e
23. ## Schleier der Pierrette
Trlenhen 72. 38t. C
###
90
8
USUHRVEN
Isterr. bebördl. konz. Unternehmen für Zeitange-Ausacaalite
Wien, I., Concordiaplats 3.
Vertretutgen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Eleveland, Christlani.s,
Oenf, Kopenhagen, London, Madrid, Malland, Minneapolis
dems-Vork, Paris. Rom, San Francisco, Stockheim, St. Peters.
burg. Toronta.
Gauienangebe 0.
erger Hartung'sche Zeit##
Ausschnitt aus:
Königsberg 1. Pr.
74. 1. 1910
vom
Lr
Dresdener Oper. Ueber die Uraufführung der Pe omime Artur
Schitlers „Der Schleier der Pierrette“ mit der Musik den Ernst von
h die am Sonnabend in Dresden stattfand, schreibt uns
unser Dresdener E. R.=Korrespondent:
Des Dichters und des Komponisten Namen birgt für einen Erfolg
und hatte für ein ausverkauftes Haus gesorgt. Der Beifall war stür¬
misch. Wohl 15 Male hob und senkte sich am Schlusse der Vorhang.
Der Komponist, die Darsteller und Generalmusikdirektor von Schuch
mußten sich immer wieder dem Publikum zeigen. Wir halten die Musik
für eine starke Talentprobe, ein selbständiges Meisterwerk wollte uns
schließlich der Komponist garnicht geben. Die Handlung, der
Motive des Trauerspiels „Der Schleier der Beatrice", das
der Dichter vor zehn Jahren verfaßte, zu
grunde liegen, ist
fließend und packend. Vielleicht ist sie das Grausigste, was in
der könglichen Hofoper je zur Darstellung kam.
Immer klingt aber im tiefsten Schmerze das Lied der Sühne und
Vergeltung und führt über all das Häßliche und Schaurige zu dem —
sisthetischen Genuß des Tragischen. Eine Ballade ohne Worte ver¬
tont, in der der Dichter den Grundton anschlägt und der Tonpoct die
Stimmung aufnimmt und seiner Empfindung zu einer Schwingungs¬
weite verhilft, in der sie sich ausleben konn. Er nimmt den Gedanken
auf und gibt ihm erst sein Leben. Handlung und Ton fließen inein¬
ander, ein Verschmolzensein, in dem der Gedanke an Intensität ge¬
winnt und nachdrücklich zu uns spricht. Darin liegt der Reiz, das
Geheimnis dieses großen Erfolges. Der Tonpoet hat seinen Dichter
gefunden.
Die Musik hat Geist und Gefühlswert, sie ist schmiegsam, graziös,
voller Leidenschaft, um dann wieder in tiefe Wehmut zu versinken.
Sie durchsättigt die Handlung mit feinen Stimmungswerten und mit
geistvollen Details. Der erfahrene Techniker zeigt Erfindungsgabe
und Farbensinn. Es kommt zu prächtigen Klangwirkungen. Klare
melodische Linien bauen die Gegensätze auf. Die Regie setzte die
szenischen Ereignisse in eine Summe seiner Stimmungswerte um.
Das Orchester unter von Schuchs Leitung schwelgte in edlem
Wohlklang. Der Wechsel und die Gegensätze von den allerfeinsten
dynamischen und rhythmischen Schattierungen, das tiefe Erfassen aller
Nuancierungen und dann wieder die intuitive Art riß fort. Der ge¬
niale Dirigent hatte einen Bonbenerfolg und wurde stürmisch ge¬
rufen.
Man hatte mit großer Sorgfalt das Werk studiert. Die Dar¬
steller, vor allem Frl. Tervani als Pierrette und Herr Soot als Pi¬
errot, fanden sich überraschend gut in den Stil der Pantomime. Nach
der vorzüglichen Wiedergabe des Werkes zweifle ich nicht, daß das
Werk längere Zeit im Spielplane der deutschen Bühnen stehen wird.
box 27/5
ADGLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BERLIN SG. 16 RUNGE-STRASSE 25/27.
Zeitung Leipziger Neueste Nachrichten
Adresse: Leipzig
Datum:
Gheater und Wufift.
Der Schleier der Pierrette. Pautomime in drei Bildern von
Arthur Schnitzler. Musik von Eu#st von Dohnanyi. Ur¬
aufführung im königlichen Opernhause zu Dresden am 22. Januar.
