II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 259

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23. Der Schleiender Bierrette
Augseaniauf
AERNTNGRNIA PERLIN
vom:
I1.
Se
Also ohne Träuenvergießen weiter. Vom lanweiligen
zum unterhaltenden Dohnanyi. Doch da müssen wir erst
Cheater und Konzerte
an einem Herrn vorbei, der dem unterhaltenden Doh¬
Deutsches Opernhaus.
nänyi die wirksamen Redewendungen und Pointen eifrig
zuflüstert. Arthur Schnitzler ist es, der Autor der
„Tante Simona.“ Spieloper in einem Alt von
Pantomime „Der Schleier der Pierrette“ eines
Viktor Heindel. Musik von Ernst von Doh¬
ziemlich robuste Wirkungen ausspielenden, filmstarken
nanyi. Erstaufführung. Hierauf: „Der Schleier
„Taubstummen=Dramas“. So etwa kommen mir musi¬
der Pierrette.“ Pantomime in drei Bildern von
talische Pantomimen immer vor. Pierrette entflieht
Arthur Schnitzler. Musik von Ernst von
ihrem Elternhaus am Hochzeitsabend, um mit Pierrot zu
Tohnany
Er leert den Giftkelch, während sie solange
sterben.
Der Abend begann mit einer gewaltigen Enttäuschung,
zandert, bis Pierrot tot zu Boden stürzt. Vor Entsetzen
um mit einem lebhaften Erfolg zu enden. Diese Tante
entfällt ihrer Hand das Glas; der vergiftete Wein ver¬
Simona! Nein, wie langweilig, wie kindlich naiv
rinnt. Pierrette muß leben bleiben. Das Grauen jagt
war ihre Geschichte, und wie großspurig erzählte sie alle
sie wieder nachhause. Dort wurde sie schon von ihrem
die nichtigen Einzelheiten derselben. Mit Pauten, Trom¬
mißtrauischen Bräutigam, ihren Eltern und von der gan¬
peten und Posaunen im wahrsten Sinne des Wortes
zen Hochzeitsgesellschaft vermißt.= Arlechino, der Bräu¬
tam schließlich ihr verspäteter, eigentlich besser: abgestan¬
tigam, hat den fröhlichen Tanz der Gäste mit seinen Wut¬
dener Liebesroman zur Geltung. Und wegen dieser un¬
ausbrüchen über das Ausbleiben der Braut gestört. Schon
endlich simplen Begebenheit aus der Rokokozeit eine
will er davonstürzen, da betritt Pierrette lächelnd den
Oper? Und zu dieser noch eine Ouvertüre? Ernst von
Saal. Ihre Schmeicheleien und Ausflüchte bleiben bei
Dohnanyi irrte sehr, wenn er diesem Textbuch eine be¬
Arlechino ohne Wirkung. Der fehlende Brautschleier, so¬
sondere Bühnenwirkung zuschrieb. Selbst ein Wolf¬
wie das verstörte Wesen seiner Braut, der der tote Lieb¬
Ferrari könnte diese Limonade nicht in moussierenden
haber erscheint, bestärken seinen Verdacht. Mit ihr folgt
Schaumwein verwandeln. Aber Ernst von Dohnanyi
er dem Phautom bis in das stille Zimmer mit Pierrots
war auch diesmal über seine Fähigkeiten sehr bedauerlich
Schnell hat Arlechino den Zusammenhang be¬
Leiche.
im unklaren. Eine Spieloper! Stellt man sich im vor¬
griffen. Eine furchtbare Rache will er an seiner Braut
aus etwas anderes vor, als eine leichte, dahinfließende,
nehmen. Er schleppt den toten Pierrot auf einen Sessel,
quecksilberige Musik? In der Ouvertüre quackerten die
trinkt ihm zu und zwingt Pierrette zu Liebkosungen.
