II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 79

23. Der Schleier der Bierrette

hit umso beredterer Ueberdies wird die Pierrette=Musik von einer erstaunlichen
nist Dohnanyi mit Menge kleiner Klangbilder, rhythmischer Figuren durchsetzt.
geradezu bei einem Alles für den Moment eingestellt, blitzschnell wechselnd mit
den Bewegungen, dem Mienenspiel der Personen. Die Leitmotive
nluft geatmet hat,
sind zumeist zutreffend gewählt, zeigen markante Fassung.
in
die Welt der
Strenges, dem
Der Schleier Pierrettens flattert in gleißenden Terzen¬
inz Angepaßtes ist
gängen auf und nieder, eine kleine Gazewolke in Tönen.
Pierrette wird mit einem melodischen Thema von etwas
ksche Tiefen hinab¬
einen Neuling des
launenhafter Anmut gezeichnet; Arlecchino hat seine finstere,
wie zähneknirschende Sextole und aus den Bässen steigt das
Geschicklichkeit, mit
bange, dumpfe Thema Pierrcks auf. Es hängt sich wie ein
liegt, die Gestalten
Schatten an Pierrette, verfolgt sie bis zum grausigen Ende,
n die letzte Einzel¬
mahnend, drohend, unerbittlich wie das Verhängms.
ngen und Gebärden
nur einer, der den
Dieses Hauptmotiv beherrscht schon das Vorspiel,
bereitet die trübe Stimmung der ersten Szene vor. Sehr
ie hat und dazu
beweglich seufzt und schluchzt das Orchester mit dem trost¬
Orchesters gebietet.
losen Pierrot und es kichert und schäkert, wenn das Boheme¬
doppelten Vorzug,
Daß die Erfin¬
quartett in das Zimmer hüpft und dann sein Tänzchen
fließt, sei immerhin
improvisiert. Bei reizender Walzermusik, die sich auf weichsten
hier auf Wagner
Rhythmen wiegt. Eine Valse noble, aber schon hier mit
inn Strauß deuten,
Betonung der Wiener Note, wie fast alles, was sich im
s so ungefähr „in
Dreivierteltakt dreht. Ausdrucksvoll begleitet das Orchester
auch hier eine so
die Wiederbegegnung des Paares, umspielt die Liebesszene
de Einflüsse nie die
mit einer schmachtenden Kantilene, die bei den letzten Um¬
eingewirkte Fäden
armungen zu zärtlicher Tristan=Ekstase aufglüht. In der
aufregenden Vergiftungsszene nimmt auch die Musik schar¬
einer Musik. Man
libes „Sinfonische
fen dramatischen Anlauf, untermalt den Vorgang mit
düsteren und grell aufblitzenden Klängen, schreit der davon¬
kann man sagen,
ime geschrieben hat.
stürzenden Braut wütend das Motiv Pierrots nach. Ein
Walzerpotpourri besorgt als Zwischenaktmusik den Ueber¬
reicher, oft witziger
gang zum Hochzeitsball. Diese Tanzmusik eilt der Bieder¬
hrsamkeit aus dem
sikalischen mit den meierzeit um einige Jahrzehnte voraus. Johann Strauß,
e steht auch zumeist der Sohn, hat hier das erste Wort und behält das letzte;
ganzen Reihe fest= also voriges Jahrhundert, das schon bis zur Mitte
die Pantomime ist
vorgeschritten ist und auch darüber hinaus. Für den
Anachronismus entschädigt immerhin der gut getroffene
eitmotiven gespannt,
schlingen, in den
fesche Ton und die geschmackvolle Instrumentierung.
Die graziös=steife Gavotte beim Promenieren der Gäste, das
ichen, von bunten
Der Musiker und
hübsch verzopfte, am Schlusse mit einer Variation verbrämte
zu dem gemein¬
Menuett, zu dem sich die Gesellschaft trotz Abwesenheit der
Schilderung der Braut entschließt, erinnern dann an altväterliche Tanz¬
seelischen Voraänge. ordnuna. Wenn die Musikanten auf ihren arg zerschlagenen
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Instrumenten noch mit einer Polka aufwarten müssen, so
gibt das eine bemerkenswerte Leistung im Falschspielen.
Hier entspringt die Kakophonie wirklich einer musikalischen
Zwangslage. Lauter spaßige Dissonanzen, mit besonderer
Berücksichtigung einer verstümmelten Klaviatur, zerrissener
Violinsaiten und bedenklicher Klappenfehler der Klarinette.
Die groteske Polka wendet sich bald ins Gespenstische, da
bei der Erscheinuh des toten Pierrot sein Motiv als
finstere Unterstimme in den Tanz hineindröhnt. Die heftige
Erregung zittert noch durch das sinfonische Vorspiel, das
zum letzten Bilde hinüberleitet. Die Musik illustriert dann
mit einer Fülle ausdrucksvoller Details die teuflische Rache
des Betrogenen, die Todesangst der Braut, und die phan¬
tastischen Walzermelodien, bei deren Klängen Pierrette
immer wilder den Leichnam umkreist, verzerren sich zum
Schlusse so unheimlich, wie die Züge der wahnsinnigen Tänzerin.
Das Werk fand eine überaus warme Aufnahme; mit
gespanntem Interesse folgte das Publikum bis zum
Schlusse den aufregenden Vorgängen auf der Bühne und
der geistvollen Musik Ernst Dohnanyis. Die Aufführung
war mit besonderer Sorgfalt vorbereitet; zwischen der Bühnen¬
aktion und dem von Herrn Szikla temperamentvoll ge¬
leiteten Orchester gab es volle Uebereinstimmung und leben¬
diges Ineinandergreifen. Frau M.=Szoyer spielte die
Pierrette. Sie hatte in Pose und Geste reiche Abwechslung
zu bieten und sie bewahrte auch in den tragischen Momenten,
in der Vergiftungsszeue, beim Hochzeitsball und im aus¬
brechenden Wahnsinn noch die Anmut des einfachen
Bürgermädchens. Sie bot in dieser schwierigen, auf starke
Effekte angelegten Rolle weitaus mehr, als man ihrer
heiteren Soubrettennatur zugetraut hätte. Ballettmeister
Guerra, der bisher nur im Probesaal und hinter den
Kulissen seines Amtes waltete, erschien zum ersten Male
als Darsteller auf der Bühne. Er bewährte sich als vor¬
trefflicher Mimiker, gab den finsteren Arlecchino sehr
charakteristisch, mit plastischer Gebärde, ausdrucksvollen

Mienenspiel. Man sah eine energisch gezeichnete Figun
Herr Kornai, auch sonst einer der besten Darsteller in
Sängerensemble des Operntheaters, gab den Pierrot. Ele
gant und empfindsam, dabei mit einem stilisierten Auflug,
wie ihn auch sein Kostüm zeigte.

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