box 27/5
23. Der Schleier der Pierrette
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? Musik? Sie kann nicht über Stock und Stein jagen, braucht,
Die Aufgabe, das stumme Spiel mit umso beredterek Ueberdies wird die Pierrette
wie das in ihrer eigensten Natur liegt, Zeit, sich auszu= Orchestersprache zu begleiten, hat Ernst Dohnanyi mit Menge kleiner Klangbilder,
breiten. Dafür ist aber ausreichend gesorgt, der Atem wird großer Sicherheit gelöst. Sie überrascht geradezu bei einem
Alles für den Moment eing
ihr nicht verlegt. Der Tanz der Bohémiens, zu dem auf
Komponisten, der noch niemals Bühnenluft geatmet hat,
den Bewegungen, dem Mienen
einem Spinett lustig aufgespielt wird, die Liebesszene
den ersten Schritt vom Konzertsaal in die Welt der
sind zumeist zutreffend gewä
vor dem Selbstmorde bieten schon hier der Musik er¬
Kulissen wagt. Selbst allerlei Herbes, Strenges, dem
Der Schleier Pierrettens
wünschte Gelegenheit zu breiterer Entfaltung. Vollends
leichteren Ton dieses Genres nicht ganz Angepaßtes ist
gängen auf und nieder, e
durchziehen bunte Tanzrhythmen das folgende Bild.
eher dem gediegenen, gern in sinfonische Tiefen hinab¬
Pierrette wird mit einem
Durch den Saal in Pierrettes Elternhause wogt festlich
tauchenden Musiker anzurechnen. Auf einen Neuling des
launenhafter Anmut gezeichn
geputzte Hochzeitsgesellschaft. Schon wurde zu Quadrille
Theaters würde niemand raten bei der Geschicklichkeit, mit
wie zähneknirschende Sexiole
und Menuett aufgespielt, aber die Braut ist noch immer
der er seine Musik der Handlung anschmiegt, die Gestalten
bange, dumpfe: Thema Pier
nicht da. Man fragt, man munkelt, man zischelt. Arlecchino,
zeichnet, die Szene, die Situation bis in die letzte Einzel¬
Schatten an Pierrette, verft#
der düstere Bräutigam, wird immer unruhiger; wilde
heit, oft bis auf ganz bestimmte Bewegungen und Gebärden
mahnend, drohend, unerbittl
Eifersucht erfaßt ihn, wütend zerschlägt er die Instrumente
der Personen charakterisiert. Das kann nur einer, der den
Dieses Hauptmotiv b
der Musikanien. Endlich kommt Pierrette, atemlos, verstört.
Blick für die Erfordernisse der Bühne hat und dazu
bereitet die trübe Stimmun
Auf seine Vorwürfe antwortet sie verlegen, kann ihre Ver¬
auch über alle Ausdrucksmittel des Orchesters gebietet.
beweglich seufzt und schluch
wirrung nicht verbergen. Sie sucht ihn zu besänftigen,
Dohnanyis „Pierrette“=Musik hat den doppelten Vorzug,
losen Pierrot und es kichert
schmeichelt ihm ein Tänzchen ab. Da schreitet, nur für sie
geistreich und dramatisch zugleich zu sein. Daß die Erfin¬
quartett in das Zimmer
sichtbar, das Gespenst Pierrots durch den Saal. Sie zeigt
dung zuweilen aus abgeleiteten Quellen fließt, sei immerhin
improvisiert. Bei reizender W
entsetzt auf die Erscheinung, die in nichts zerfließt. Und
angemerkt. Reminiszenzenjäger werden hier auf Wagner
Rhythmen wiegt. Eine Va
wieder taucht das Gespenst beim Buffet auf, kredenzt ihr
und Goldmark, dort auf Liszt und Johann Strauß denten,
Betonung der Wiener Not
ein Glas Wein. Pierrette taumelt zurück, will sich mit
mögen noch anderes herauswittern, das so ungefähr „in
Dreivierteltakt dreht. Ausde
dem Brautschleier das Gesicht verhüllen. Der Schleier
der Luft liegt“ Aber Dohnänyi zeigt auch hier eine so
die Wiederbegegnung des
fehlt. Arlecchino wird wieder von rasender Eifersucht
starke persönliche Note, daß solche fremde Einflüsse nie die
mit einer schmachtenden Kan
erfaßt, verlangt, daß Pierrette den Schleier hole.