Holzbläser ganz nett, dann gab es irgendwo einmal einen
Dann stürzt er davon und verriegelt die Tür. Allein mit
operettenhaften 3/=Takt. Alles übrige Don Quixoterien!
dem Toten, steigert sich die grausige Erregung Pierrettes
Das Blech pustete gewaltig, wo es nicht angebracht war.
zum Wahnsinn. Schließlich sinkt sie tot an Pierrots
Die Windmühlenflügel des Orchesters fegten auch noch
Leiche zusammen. Hereindringende Freunde Pierrots
die wenigen Hälmchen von erbaulichen Möglichkeiten
stehen entsetzt vor dem furchtbaren Schauspiel.
glatt hinweg. Verblieb ein imponierendes Plus von Ge¬
An faszinierender Bühnendramatik, wenn auch jener,
schmacksverirrung. Für die Zuhörer war die Sache
die ihre Wirkungen aus graulichen Sensationseffekten
peinlich. Man gähnte wohl oder übel und machte nach
schöpft, ist Arthur Schnitzlers Pantomime überreich. Zum
dem Fallen des Vorhanges seiner Freude über die Be¬
Glück für seinen literarischen Ruhm ist es eben nur eine
endigun dieser Schicksalsprüfung in gewaltigen Bei¬
Pantomime, die von diesem Uebermaß an haarsträuben¬
fallssalven Luft. Dohnanyi ist uns aber als Pianist und
den Gewaltmitteln zehrt. Und was die Prägnanz dieser
Komponist von Kammermusiken zu wertvoll, um ihm
Gewaltmittel anbelangt, so ist sie prima=prima im
diese hübsche, runde Niete besonders nachzutragen, wenn¬
Rahmen einer Pantomime. Man denke nur: Lebens¬
gleich man sich insgeheim fragen muß, warum wir sie
lust (mit einem dicken Klavierspieler am Flügel), Melan¬
erst vorgesetzt bekamen. Wer sich zwar in Charlottenburg
cholie (ein Pierrot), Liebeslust, ein üppiges Nachtmahl
auskennt, weiß, daß die Hardenbergstraße direkt auf die
(Stilleben la), feurige Küsse, vergifteter Wein, Taumel,
Bismarckstraße führt. Und — „Es führt kein anderer
bums: die erste Leiche! Angst vor der Entdeckung,
— —
Weg nach Küßnacht!“
0
nielen enenuc
Walzerstimmung, Hochzeitstänze
Klavierspieler am Flügel), erwachen
Bräutigams, die fehlende Braut, der
desette Violine, zerschlagenes Geschi
triegt eine runter), die wiedergefunde
wilder Tanz, nochmal ein Geist, d
schleier, der Tote, die Rache, der
bums: die zweite Leiche! — Summ
Schrei nach dem Kientopp! —
Für einen Komponisten eröffnet ja
geradezu glänzende Perspektive. 2
aufziehen, vom Walzer bis zum T
nanyi tat dies auch, und es läßt sich
mit ebensoviel Geschick, wie mit gut
Musik charakterisiert, unterstreicht, i
trefflich. Sie ist in der Innenarchi
orchestralen Ausgestaltung das eindr
berufenen Musikers, ungeachtet man
ungeachtet auch des manmal allzu al
Blechs. Der Walzer des zweiten Bi
stück, er wird Erfolg haben. Ueberha
hier gegebenenfalls den feinen, zierlic
„Spieloper“ mangelt.
Die Darstellung der „Tante Simor
Marck, Painter Fink, den H#
Waschmann, Kandl erbrachte
lichen Eindrücke nach der gesanglichen
Krasselt dirigierte das mißglückt
hübsch war das Bühnenbild. Viellei
nette Erinnerung an die tantenhaft
Der Schleier der Pierrett
Galafrés eine Darstellerin der
dieser Virtuosität der Ausdrucksmitt
anzutreffen ist. Vom liebesseligen K#
sinnigen Totentanz eine unvergleich
im ganzen doch wieder großzüg
Einar Linden als Pierrot ließ
übrig. Das dazu gehörige Ensemble
Edwin Heyer als Arlechino ü
schlagkräftig um die Hauptdarsteller.
wie in „Tante Simona“ von Dr. H
besorgt, offenbarte eindrucksvolle
nanyi dirigierte die Pantomime selbs
lebhaft ausbrechende Beifall rief auch
die Bühne.
E.