II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 81

Kunst. Mit dem „Schleier der Pieret¬
te“ ist unser berühmter Landsmann
zum erstenmale als Bühnenkomponist
vor die Oeffentlichkeit getreten. Er
hat damit an der Dresdener Hofoper
einen großen und verdienten Erfolg
errungen. Als Symphoniker, Klavier¬
und Kammermusik=Komponist besaß
Dohnänyi schon vorher einen Weltruf.
Das erfreulichste an seinen Werken ist,
daß sich in ihnen sowohl in der Erfin¬
dung, als auch in rhythmischer und har¬
monischer Hinsicht eine selbständige
Persönlichkeit ausspricht.
Schnitzler
hat begreiflicherweise nichts dagegen,
daß die Musiker an seine Werke heran¬
treten. Zuerst kam Ladislaus Toldy,
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der aus Schnitzlers „Grünem Kakadn“
ein Musikdrama gestaltete. Wahr¬
scheinlich ist die schwere Ausführbar¬
keit daran schuld, daß bis jetzt unsere
Oper das Werk nicht zur Aufführung
gebracht hat. Dann kam Oskar
Strauß, der aus dem „Tapferen
Cassian“ eine banale Operette kompo¬
nirte. Jetzt komponirt der Frankfurter
Opernkapellmeister Neumann aus
der „Liebelei“ eine Oper, die in Dres¬
den bereits zur Aufführung angenom¬
men wurde.
Mit seinem fünfaktigen Drama „Der
Schleier der Beatrice“ hatte. Schnitzler
in Berlin wenig Erfolg, in Wien lehn¬
te Schlenther das Stück rundweg ab.
Aus dem Schauspiel wurde nun eine
Pantomine. Die Handlung ist aus der
Renaissancezeit in die Wiener Bieder¬
meierzeit verlegt worden und die
Hauptpersonen wurden in Pierrot,
Picrette und Arlechino verwandelt.
Zwei Akte des Originalwerkes wurden
einfach amputirt. Die Handlung
nimmt folgenden Verlauf:
Von ihrer Hochzeit mit dem finste¬
ren Arlechino flieht Pierette, ange¬
than mit Schleier und Kranz zu ihrem
geliebten Pierrot, mit dem sie ge¬
meinsam sterben will, da das Leben sie
trennen will. So feiern sie denn in
einem letzten Beisammensein den Ab¬
schied vom Leben. Ein Gifttrank soll
sie gemeinsam auf den Weg bringen,
von dem es keine Rückkehr gibt. Pier¬
rot geht mit dem
„guten“ Beispiel
voran, leert den Giftbecher und —
sinkt todt zu Boden.
Pierette jedoch
kann sich zu dem todtbringenden
Trunk nicht entschließen und eilt, als
sie den todten Pierrot sieht, schaudernd
zum Feste zurück, wo sie vermißt wur¬
de. Arlechino, der mißtrauische Bräu¬
tigam, entdeckt alsbald, daß seine
Braut ohne Schleier zurückgekehrt ist.
Pierette aber wird von phantastischen
Schreckbildern gepeitscht, und glaubt,
überall den Schatten des todten Gelieb¬
ten zu sehen. Sie verliert die Herr¬
schaft über ihre Sinne und eilt, halb
bewußtlos, dem Bilde ihrer Phantasie
nach. Arlechino folgt ihr. Und nun be¬
ginnt die grausamste, erschütterndste
Szene der Pantomime. Arlechino fin¬
det in Pierrots Wohnung den Schleier
der Pierrette und den todten Pierrot.
In Raserei beginnt er ein teuflisches
Spiel. Er zwingt Pierrette daran
theilzunehmen. Den Leichnam Pier¬
rots setzt er aufrecht an den Tisch.
trinkt ihm hohnlachend zu und
endet
sein teuflisches Rachewerk damit, daß
er Pierette mit dem todten Pierrot
einschließt. Pierette wird wahnsinnig
und bricht in einem Wahnsinnstanz
zusammen.
Die Musik Dohnanyis kann als ge¬
lungener Versuch, sich die Opernbühne
zu erobern, betrachtet werden. Wenn

dritten Bilde nach, der Todtentanz der
Pierette ist im Verhältniß zur tragi¬
schen Situation zu harmlos ausgefal¬
len.
Der Aufführung der Pantomime
stellen sich Hindernisse entgegen, denen
unsere Oper nicht gewachsen ist. Bal¬
letmeister Guerra hatte sich in der
Rolle des Arlechino allerdings als
ausgezeichneter Mimiker entpuppt.
Pierot und Pierette waren aber leider
tief unter diesem Niveau. Und die
heutige Aufführung wird den Beweis
für unsere Ansicht bringen, daß es bes¬
ser ist, auf die Aufführung zu verzich¬
ten, als die Rolle der Pierette nicht
mit einer allerersten Mimikerin zu be¬
setzen. Das erfreulichste an der Auf¬
führung ist das Orchester unter Ka¬
pellmeister Szikla's Leitung.
Das Werk hat eine Spieldauer von
anderthalb Stunden; nach der Panto¬
mime kommt Massenets „Navarraise¬
rin“ mit Frau Krammer in der #
Titelrolle zur Aufführung.
Telephon 12.801.

„OBSERVER“
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in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenaagabe ohne. Gewühr).
∆ Nap, Budapest
Ausschnitt aus:
vem:
— MAl 1910
SZINHAZ, MÖVESZET

Suhe
Gelndes Pierrette fätyola. Isten tudja, hogyan
Jutott eszébe a magyar Operänak Dohnänyi mü¬
vének elöadäsa? Hisz cz a mimodräma egy valö¬
gos zenemü, egy igazi komponistänak, söt egy is¬
tenadta nagy talentumnak gyönyörü munkäja! A
hatalmas lendületil, s mégis a legegyszerübh esz¬
közökkel dolgozó Dohnänyi az az ember, akinek
ki kellett mennie Magyarorszägböl, mert itt ze¬
nei egyeduralmat Mihalovics Odön gyakorolt.
Elment s most zsenialitäsa diesöségenck esak a
foszlsnyai jutnak a mi szämunkra. Erjük be vele.
A Pierrette elsö szinpadli müre Dohnänyinak, de
mär a szinpadi zene csaknem tökéletes müvészé¬
nek alkotäsa. Oszinte, becsületes, söt helyen¬
kent az egészen nagy muzsikusra vallöan banälis
% a muzsika. Semmi erölködes, semmi hafszo¬
läsa az ujdonsägnak ninesen benne. Kodälyék
szämära az a lesujtó tanulsäg foglaltatik benne,
hogy egy nagy ujmagvar zeneszerzö olyan zcnét
r, amely téngleg zenének hangzik.
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