II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 192


burg, Toronto.
(Ouelienangabe ohne Gewähr.)
[Operette zu liefern, eines Einaliers, dessen Komponst eist nach
Fertigstellung des Buches bestimmt werden sollte. Leider blieb diese
Ausschnitt aus,
Schnitzlei=Operette ungeschrieben. Der Tichter suchte und suchte; er fand
17. SEP 1911
Tamdenblatt
etwas, begann den Stoff zu gestalten — aber er zerfloß ihm wieder
vom:
zwischen den Fingern. Kurzum, Schnitzler erklärte schließlich der Direktion
des Theaters an der Wien, aus seiner Altwiener Operette könne nichts
werden, denn er finde kein passendes Sujet.
So fiel der ganze Schnitzler=Girardi=Abend —
Aus der Theaterwelt.
welch' interessante wienerische Mischung — den die Direktoren des
Theaters an der Wien schon so schön auf dem Popier zusammengestellt
(Zur bevorstehenden Erstaufführung von Schnitzler=Dohnanys
Pantomime „Der Schleier der Pierrette“ im Hofopern¬
hatten, in den Brunnen. Dohnany umschwebte auf den Flügeln seines
theater. — Warum Alexander Girardi in dieser Pantomime nicht
Klaviers ganz Europa und schob seine kompositorische Arbeit immer
aufgetreten ist. — Das schnelle Dresden und das langsame Wien. —
wieder hinaus. Herr v. Zemlinsky hinwieder konnte sich mit dem Buch
Reminiszenzen an Weingartner. — Eine ileine Einführung in die
„Der tapfere Kassian“ auch nicht befreunden. Und so fiel die Aufgabe,
Grusligkeiten des „Schleier der Pierrette“.)
diese satirische Operette zu komponieren, an Oskar Straus, der sie
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Wie merkwürdig doch die Schicksale der Pantomimenbücher sind!
auch mit der ihm eigenen Energie in kurzer Zeit durchführte. Das Werk
Viel interessanter als die der gewöhnlichen Bücher, von denen schon der
ist bekanntlich von Weingartner für das Hofoperntheater erworben
Spruch des alten Römers handelt. In einigen Tagen — am lommenden
worden. Freilich ist das auch schon wieder zwei Jahre her. Was nun damit
Mittwoch, dem ersten Auftreten Carusos bei seinem diesjährigen Gast¬
geschehen wird? Nichts gewisses weiß man nicht ...
spiel — wird im Hofoperntheater die Pantomime „Der
Von der Pantomime „Der Schleier der Pierrette“ war es aber in
Schleier der Pierrette", Buch von Artur Schnitzler,
jenen Jahren so lange stille geblieben, daß ihr eigener Vater, Artur
Musik von Ernst v. Dohnany, zum ersten Male in
Schnitzler, schon ihrer vergessen hatte. Es hätte ja auch wenig Zweck
Daran wird niemand etwas Verwunderliches finden. Ein Dichler vom
gehabt, an sie zu denken. Girardi war längst aus dem Theater an der
Range Schnitzlers, der isich mit einem Künstler von der musilglischen
Wien geschieden, umschmeichelt von der Wiener Operette, die wieder ihr
Vornehmheit Dohnanys zu einem „dramatischen Werk ohne Wbite“.
Haupt siegreich erhoben hatte — der Künstler dachte gewiß nicht mehr
verbindet, wie es das vorliegende ist — warum sollen sich ihm nicht
an das verzerrte Antlitz Pierrots und an dessen geisterhafte Spazier¬
sofort die Tore des Hofoperntheaters angelweit öffnen, um aufzu¬
gänge, die ihre Puderspuren zurücklassen. ... Da fuhr eines Abends ein
nehmen, was dem Publikum schon vermöge der Namen der
„fremder Herr“ vor der Villa Schnitzler vor, der bat, dem „Herrn
Schöpfer als eine nicht gewöhnliche Darbietung erscheinen würde?