Oberhand gewinnen, höchstens nur wie eingewirkte Fäden
armungen zu zärtlicher D
Da erscheint noch einmal der tote Pierrot und winkt mit
erscheinen in dem farbigen Gewebe seiner Musik. Man
aufregenden Vergiftungsszen
dem Schleier. Sie will ihn erhaschen, das Gespenst ent¬
nannte die Tanzpoëme von Leo Delibes „Sinfonische
fen dramatischen Anlauf,
schwindet, sie eilt ihm nach, Arlecchino dicht hinter ihr. So
Ballette“. Mit größerer Berechtigung kann man sagen,
düsteren und geell aufblitzen
gelangt das Paar in die Wohnung des Malers. Der
daß Dohnänyi eine sinfonische Pantomime geschrieben hat.
stürzenden Braut wütend d
Schleier liegt auf dem Boden und daneben die Leiche
Diese Musik steckt voll feiner, geistreicher, oft witziger
Walzerpotpourri besorgt al
Pierrots. Arlecchino errät nun, was vorgefallen und er
Kontrapunktik, die jede trockene Gelehrsamkeit aus dem
gang zum Hochzeitsball. D
nimmt furchtbare Rache. Er setzt den Leichnam auf den
Spiele läßt, den Reiz des rein Musikalischen mit den
meierzeit um einige Jahrzeh
Divan, trinkt ihm höflich zu, umarmt dann höhnisch die
Zwecken der Charakteristik vereinigt. Sie steht auch zumeist der Sohn, hat hier das erst
Braut, geht unter galanten Verbeugungen hinaus und sperrt
in engem Zusammenhang mit einer ganzen Reihe fest= also voriges Jahrhundert,
die Türe hinter sich zu. Pierrette rüttelt verzweifelt am
stehender Themen und Motive. Ueber die Pantomime ist
vorgeschritten ist und au
Schlosse, rennt in gräßlicher Todesangst durch das Zimmer,
im Wagnerschen Sinne ein Netz von Leitmotiven gespannt,
Anachronismus entschädigt
sucht vergebens einen Ausgang. Plötzlich verzerren sich ihre
die sich kunstvoll kreuzen, durcheinander schlingen, in den
fesche Ton und die g
Züge, sie umtanzt die Leiche, immer toller, bis zu rasendem
verschiedensten Umgestaltungen auftauchen, von bunten
Die graziös=steife Gavotte b
Wirbel und sinkt endlich entseelt zu Boden. Draußen poltern
instrumentalen Lichtern umspielt werden. Der Musiker und
hübsch verzopfte, am Schluss
die Kameraden an der versperrten Türe, brechen sie ein,
der Bühnenmensch verbinden sich hier zu dem gemein¬
Menuett, zu dem sich die G
tänzeln in das G mach und stoßen entsetzt auf die beiden samen Ziele: zür möglichst getreuen Schilderung der
Braut entschließt, erinnern
Toten.
Szene, der dramatischen Aktion, der seelischen Voraänge. ordnuna. Wenn die Musikan
——
23. Der Schleier der Pierrette
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? Musik? Sie kann nicht über Stock und Stein jagen, braucht,
Die Aufgabe, das stumme Spiel mit umso beredterek Ueberdies wird die Pierrette
wie das in ihrer eigensten Natur liegt, Zeit, sich auszu= Orchestersprache zu begleiten, hat Ernst Dohnanyi mit Menge kleiner Klangbilder,
breiten. Dafür ist aber ausreichend gesorgt, der Atem wird großer Sicherheit gelöst. Sie überrascht geradezu bei einem
Alles für den Moment eing
ihr nicht verlegt. Der Tanz der Bohémiens, zu dem auf
Komponisten, der noch niemals Bühnenluft geatmet hat,
den Bewegungen, dem Mienen
einem Spinett lustig aufgespielt wird, die Liebesszene
den ersten Schritt vom Konzertsaal in die Welt der
sind zumeist zutreffend gewä
vor dem Selbstmorde bieten schon hier der Musik er¬
Kulissen wagt. Selbst allerlei Herbes, Strenges, dem
Der Schleier Pierrettens
wünschte Gelegenheit zu breiterer Entfaltung. Vollends
leichteren Ton dieses Genres nicht ganz Angepaßtes ist
gängen auf und nieder, e
durchziehen bunte Tanzrhythmen das folgende Bild.
eher dem gediegenen, gern in sinfonische Tiefen hinab¬
Pierrette wird mit einem
Durch den Saal in Pierrettes Elternhause wogt festlich
tauchenden Musiker anzurechnen. Auf einen Neuling des
launenhafter Anmut gezeichn
geputzte Hochzeitsgesellschaft. Schon wurde zu Quadrille
Theaters würde niemand raten bei der Geschicklichkeit, mit
wie zähneknirschende Sexiole
und Menuett aufgespielt, aber die Braut ist noch immer
der er seine Musik der Handlung anschmiegt, die Gestalten
bange, dumpfe: Thema Pier
nicht da. Man fragt, man munkelt, man zischelt. Arlecchino,
zeichnet, die Szene, die Situation bis in die letzte Einzel¬
Schatten an Pierrette, verft#
der düstere Bräutigam, wird immer unruhiger; wilde
heit, oft bis auf ganz bestimmte Bewegungen und Gebärden
mahnend, drohend, unerbittl
Eifersucht erfaßt ihn, wütend zerschlägt er die Instrumente
der Personen charakterisiert. Das kann nur einer, der den
Dieses Hauptmotiv b
der Musikanien. Endlich kommt Pierrette, atemlos, verstört.
