II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 247

box 28/1
23. Der Schleien der Pierrette


den Gisttrank zu leeren. Sie entflieht der Behausung des gänge inne und gerade da
Vom Stadttheater.
Todes. Der eifersüchtige Arlechino, Pierrettens Bräu= über die Dichtung hinaus
neue Wege einer hysterisch
Ma
tigam, bemerkt den Abgang seiner Braut aus der Gesell¬
— Schnitzler=Feier. 677
einzuschlagen, wird ein
¾
schaft. Er wittert Betrug, er rast, er tobt. Da kommt
Gesamtkunstwerkes, einge
10 (Gastspiel Elsa Galäfnes.)
Pierrette zurück. Auf ihrem Antlitz malt sich der Schrecken
lung löst sich immer wied
des Todes aber sie zwingt die Lippen freundlichem
Die offizielle Spielzeit unseres Stadttheaters hat ge¬
Tanz auf. Zwei charakte
Lächeln. Ihr Verrat wird entlarvt. Sie hat den Braut¬
dern mit der Feier für einen österreichischen Dichter,
ners, ein Menuett und
schleier in Pierrots Gemach vergessen. Das gefolterte Ge¬
Arthur Schnitzler, geendet. Und dieser feierliche Ab¬
Rudimenten zerbrochener
wissen stellt ihr die Erscheinung des toten Pierrot vor
sschluß hat trotz mancher Dürftigkeit, die sich immer wieder
Augen, dem sie die Treue in den Tod geschworen. Un= ponisten alle Ehzre. Aber
vorzudrängen suchte, mit manchen schweren Unterlassungen
von großer Erfindungsga
ter dem Banne der Erscheinung führt sie ihren Bräutigam
und künstlerischen Verirrungen versöhnt. Es war ehrliche
Um das Prinzip des
nach dem Gemach, wo sie ihren Schleier der Liebe opferte.
Arbeit, die da geleistet wurde und man sah es wohl der
mußte auch die szenische
Der eifersüchtige Bräutigam erkennt sofort den Betrug
Vorstellung an, daß viel Fleiß aber auch künstlerische Be¬
Künstlerschaft tragen. Es
und nimmt schreckliche Rache. Er schleppt die Leiche Pier¬
geisterung und noch mehr guter Wille auf sie verwendet
tomime zum größten Lo#
rots zum Tische und zwingt Pierrette neben dem Toten
wurde.
sprache nicht der althergeh
Den Höhepunkt des Programmes bildete die Panto= zu sitzen und ihm zuzutrinken, ganz so wie sie es früher
mimik folgten, sondern d
mime in drei Bildern von Athur Schnitzler „Der dem Lebenden getan. Er weidet sich an dem Grauen und
mittelbaren Anschauung
Schleier der Pierrette.“ Ein neuer Schnitzler, ein Entsetzen, das sich in den Augen des Weibes angesichts
des toten Geliebten spiegelt. Dann schließt er sie mit dem liefen. Künstlerisch durchb
Schnitzler ohne Worte! Aber sieht man genauer hin, dann
Toten ein und überläßt sie der tobenden Verzweiflung.[Galafres. In ihren Bes
klingt auch durch dieses stumme Spiel das Schnitzleri¬
Pierrette schlägt gegen die Mauern ihres Kerkers, das bestrickende Anmut. Nirgen
sche Leitmotive, das Spielen mit dem Todesgedanken.
wegung zu viel und doch
Diesem Totentanz ist ein Wiener Milien untermalt, ein Grauen steigert sich zum Wahnsinn, sie wirbelt wie toll im
Durchsichtigkeit, daß man
echt Schnitzlerischer Gedanke, eine Anatolidee zu Grunde Tanze vor dem Geliebten, bis sie entseelt zu seinen
verzichten konnte. Als be
gelegt: Die Braut stiehlt sich vom Hochzeitsfeste weg zu Füßen niedersinkt. — Ernst von Dohnanyi hat Schnitz¬
ihrem Spiele bleibt der
ihrem Geliebten. Sie will lieber mit ihrem Geliebtenlers stumme Worte mit phantasievoller Gestaltungskraft
sterben, als dem ungeliebten Manne die Hand reichen und vielem Gefühlsausdruck illustriert. Seiner Musikjähe Schreck über die Ersch
Pierrot nimmt Gift, doch Pierrette findet nicht den Mut, wohnt eine große Anschmiegsamkeit an die Bühnenvor lich der von Grauen über
4
1