etwas auf dem Klavier vorspielen zu dürsen". Der Hausherr tritt ins
Und doch: Es hat Jahre gedauext, bis die Dichtung Ein¬
Vorzimmer und erblickt Dobnany, der sich endlich doch zu der Arbeit
gang in die Operngasse gefunden hat. Zunächst hatte die
entschlossen und sie fertiggestellt hatte.
gute Sache deshalb so viel Weile gebraucht, weil sie gar nicht für das
Der Komponist spielte seinem Librettisten die Hauptszenen vor —
Hofinstitut bestimmt war, sondern für ein böses Konkurrenztheater. Die
und dieser war entzückt und dankte vielmals. Und die beiden Autoren
erste männliche Hauptpartie der Novität, der Pierrot, der so tragisch ist,
brschlossen, das Werk möglichst bald an einer Opernbühne unterzu¬
wie es in der commedia dell' arte vielleicht noch; gar nicht dagewesen
bringen. Schnitzler hatte, wie schon erwähnt, Dohnanyi persönlich nicht
(obgleich sich der Mann gerade in den letzten Jahren oft das Leben ge¬
gekannt, ehe er mit ihm durch die erwähnte Pantomime in Beziehung
nommen hat), der Pierrot, den in der Hofopernpremiere am 20. d. M.
getreten war. Aber der Dichter hatte ihn als -Musiker schätzen gelernt.
Herr Czadill spielen wird, er war ursprünglich dazu bestimmt,
Nicht nur als Pianisten, sondern auch als Symphoniker. Und Artur
Alexander Girardi vor eine neue große schauspielerische Aufzabe zu
Schnitzter kann auf sein Urteil in solchen Dingen einigermaßen ver¬
stellen, wie er selbst sie sich gewünscht hat! Girardi freute sich darauf
trauen. Denn er ist Musiker durch und durch und verdankt diesem seinem
wie ein Anfänger, der die erste lobende Kritik schwarz auf weiß gedruckt
Können die größten Freuden des Genießens.
vor sich sieht. Er wollte jenen unglücklichen, verlassenen Pierrot spielen,
Durch das Urteil Schnitzlers ermutigt, glaubte nun Dohnany, das
daß allen Leuten die Tränen aus den Augen rollen, daß es ihnen —
Werk leicht am Hosopernthealer placieren zu können. Verband ihn doch
wenn der Tote fast durch zwei Akte als strafendes Gespenst die Bahnen
langjährige Freundschaft mit dem alten pianistischen Kollegen Felix von
der flatterhaften, leichtsinnigen Pierrette kreuzt, kalt über den Rücken
Weingartner. Allein — so liebenswärdig der verflossene Direktor unserer
läuft.
Hofoper im amtlichen und außeramtlichen Verkehr mit Sängern und
Doch es ist nichts draus geworden aus dem schönen Plane. Wie
Sängerinnen, und mit den vielen wirklichen und vermeintlichen Inter¬
denn überhaupt der Großteil alles Schönen, Großen, Sensationellen,
essenten war, die auf solch einen armen Operndirektor einstürmen, so
das in den Tbeaterkanzleien in Stunden einer besseren, zum Höheren
charmant er Ja zu sagen wußte: Bei der Annahme von Werken kam das
strebenden Eingebung geplant wird, auf dem Papier eintrocknet und in
vielsagende Wörtchen nur schwer von seinen Lippen! Es dauerte näm¬
der Schreibtischlade vermodert. An welcher Stätte Girardi den beklagens¬
lich immer so lange, ehe sich der Direktor zum Klavier setzte, um die
werten Pierrot hätte spielen sollen? Im Theater an der Wien.
neuen Sachen, die ihm da zuströmten, durchzuspielen oder wenigstens
Denn der Direktor dieser Bühne, Wilhelm Karczag, ist sozusagen der
abzulesen. Man wird meinen, die Komponisten hätten es dem Direktor
Urheber, der Anreger der nächsten Hofopernpremière gewesen.