Blick für die Erfordernisse der Bühne hat und dazu
bereitet die trübe Stimmun
Auf seine Vorwürfe antwortet sie verlegen, kann ihre Ver¬
auch über alle Ausdrucksmittel des Orchesters gebietet.
beweglich seufzt und schluch
wirrung nicht verbergen. Sie sucht ihn zu besänftigen,
Dohnanyis „Pierrette“=Musik hat den doppelten Vorzug,
losen Pierrot und es kichert
schmeichelt ihm ein Tänzchen ab. Da schreitet, nur für sie
geistreich und dramatisch zugleich zu sein. Daß die Erfin¬
quartett in das Zimmer
sichtbar, das Gespenst Pierrots durch den Saal. Sie zeigt
dung zuweilen aus abgeleiteten Quellen fließt, sei immerhin
improvisiert. Bei reizender W
entsetzt auf die Erscheinung, die in nichts zerfließt. Und
angemerkt. Reminiszenzenjäger werden hier auf Wagner
Rhythmen wiegt. Eine Va
wieder taucht das Gespenst beim Buffet auf, kredenzt ihr
und Goldmark, dort auf Liszt und Johann Strauß denten,
Betonung der Wiener Not
ein Glas Wein. Pierrette taumelt zurück, will sich mit
mögen noch anderes herauswittern, das so ungefähr „in
Dreivierteltakt dreht. Ausde
dem Brautschleier das Gesicht verhüllen. Der Schleier
der Luft liegt“ Aber Dohnänyi zeigt auch hier eine so
die Wiederbegegnung des
fehlt. Arlecchino wird wieder von rasender Eifersucht
starke persönliche Note, daß solche fremde Einflüsse nie die
mit einer schmachtenden Kan
erfaßt, verlangt, daß Pierrette den Schleier hole.
Oberhand gewinnen, höchstens nur wie eingewirkte Fäden
armungen zu zärtlicher D
Da erscheint noch einmal der tote Pierrot und winkt mit
erscheinen in dem farbigen Gewebe seiner Musik. Man
aufregenden Vergiftungsszen
dem Schleier. Sie will ihn erhaschen, das Gespenst ent¬
nannte die Tanzpoëme von Leo Delibes „Sinfonische
fen dramatischen Anlauf,
schwindet, sie eilt ihm nach, Arlecchino dicht hinter ihr. So
Ballette“. Mit größerer Berechtigung kann man sagen,
düsteren und geell aufblitzen
gelangt das Paar in die Wohnung des Malers. Der
daß Dohnänyi eine sinfonische Pantomime geschrieben hat.
stürzenden Braut wütend d
Schleier liegt auf dem Boden und daneben die Leiche
Diese Musik steckt voll feiner, geistreicher, oft witziger
Walzerpotpourri besorgt al
Pierrots. Arlecchino errät nun, was vorgefallen und er
Kontrapunktik, die jede trockene Gelehrsamkeit aus dem
gang zum Hochzeitsball. D
nimmt furchtbare Rache. Er setzt den Leichnam auf den
Spiele läßt, den Reiz des rein Musikalischen mit den
meierzeit um einige Jahrzeh
Divan, trinkt ihm höflich zu, umarmt dann höhnisch die
Zwecken der Charakteristik vereinigt. Sie steht auch zumeist der Sohn, hat hier das erst
Braut, geht unter galanten Verbeugungen hinaus und sperrt
in engem Zusammenhang mit einer ganzen Reihe fest= also voriges Jahrhundert,
die Türe hinter sich zu. Pierrette rüttelt verzweifelt am
stehender Themen und Motive. Ueber die Pantomime ist
vorgeschritten ist und au
Schlosse, rennt in gräßlicher Todesangst durch das Zimmer,
im Wagnerschen Sinne ein Netz von Leitmotiven gespannt,
Anachronismus entschädigt
sucht vergebens einen Ausgang. Plötzlich verzerren sich ihre
die sich kunstvoll kreuzen, durcheinander schlingen, in den
fesche Ton und die g
Züge, sie umtanzt die Leiche, immer toller, bis zu rasendem
verschiedensten Umgestaltungen auftauchen, von bunten
Die graziös=steife Gavotte b
Wirbel und sinkt endlich entseelt zu Boden. Draußen poltern
instrumentalen Lichtern umspielt werden. Der Musiker und
hübsch verzopfte, am Schluss
die Kameraden an der versperrten Türe, brechen sie ein,
der Bühnenmensch verbinden sich hier zu dem gemein¬
Menuett, zu dem sich die G
tänzeln in das G mach und stoßen entsetzt auf die beiden samen Ziele: zür möglichst getreuen Schilderung der
Braut entschließt, erinnern
Toten.
Szene, der dramatischen Aktion, der seelischen Voraänge. ordnuna. Wenn die Musikan
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