(Telegxammsunseres Dresche musikalischen Mit¬
arbeitens.]Der als Klavierspieler und Komponist von Konzert¬
musik gut Gekankte, in Berlin lehende Ungar Ernst von Dohnanyi
betrat mit der Uraufführung der Pantomime „Der Schleier der Pier¬
rette“ zum ersten Male das Aich der Bühne. Der Vorgang beruht
auf einigen Szenen des dritten, vierten und fünften Aktes des Schau¬
spieles „Der Schleier der Beatrice“ von Schnitzler und ist vom Dichter
vor etwa sechs Jahren für die Pantomime zurecht gemacht worden.
Leider, muß man sagen. Denn aus der Menschlichkeit des Schauspiels
ist ein schauerlicher Bühneneffekt geworden, eine Handlung, die mit
Grausen erfüllt. Pierrots Geliebte soll heiraten. Am Hochzeitsabend
läuft sie ihrem Bräutigam Arlekino davon in die Arme des Geliebten.
Sie bringt ihm Gift, damit sie beide gemeinsam in den Tod gehen
können. Pierrot trinkt, sie aber schandert vor dem Tode zurück und
begibt sich wieder auf die Hochzeit. Dort erscheint ihr der tote Pierrot
mehrmals als Geist. Sie muß ihm folgen. Der Bräutigam geht ihr
nach. In der Wohnung Pierrots findet er den Toten. Nun zwingt
er die Braut, mit dem toten Geliebten an einem Tische zu sitzen und
ihm zuzutrinken und schließt sie mit dem Leichnam zusammen in das
Zimmer ein. Das arme Weib wird wahnsinnig, tanzt vor der Leiche
des Geliebte: einen schrecklichen Tanz und sinkt tot nieder. Der Vor¬
gang ist wohl das Fürchterlichste, was je auf der ernsthaften
Bühne geboten worden ist, und der Gedanke, daß die Nerven¬
stücke französischer Herkunft, die vor etwa acht Jahren die Haare
sträuben machten,
Schnitzler
beeinflußt
haben könnten,
drängt sich auf. Was die Musik zu geben hat, verrät viel Talent,
sowohl allgemein musikalisches als auch speziell für die Anforde¬
rungen der Bühne. Die Handlung bietet an sich Abwechselung, und
diesen verschiedenen Stimmungen hat sich Dohnänyi durchaus ge¬
wachsen gezeigt. Die schwungvolle Tanzmusik bei der Hochzeit atmet
Lust und Freude. Ein Walzer mit so viel Glut und stürmendem Tem¬
perament ist lange nicht dagewesen. Doch der Bräutigam zerbricht
wütend die Instrumente der Musiker, und nun spielen diese mit ihren
verstümmelten Instrumenten einen furchtbaren Galopp, ein Stück Höl¬
lenmusik, das einem Berlioz Ehre gemacht haben würde. Die Unter¬
malung der grausen Vorgänge legt sich naturgemäß besonders schwer
auf die Nerven, und das letzte Bild, das ganz davon erfüllt ist, ist
herzbeklemmend niederdrückend. Diese schwermütigen Momente durch¬
ziehen das ganze Stück. Hier zeigt sich etwas der Neuling, doch hat
die Musik Schwung und vor allem sehr viel Leidenschaft. Auch ist sie
gut aufgebaut, zeigt an einzelnen Stellen gut fesselnde Polyphonie und
hat, was vor allem zu schätzen ist, lange Linien. Sie zerfällt nicht.
Ein paar hervorstechende Leitmotive legen sich schnell ins Ohr. Die
lebenssprühende Dirigierkunst Schuchs brachte die Musik wirkungs¬
voll zur Geltung. Die Hauptrolle, die Pierrette, gab Irma Ter¬
vani. Ihr Körper war sehr ausdrucksvoll, ihr Mienenspiel ein klein
wenig hart in der Angst. Man konnte kein rechtes Mitleid mit ihrem
Geschick haben. Doch riß sie das Publikum zu lebhaftem Beifall hin,
der auch außer dem der Vorstellung beiwohnenden Komponisten und
dem Dirigenten, den verständnisvoll agierenden Herrn Soot (Pierrot)
und Trede (Arlekino) galt.
