr.
Ausschnitt aus:
G48
vom: 1910 6

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Theater und Munk.
Eine musikalische Schnitzker-Premiere.
Dresben, 22. Jän.Mr Schleier
[der Piereite,“ eine Pantomime in drei Bildern
von Artur Schnitzler, Musik von Ernst v. Dohnanyi,
erlebte heute im kgl. Opernhause ihre Erstaufführung.
Der Text ist eine Uebertragung von Schnitzlers
„Der Schleier der Beatrice“ ins Pantomimische, im
Herauslesen des dramatischen Kernes unter gleich¬
zeitiger Uebersetzung aus der Renaissancezeit in das
vormärzliche Wien.
Pierrette feiert Hochzeit mit Arlekino; am
Abende des Hochzeitstages aber entflieht sie zu
Pierrot, um mit ihm gemeinsam zu sterben. Pierrot
bringt das Gift. Pierrette fehlt der Mut; sie kehrt
zurück, vergißt aber wie Beatrice ihren Schleier.
Arlekino bemerkt das Fehlen und findet ihn schließlich
bei Pierrot, der immer noch tot auf dem Boden
liegt. Er schließt Pierrette bei ihm ein, die nnn vor
Angst und Aufregung wahnsinnig wird und nach
einem wilden Tanze an der Leiche Pierrots sterbend
zusammenbricht.
Die Musik Dohnanyis ist äußerst interessant,
sehr klug und geschickt gemacht, in der Instrumen¬
tation von raffinierter Differenzierung und Aus¬
nützung der einzelnen Instrumente, mit einem Worte,
eine Musik wie geschaffen für Schuch. Was er aus
dem ersten Zwischenspiele, dem glänzendsten der zahl¬
reichen Walzer, machte, wie er das zweite Zwischen¬
spiel in einer prachtvollen Steigerung aufbaute, das
gehört zu dem stärksten, was man, neben der Salome
etwa, von ihm erlebt hat. Die übrige Darstellung
war geschickt und geschmackvoll. Nur Fräulein Ter¬
hani als Pierrette war sehl am Platze. Die Aufnahme
par sehr freundlich.
Dohnänyi wurde sehr oft gerufen. Und als wie
iblich erst nuch dem zehnten Hervorruf Herr von
Schuck auf die Bühne gezogen wurde, brach ein
reuetischer Beisemem los. Schnitzler, obwohl
benfallg i-Dresden, erschien nicht

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Telephos 12.5#l.
„OBSERVER
I. öaterr. behördl. konz. Unternehmen für Zeltusge-Aueschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
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##n Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christlania,
Oenf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petere¬
burg, Toronto.
Gpollenungabe ehne dew#b)
Ausschnitt, aus AnKfürtr
23.0N1910
h Dresden, 22. Jan., 9.40 N. Ernst v. Dohnanhis
Pantomime „Der Schleier der Pierette“ nach Arthur
Schuitzlers Stoff fand im Opernhaus dank der temperament¬
vouen Musik, der packenden Handlung und Her vorzüglichen
Aufführung unter Schuchs (Leitung gußerokdentlich lehhafte
Aujuasssig.
eieen Green
2/5·17 0-
Aus Dresden telegraphiert unser Korrespondent"
vom 22. o. Mts.: „Der Schleier
Pier¬
rette“, eine Pankomime in drei Bildern von
Arthur Schnitzler, Musik von Ernst v. Doh¬
nanyt, erlebte heute ihre Uraufführung in
Dresdner königl. Oper und fand den lebhaftesten
Beifall der Hörer. Dohnányi konnte gemeinsam mit
Ernst v. Schuch, der die Aufführung leitete,
immer wieder vor dem Auditorium erscheinen.
Schnitzler hat das Werk nach Motiven seines
Renaissancedramas „Der Schleier der Beatrice“ ver¬
faßt. Aus dem Bologna des Cinquecento ist
Handlung ins Wien der Biedermeierzeit versetzt
worden. Pierrette kommt von ihrer Hochzeit
mit dem finsteren Arlechino zu ihrem Geliebten Pierrot,
um vereint mit ihm zu sterben. Doch sie vermag
nicht selbst den Tod zu geben und entflieht angesichts
des Leichnuns zurück zum Hochzeitsfest. Der
eifersüchtige Arlechino bemerkt, daß ihr der Schleier
fehlt. Er kehrt mit ihr in Pierrots Wohnung zurück,
findet den Toten und übt nun teuflische Rache. Mit
dem Leichnam allein eingeschlossen versällt Pierrette
dem Wahnsinn. Das Libretto gibt Gelegenheit zu
einer Reihe reizvoller Tanzszenen,
die
Hauptstärke von Dohnányis vornehmer Musik
ausmachen. Der Komponist zeigt ein überraschendes —
Geschick, die malenden Fähigkeiten seiner Musik zur
Geltung zu bringen. Sein Orchester ist von außer¬
ordentlich seinem und bis ins kleinste differenziertem
Farbenreiz, die Diktion von großer dramatischer
Prägnanz und Spannkraft. Man wird nicht anstehen,
nach dieser starken Talentprobe Dohnényi zu
hoffnungsvollsten unserer Bühnenkomponisten zu
rechnen. Ein gut Teil der Wirkung beruhte auf der
geradezu genialen Interpretation Schuchs, die ihres¬
gleichen schwerlich findet.