II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 194

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23. Der Schleien der bierrette
— uerthr.)
Ausschnitt aus:
zer Tagblatt, Graz
1911 Apenabiatt.
vom:
1 — —

gonnen, nur die Braut fehlt. Den ungeduldigen Tätigkeit als Mittler fremder Schöpfungen auch
Wiener Hofoperntheater.
Bräutigam beschwichtigt man mit der Auskunft, die Ausdrucksweise jener Tonsetzer übernommen zu
daß Pierette noch mit dem Ankleiden beschäftigt haben, deren Werke er anderen vorführte. Darum
VDer Schleier der Pierette.“
sei. Schließlich durchsucht man das Haus, man findet
glaubt man aus der Musik bald Wagner, bald
Wien, 20. Septemher.
sie nicht. Arlechino tobt. Da erscheint Pierette, ihr
Gluck, dann wieder Lanner oder Strauß heraus¬
Die Pantomime ist in den letzten Jahren immer
Spätkommen mit Ausflüchten bemäntelnd. Sie
zuhören, und wiederholt fühlt man sich versucht,
mehr von den deutschen Bühnen verdrängt worden
zwingt sich, sorglos zu erscheinen, und tanzt mit
bestimmte Werke und kennzeichnende Tonbildungen
und wurde nur mehr als Bindeglied der Handlung
Arlechino. Plötzlich verfinstert sich der Saal, Pierrot
großer Meister zu erkennen. Auch die Instrumen¬
bei Balletten verwendet. Hie und da noch bei einem
erscheint und mahnt dadurch Pierette an den ge¬
tierung läßt viel zu wünschen übrig. Die Musik
Festspiel, aber nie als dramatisches Ganzes für sich.
brochenen Schwur. Niemand hat etwas davon be¬
läßt kühl, und menn auch vielleicht der Walzer des
Direktor Gregor hat heute eine Pantomime
merkt. Pierette bricht schreckerfüllt zusammen. Nun
zweiten Aktes hie und da gespielt werden sollte, so
herausgebracht, der es — soweit der Dichter der
entdeckt Arlechino, daß ihr der Schleier fehlt, den
ist wenig Aussicht vorhanden, daß die Vertonung
Handlung, Artur Schnitzler, in Betracht kommt
sie beim Zusammensein mit Pierrot in dessen Woh¬
der Pantomime in weiteren Kreisen Pflege und
an Lebendigkeit und packender Entwicklung nicht
nung verloren hat. Sie weicht den an sie gestellten
Verbreitung finden könnte.
fehlt. Pierette soll über Wunsch ihrer Eltern den
Fragen aus, Arlechino fragt immer dringender
Was nun die Darstellung anbelangt, so muß
reichen Arlechino heiraten; sie liebt aber Pierrot,
nach dem Verbleib des Schleiers — da erscheint
anerkannt werden, daß die Hauptrolle an Fräulein
und während sich im Elternhause die Hochzeitsgäste
nochmals, nur von Pierette gesehen, der tote
Jamrich große Anforderungen stellt, denen sie
versammeln, erscheint sie bei ihrem Gekebten, um
Pierrot, und in seinem Banne stehend, führt aber nicht ganz gewachsen ist. Ihre Gebärdensprache
von ihm Abschied zu nehmen. In seiner Gegenwart
Pierette Arlechino an den Ort, wo sie ihren erschöpft sich in den herkömmlichen Stellungen und
erscheint es ihr unmöglich, dem ungeliebten Manne
Schleier der Liebe opferte. Arlechino sieht sich be¬
Bewegungen der alten Ballettschule, und dort, wo die
die Hand zu reichen, und als Ausweg aus der
trogen und nimmt auf fürchterliche Weise Rache.
persönliche Note vorschlägt, setzt die Mimik in so
Lebensverwicklung dünkt ihnen der gemeinsame Tod
Er setzt den Leichnam des Nebenbuhlers an den¬
hochgespanntem Ausdrucke ein, daß die von der
als letztes Mittel, als der Erlöser. Freudig hilft selben Tisch, an dem Pierette zuvor mit dem leben¬
Handlung verlangte Steigerungsfähigkeit des
Pierette an den Vorbereitungen zum Sterben mitz den Geliebten gesessen ist, und zwingt sie, dem
Empfindens nicht veranschaulicht werden kann. Der
als sie aber in der traurig=süßen Stunde des Ab= Toten zuzutrinken; dann schließt er sie mit dem
Zuschauer wird nicht gepackt und ermüdet. Im
schirdnehmens aus den Küssen Pierrots die Liebe
Leichnam ein und überläßt sie ihrer Verzweiflung
Ausdruck und im Spiel gebührt den Herren Cza¬
kennen lernt und dadurch des Verzichtes auf die und der Angst. Sie versucht, aus dem Kerker zu
dill (Pierrot) und Godlewski (Arlechino)
Lebensfreude gemahnt wird, schreckt sie vor dem entrinnen, und als dies nicht gelingt, bricht sie
vollste Anerkennung. Sehr anmutend waren die
Tode zurück. Pierrot jedoch hat den Giftbecher ge¬
nach einem Wahnsinnsausbruche zu Fußen der
Paare Dubois, Rathner, Peterka und
leert, und als er die Geliebte unentschieden sieht,
Leiche nieder.
Wopalensky. Eine hübsche Figur zeichnete auch
zerschmettert er den Glaspokal, der den für sie be¬
Einem Tondichter, der aus dem Vollen schöpft,
Herr van Hamme (Gigolo). Ausstattung und
stimmten Teil des Giftes enthält. Dann stirbt er,
hätte diese Handlung Gelegenheit genug zu einer
Regie sind der Überlieferung des Opernhauses ent¬
und nun kann Pierette, trotzdem sie jetzt dazu ent¬
großen Schöpfung gegeben. Herrn Ernst Doh¬
sprechend und rechtfertigen den guten Ruf, den
schlossen ist, ihm nicht mehr in den Tod folgen. nanyi fehlt es jedoch an Gestaltungskraft und an
Direktor Gregor auf diesem Gebiete genießt.
Inzwischen hat in ihrem Elternhause das Fest be= Gefühlsausdruck. Er scheint in seiner bisherigen