23. ## Schleier der Pierrette
Trlenhen 72. 38t. C
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Isterr. bebördl. konz. Unternehmen für Zeitange-Ausacaalite
Wien, I., Concordiaplats 3.
Vertretutgen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Eleveland, Christlani.s,
Oenf, Kopenhagen, London, Madrid, Malland, Minneapolis
dems-Vork, Paris. Rom, San Francisco, Stockheim, St. Peters.
burg. Toronta.
Gauienangebe 0.
erger Hartung'sche Zeit##
Ausschnitt aus:
Königsberg 1. Pr.
74. 1. 1910
vom
Lr
Dresdener Oper. Ueber die Uraufführung der Pe omime Artur
Schitlers „Der Schleier der Pierrette“ mit der Musik den Ernst von
h die am Sonnabend in Dresden stattfand, schreibt uns
unser Dresdener E. R.=Korrespondent:
Des Dichters und des Komponisten Namen birgt für einen Erfolg
und hatte für ein ausverkauftes Haus gesorgt. Der Beifall war stür¬
misch. Wohl 15 Male hob und senkte sich am Schlusse der Vorhang.
Der Komponist, die Darsteller und Generalmusikdirektor von Schuch
mußten sich immer wieder dem Publikum zeigen. Wir halten die Musik
für eine starke Talentprobe, ein selbständiges Meisterwerk wollte uns
schließlich der Komponist garnicht geben. Die Handlung, der
Motive des Trauerspiels „Der Schleier der Beatrice", das
der Dichter vor zehn Jahren verfaßte, zu
grunde liegen, ist
fließend und packend. Vielleicht ist sie das Grausigste, was in
der könglichen Hofoper je zur Darstellung kam.
Immer klingt aber im tiefsten Schmerze das Lied der Sühne und
Vergeltung und führt über all das Häßliche und Schaurige zu dem —
sisthetischen Genuß des Tragischen. Eine Ballade ohne Worte ver¬
tont, in der der Dichter den Grundton anschlägt und der Tonpoct die
Stimmung aufnimmt und seiner Empfindung zu einer Schwingungs¬
weite verhilft, in der sie sich ausleben konn. Er nimmt den Gedanken
auf und gibt ihm erst sein Leben. Handlung und Ton fließen inein¬
ander, ein Verschmolzensein, in dem der Gedanke an Intensität ge¬
winnt und nachdrücklich zu uns spricht. Darin liegt der Reiz, das
Geheimnis dieses großen Erfolges. Der Tonpoet hat seinen Dichter
gefunden.
Die Musik hat Geist und Gefühlswert, sie ist schmiegsam, graziös,
voller Leidenschaft, um dann wieder in tiefe Wehmut zu versinken.
Sie durchsättigt die Handlung mit feinen Stimmungswerten und mit
geistvollen Details. Der erfahrene Techniker zeigt Erfindungsgabe
und Farbensinn. Es kommt zu prächtigen Klangwirkungen. Klare
melodische Linien bauen die Gegensätze auf. Die Regie setzte die
szenischen Ereignisse in eine Summe seiner Stimmungswerte um.
Das Orchester unter von Schuchs Leitung schwelgte in edlem
Wohlklang. Der Wechsel und die Gegensätze von den allerfeinsten
dynamischen und rhythmischen Schattierungen, das tiefe Erfassen aller
Nuancierungen und dann wieder die intuitive Art riß fort. Der ge¬
niale Dirigent hatte einen Bonbenerfolg und wurde stürmisch ge¬
rufen.
Man hatte mit großer Sorgfalt das Werk studiert. Die Dar¬
steller, vor allem Frl. Tervani als Pierrette und Herr Soot als Pi¬
errot, fanden sich überraschend gut in den Stil der Pantomime. Nach
der vorzüglichen Wiedergabe des Werkes zweifle ich nicht, daß das
Werk längere Zeit im Spielplane der deutschen Bühnen stehen wird.
box 27/5
ADGLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BERLIN SG. 16 RUNGE-STRASSE 25/27.
Zeitung Leipziger Neueste Nachrichten
Adresse: Leipzig
Datum:
Gheater und Wufift.
Der Schleier der Pierrette. Pautomime in drei Bildern von
Arthur Schnitzler. Musik von Eu#st von Dohnanyi. Ur¬
aufführung im königlichen Opernhause zu Dresden am 22. Januar.
