II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 70

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23. Der Schleier der bierrette
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Für das morgen, Sonntag, stattfindende
[dritte Rennen wurde folgendes Programm
ausgegeben:
(3000 Kronen, Distanz
„Staatspreis.“
2. „Verkaufs¬
2000 Meter.) 14 Unterschriften.
[handicap.“ (Preis 2000 Kronen, Distanz 1800
3. „Stutenpreis.“
Meter.) 5 Unterschriften.
(30,000 Kronen, Distanz 2000 Meter.) 13 Unterschriften. —
4. „Rennen der Zweijährigen.“ (Preis 5000
Kronen, Distanz 900 Meter.) 18 Unterschriften.
[5. „Maidenrennen der Zweijährigen.“
(Preis 3000 Kronen, Distanz 900 Meter.) 18 Unterschrif¬
Handicap der Dreijährigen.“
ten. —
(Preis 5000 Kronen, Distanz 1600 Meter.) 25 Unter¬
schriften, 7. „Verkaufsrennen.“ (Preis 2000
Kronen, Distanz 1600 Meter.) 9 Unterschriften.
Theater, Kunst und Literatur.
Der Schleier der Pierrette.
Pantomime in drei Bildern von Arthur Schnitzler
Musik von Ernst von Dohnäunyi.
Erste Aufführung in der königlichen Oper am 7. Mai 1910.
Die vereinzelten Versuche, die in den letzten.
Jahren auch von namhafteren Komponisten unter¬
1,
nommen worden sind, das Ballet wieder zu einer
höheren Kunstform zu adeln, haben sich als künst¬
lerische Nieten erwiesen. Mochte auch der Hinweis,
daß man eine Tanzlegende, ein Tanzpoem dichten
wolle, die höhere arlistische Ambition des Libret¬
tisten und Komponisten andeuten, im Grunde stan¬
den Handlung und Musik nach wie vor hinter den
illusionistischen Reizungen zurück, die Balletmeister,
Costumier, Dekorationsmaler und Maschinist zu
vermitteln beflissen waren. Die Schnitzler¬
[Dohnäny i'sche Pantomime „Der Schleier
[der Pierrette“, die heute auf der Bühne der
königlichen Oper zur Aufführung gebracht wurde,
ist endlich ein wirkliches Kunstwerk. Die Arbeit eines
Dichters, der es vermochte, in den knappen Rahmen
einer dramatisch bewegten, logisch bestimmten Aktion
auch psychologische Vertiefung zu tragen, gleichzeitig
doch auch den Bedürfnissen des Choreuten durch
organische Entwicklungsmöglichkeit der Tanzformen
zu entsprechen; die Arbeit vor Allem eines genialen
Tonkünstlers, in dessen Musik unter der stummen
Aktion die subtilsten lyrischen, dramatischen und sze¬
nischen Intentionen des Textdichters in Formen zum
Klingen gebracht werden, deren Schönheit und Geist
allein hinreichen würde, dem Doppelwerk vornehmste
künstlerische Bedeutung zu sichern.
Arthur Schnitzer hat das Libretto zu der
Pantomime aus seinem shakespearisirenden preciös¬
artistischen Versdrama „Der Schleier der Beatrice“
herausgeschält, und das tragische Schleiermotiv in
ein Dramolet von prächtiger Knappheit gefaßt.
Pierrot ist tiefbetrübt ob der Treulosigkeit seiner
Pierrette. Da erscheint sie, schon die Braut Arlecchino's,
im Hochzeitskleid, die Myrte im Haar, den Braut¬
schleier darüber, in der Wohnung des Liebsten ...
Der Schleier offenbart Pierrot die ganze Wahrheit.
Sie löst ihn willig aus dem Haar, daß er zu Boden
fällt. Aber es gilt den Abschied auf ewig, oder den
gemeinsamen Tod. Pierrot leert sein Glas, da sieht
er Pierrette schwanken und zittern. Noch hat er die
Kraft, ihr den Giftbecher aus der Hand zu schleudern,
dann stirbt er. Die entsetzte Pierrette flüchtet. In
die freie Lebensluft hinaus, ins Elternhaus zurück,
in dem die Hochzeitsgäste harren. Schon dreht sich
Alles im fröhlichen Reigen, doch die Braut fehlt. In
zorniger Ungeduld erwartet Arlecchino die Verlobte,
die vergebens im ganzen Haus gesucht wird. Wüthend
stellt er sie zur Rede. Er läßt sich endlich durch ihren Lieb¬
reiz beschwichtigen und reicht ihr den Arm zum Tanze.
Da steigt vor Pierrette, nur ihr sichtbar, das Phantom
Pierrol's empor. Ihr jähes Erschrecken weckt den
mit Cins bemerkt