leichter machen können, indem sie ihm ihre eingereichten Opern oder
Es sind schon Jahre her. Damals fuhren Karczag und sein
Ballette selbst vorspielen. Aber dazu gebören doch zwei, drei Stunden
Kollege Wallner vor der Villa Schnitzlers im Döblinger Kottageviertel
vielleicht ein halber Tag. Und diese Zeit muß man doch bewilligt
vor, umsihm eine neue Idee vorzutragen., Die Direktion des Theaters an
erhalten. Und dann hatte Direktor Weinzarlner für Komponisten —
der Wien wollte damals — es war in der Zeit vor Lehar, Fall und
selbst für solche, die so ausgezeichnet spielen wie der Konzertlöwe Ernst
Straus — etwas tun, was dringend nötig war, um das Interesse des
v. Dohnany — eine stereotype Antwort, die nur darum nie beleidigte,
Publikums an der Operette wieder zu heben. Zunächst sollte das Genre
weil sie der Direktor so schelmenhaft, so unschuldig schmunzelnd von
der Operette selbst wieder auf eine Höhe gebracht werden, die an ver¬
den Lippen zu bringen wußte. Herr v. Weingartner pflegte nämlich
gangene große Zeiten anknüpft. Und da stieg die Idee auf, einen
„vorspielen=wollenden Komponisten“ oder deren fürsprechenden Freunden
Dichter wie Schnitzler der leichten Muse zu gewinnen — natürlich nur
die Antwort zu geben: „Einige Leute, zu denen ich Vertrauen habe,
vorübergehend, denn auf ein „dauerndes Verhältnis“ hätte sich der ernste
sagen mir, ich könne leidlich Klavoor spieen. Wenigstens hab' ich es
Mann gewiß nicht eingelassen. Direktor Karczag wollte zunächt für
gelernt. Also — glauben Sie mir — ich brauch' keinen Vorspieler!“
Girardi einige neue, seine schauspielerische Kraft und Vielseitigkeit
So hätte sich die Sache vielleicht noch Jahre hingezogen, hätte sich
förmlich aufpeitschende Aufgaben gewinnen; denn er war und
der Komponist der Pantomime nach einer ergebnislosen Wiener Kon¬
ist — gleich vielen Kennern dieses Künstlers
der Ansicht,
ferenz, die er mit hiesigen Freunden gehalten, nicht entschlossen, nach
daß Girardi immer noch mehr kann, als man von ihm
Dresden zu Herrn v. Sthuth zu fahren. Er kam hin, spielte dem
weiß und gesehen hat. Das alles trug der Direktor dem Dichter vor
Generalmusildirektor vor, lund schon am nächsten Tage konnte Dohnanyi
und Artur Schnitzler antwortete, er werde sich die Sache ernstlich
seinen Wiener Freunden telegraphieren: „Schleier der Pierrette von der
überlegen. Und er kramte unter seinen alten Entwürfen und fand bald,
Dresdner königlichen Oper angenommen!" Das war eine prompte
was er gesucht. Drei einaktige Werle Artur Schnitzlers sollten den
Erledigung! Nachdem das Werk von einer so geschätzten Bühne ange¬
Rahmen eines Abends bilden, der wohl nicht ohne Einfluß auf die
nommen war, öffneten sich ihm bald auch (die anderen großen Hof¬
Gestaltung des Kunstlebens an den Wiener Vorstadtbühnen geblieben
theater, und Wien ließ nicht mehr lange auf sich warten. Das heißt:
wäre. Schnitzler sandte zunächst das Buch der Pantomime „Der
Direktor v. Weingartner spielle das Werk in einem Zug durch und
Schleier der Pierrette", für deren Komposition auf seinen Wunsch der
nahm es an.
ihm damals persönlich noch unbekannte Dohnanyi gewonnen werden
Wie man wissen dürfte, ist die Pantomime „Der Schleier der
sollte; ferner lieferte der Dichter das Buch des „Tapieren Kassian",
Pierrette“ stofflich innig mit dem Drama Schnitzlers „Der Schleier der
das Alexander v. Zemlinsky zur Vertonung übergeben wurde, und
Beatrice" verwandt. Es ist dies jenes Drama, das seinerzeit vom
schließlich verwilichtete sch der Dichter. das Buch einer Altwieven! Direktor Dr. Schlentber für das Buratbeater angenommen und — nicht