(Telegxammsunseres Dresche musikalischen Mit¬
arbeitens.]Der als Klavierspieler und Komponist von Konzert¬
musik gut Gekankte, in Berlin lehende Ungar Ernst von Dohnanyi
betrat mit der Uraufführung der Pantomime „Der Schleier der Pier¬
rette“ zum ersten Male das Aich der Bühne. Der Vorgang beruht
auf einigen Szenen des dritten, vierten und fünften Aktes des Schau¬
spieles „Der Schleier der Beatrice“ von Schnitzler und ist vom Dichter
vor etwa sechs Jahren für die Pantomime zurecht gemacht worden.
Leider, muß man sagen. Denn aus der Menschlichkeit des Schauspiels
ist ein schauerlicher Bühneneffekt geworden, eine Handlung, die mit
Grausen erfüllt. Pierrots Geliebte soll heiraten. Am Hochzeitsabend
läuft sie ihrem Bräutigam Arlekino davon in die Arme des Geliebten.
Sie bringt ihm Gift, damit sie beide gemeinsam in den Tod gehen
können. Pierrot trinkt, sie aber schandert vor dem Tode zurück und
begibt sich wieder auf die Hochzeit. Dort erscheint ihr der tote Pierrot
mehrmals als Geist. Sie muß ihm folgen. Der Bräutigam geht ihr
nach. In der Wohnung Pierrots findet er den Toten. Nun zwingt
er die Braut, mit dem toten Geliebten an einem Tische zu sitzen und
ihm zuzutrinken und schließt sie mit dem Leichnam zusammen in das
Zimmer ein. Das arme Weib wird wahnsinnig, tanzt vor der Leiche
des Geliebte: einen schrecklichen Tanz und sinkt tot nieder. Der Vor¬
gang ist wohl das Fürchterlichste, was je auf der ernsthaften
Bühne geboten worden ist, und der Gedanke, daß die Nerven¬
stücke französischer Herkunft, die vor etwa acht Jahren die Haare
sträuben machten,
Schnitzler
beeinflußt
haben könnten,
drängt sich auf. Was die Musik zu geben hat, verrät viel Talent,
sowohl allgemein musikalisches als auch speziell für die Anforde¬
rungen der Bühne. Die Handlung bietet an sich Abwechselung, und
diesen verschiedenen Stimmungen hat sich Dohnänyi durchaus ge¬
wachsen gezeigt. Die schwungvolle Tanzmusik bei der Hochzeit atmet
Lust und Freude. Ein Walzer mit so viel Glut und stürmendem Tem¬
perament ist lange nicht dagewesen. Doch der Bräutigam zerbricht
wütend die Instrumente der Musiker, und nun spielen diese mit ihren
verstümmelten Instrumenten einen furchtbaren Galopp, ein Stück Höl¬
lenmusik, das einem Berlioz Ehre gemacht haben würde. Die Unter¬
malung der grausen Vorgänge legt sich naturgemäß besonders schwer
auf die Nerven, und das letzte Bild, das ganz davon erfüllt ist, ist
herzbeklemmend niederdrückend. Diese schwermütigen Momente durch¬
ziehen das ganze Stück. Hier zeigt sich etwas der Neuling, doch hat
die Musik Schwung und vor allem sehr viel Leidenschaft. Auch ist sie
gut aufgebaut, zeigt an einzelnen Stellen gut fesselnde Polyphonie und
hat, was vor allem zu schätzen ist, lange Linien. Sie zerfällt nicht.
Ein paar hervorstechende Leitmotive legen sich schnell ins Ohr. Die
lebenssprühende Dirigierkunst Schuchs brachte die Musik wirkungs¬
voll zur Geltung. Die Hauptrolle, die Pierrette, gab Irma Ter¬
vani. Ihr Körper war sehr ausdrucksvoll, ihr Mienenspiel ein klein
wenig hart in der Angst. Man konnte kein rechtes Mitleid mit ihrem
Geschick haben. Doch riß sie das Publikum zu lebhaftem Beifall hin,
der auch außer dem der Vorstellung beiwohnenden Komponisten und
dem Dirigenten, den verständnisvoll agierenden Herrn Soot (Pierrot)
und Trede (Arlekino) galt.