II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 33

23. Der Schleiender Pierrette
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Teiepoon 12.58.

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burg. Toronto.
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Die Musik, Berlin
Ausschnitt aus:
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ESDEN: Die Tatsache, dals die Königliche
D Hofoper mit der dreiaktigen Pantomime
„Der Schleier der Pierrette“ von Arthur
Schnitzler, Musik von Ernst von Dohnänyi,
r
Eiffeh überraschend starken Erfolg erzielt, durfte
geeignet sein, die allgemeine Aufmerksamkeit
wieder auf diesen Zweig der dramatischen Kunst
zu lenken, dem in den südlichen Ländern von
altersher eine sorgsame Pflege zuteil geworden
ist, weil sie dem Charakter der lebhaft gestiku¬
lierenden Nationen entspricht. Sind wir Deutschen
auch in unseren Gesten weit schwerfälliger, und
wird es uns deshalb nicht leicht, das gesprochene
oder gesungene Wort bei einer Bühnenhandlung
zu entbehren, so macht sich der fördernde Ein¬
fluß der Wagnerschen Kunst auch auf diesem
Gebiete bemerkbar. Denn indem der Meister von
Bavreuth unsere Sänger zu Darstellern erzog,
7jab er ihnen die Möglichkeit, in Ausnahmefällen
##uch einmal nur durch Mienenspiel und Gebärde
s sich verständlich zu machen, und indem er das
1 Publikum dahin brachte, in dem orchestralen
Teil eines Musikdramas die Erläuterung, Ver¬
Ixnüpfung und Ausdeutung seiner Handlung zu
suchen und zu finden, schuf er auch bei den
Zuschauenden und Zuhörenden den Untergrund,
auf dem eine Pantomime sich zu künstlerischen
Wirkungen erheben kann. Arthur Schnitzler hat
zu der Neuheit eine gar grausige Handlung ge¬
schaffen. Ein junger Pierrot, dem seine Ge¬
liebte untreu geworden, erhält deren Besuch
gerade an dem Tage, an dem sie einem un¬
geliebten, finstern Manne die Hand gereicht hat.
Das Liebespaar improvisiert nach einer süßen
Stunde ein Mahl, in dessen Verlauf Pierrot an
seine Angebetete das Ansinnen stellt, sich mit
ihm zu vergiften. Als er ihres Einverständnisses
sicher zu sein glaubt, trinkt er den Giftbecher,
sieht aber mit dem letzten Blick seiner brechen¬
den Augen, daß sie den Gifttrank von sich wirkt.
Er stirbt, und Pierrette, die im vollen Brautstaat
zu ihm gekommen ist, enteilt voll Entsetzen,
dabei ihren Brautschleier zurücklassend. Sie
kehrt in das elterliche Haus zurück, wo die
Hochzeitsgesellschaft beim fröhlichen Tanze ist
und man sie schon vermißt hat. In dem fest¬
lichen Saale erscheint der Ungetreuen der tote
Pierrot dreimal an verschiedenen Stellen und
zeigt ihr beim letzten Male den Schleier, dessen
Fehlen der eifersüchtige Bräutigam Arlekino
bereits bemerkt hat. Er geht mit Pierrette fort,
den Schleier zu holen, und sie führt ihn in das
Gemach des starr daliegenden Toten, wo Arlekino
aus dem Anblick der Leiche, eines großen Bildes
seiner jungen Gattin und der Überreste des
Mahles bald den vollen Sachverhalt erkennt.
Seine Rache ist bestialisch. Er richtet den Toten
empor, setzt ihn in eine Ecke des Sofas an den
Tisch, trinkt hohnvoll der Leiche zu und zwingt
Pierrette, ein gleiches zu tun. Dann geht er
fort und schließt sie mit dem Toten ein. Das
Grausen raubt ihr den Verstand, und in ihrem
Wahnsinn kokettiert sie mit der Leiche, um¬
schmeichelt sie und zeigt all ihre Reize dem
toten Liebhaber in einem bizarr-verlockenden
Tanze, bis sie endlich tot neben ihm zusammen¬
bricht. Der ganze letzte Akt mit seiner grau¬
samen Verhöhnung der Majestät des Todes ist
direkt abstoßend und geht weit über alles Grau¬
Isige hinaus, was wir in „Salome“ und „Elektra“
erleben. Daß Ernst v