Kadel Puerere
10 APhie
vom:
.— Gellage.
deutsches Opernhaus.
Zum ersten Male: „Tante Simona“, Spieloper in
einem Akt von Viktor Heindel, Musik von Ernst von
Dohnänyi, und „Der Schleier der Pierrette“
Pantomime in drei Bildern von Arthur Schnitzler,
5
Musik von Dohnänyi.
Der Abend begann ziemlich langweilig, wurde dann inter¬
essanter und anregender, bis er den Hörer in jene Spannung
und Aufregung brachte, die etwa die Lektüre einer blutigen
Karnevalstragödie oder irgend ein grelles Kinodrama auslöst.
Der Auftakt zu diesem Dohnänyi=Abend, der vom Publikum
mit großem Beifall aufgenommen wurde, war recht harmlos
und unbedeutend. Die „Tante Simona“ ist eine richtige, nette
„Gartenlaube“=Novelle, ein kleines Abenteuer im Zuschnitt
der Biedermeierstückchen ohne große dramatische Affekte oder
Eindrücke. Tante bewacht ihr kleines Nichtchen vor jedem
Männerauge und muß schließlich erleben, daß sich der Gärtner
ihres Hauses als Graf Ghino und Liebhaber ihrer Pflege¬
befohlenen entpuppt. Sie selbst wird durch die unverhoffte
Wiederkehr ihres ersten Geliebten entschädigt. So gibt es
denn zwei Liebesduette und die entsprechenden glucklichen
Paare. Die Musik erhebt sich hier kaum über ein Durch¬
schnittsniveau. Hin und wieder freut man sich über einige
melodische Breiten und Höhen, auch über koloristische Fein¬
heiten, aber im ganzen erscheint diese Spieloper doch zu blaß
und veraltet. Ein ganz anderes Bild zeigt die Pantomime
„Der Schleier der Pierrette“. Textlich und musikalisch steht
sie turmhoch über dem voraufgegangenen Einakter. Schnitzler
hat hier nach einer älteren Renaissancetragödie „Der Schleier
der Beatrice“ ein wirksames Szenarium entworfen, eine
Schauermär, die in der Zeit des Kino=Theaters sicher auf eine
gute Aufnahme rechnen kann. Pierrot, ein Maler, hat seiner
geliebten Pierrette entsagt. Just an dem Tage, wo sie in einem
benachbarten Hause ihre Hochzeit mit dem ungeliebten, ihr auf¬
gezwungenen Gemahl Arlechino feiert, stiehlt sie sich im Braut¬
kleid aus dem Hochzeitshause fort und eilt zu Pierrot. Beide
beschließen aus dem Leben zu scheiden. Mutig trinkt Pierrot
das Gift und sinkt zusammen. Pierrette erschrickt. Kraftlos
entfällt ihrer Hand der Becher. Voller Angst und Schrecken
eilt sie zur Hochzeitsgesellschaft zurück, wo Arlechino arg¬
wöhnisch über das Ausbleiben der Braut alle Hochzeitsgeschenke
zertrümmert. Im ausgelassenen Tanz sucht Pierrette ihr Ge¬
wissen zu übertauben. Doch überall erscheint ihr gespenstisch
die Leiche des Selbstmörders. Arlechino sieht Pierrettes ver¬
störtes Wesen, er fragt nach ihrem im Hause Pierrots zurück¬
gelassenen Brautschleier. Geängstet eilt sie mit Arlechino zu
der Wohnung des Malers, wo der tote Pierrot bleich am
Boden liegt. Arlechino setzt die Leiche auf einen Stuhl, zwingt
Pierrette mit dem Toten anzustoßen und verläßt entsetzt die
Wohnung. Pierrette ist mit der Leiche eingeschlossen. Angst
und Schrecken machen sie wahnsinnig. Sie tanzt, schreitet und
rennt im Zimmer wild umher, bis sie tot zusammenbricht,
das Gesicht mit dem Schleier deckend. — Eine grusliche Ge¬
schichte ist's, die Schnitzler zu einer Paniomime geformt hat,
ein Stück, das einem feineren Geschmack kaum munden wird.
Aber man fühlt die geschickte Hand des Dramatikers, und so
kann man sich schließlich mit der Gestaltung des Stoffes schon
abfinden, zumal Dohnänyi eine Partitur geschaffen
hat, die überall den geborenen Musikdramatiker und einen
meisterhaften Orchesterstil erkennen läßt. Gewiß hört man
Anklänge an Wagner, Richard Strauß und andere berühmte
Vorbilder, gewiß ist das Ganze nur eine Unterstreichung
dramatischer Akzente, die nirgends eine Charakterisierung der
Handelnden verlangt, aber als Erstlingsarbeit hat die Partitur
doch unbestreitbare Werte. Wie Dohnänyi den Vorgängen auf
der Bühne mit seiner Musik folgt, wie er illustriert, wie er mit
den Blechbläsern droht und mit dem Cello von Liebesfreude
erzählt, wie er leitmotivisch entwickelt und prägnante, selb¬
ständige Motive findet, alles das ist eigen und wirkungsvoll.
Und dann bringt die Partitur als Zwischenaktsmusik einen
Tanzwalzer, wie wir ihn lange nicht gehört haben. Schwung¬
voll=Wienerisch, melodisch und graziös. Nach dieser Probe
wird man von Dohnänyi wohl noch viel erwarten dürfen. Er
Oper zu schreiben. Hoffentlich findet er bald einen geeigneten,
literarisch wertvollen Text. Die Aufführung der Pantomime
Edwin¬
war vortrefflich. Einar Linden (Pierrot),
ten ausgezeichnet und folgten jeder Wendung der Musik, ohne
durch gleichbleibende Bewegungen zu ermüden. Der musika¬
lische Einakter „Tante Simona“ gelang gesanglich weniger
gut, doch waren auch hier Ausstattung, Regie und Orchester
künstlerisch gediegen. Der anwesende Komponist, der in Berlin
als Konzertgeber und Lehrer an der Hochschule weit bekannt
ist, wurde denn auch bereits nach der Spieloper viele Male
gerufen.
G. Sch.
nitt ausiner Allgemeine - Zeitun
Berlin
4# AP
Theater, Kunstu. Wissenschaft!
Deutsches Opernhaus.
Zwei Dohnanyi=Premieren.
Das Deutsche Opernhaus hat auf alle
Fälle eine geschickte Kombination getroffen, als
es an ein und demselben Abend die beiden
Bühnenwerke Ernst von Dohnanyis, näm¬
lich die einaktige Spieloper „Tante Simona“
und die Pantomime „Der Schleier der
Pierrette“ herausbrachte. Die beiden Stücke
sind derartig weit von einander verschieden, daß
man fast den gemeinsamen Komponisten darüber
vergißt.
Die Handlung zu „Tante Simona“ ist im Stil
der älteren Spieloper geschrieben. Einfach, be¬
scheiden, biedermeierlich, aber nett und manchmal
auch ganz hübsch lustig. Ein Erholungsstück nach
der Geschmacksverirrung des „Mädchens aus dem
Goldenen Westen“. Daß die durch einen frühe¬
ren Aufsitzer anti=männlich gesonnene Tante
Simona ihr Nichtchen Beatrice nicht vor der Be¬
kanntschaft mit dem Mann bewahren kann, ist
selbstverständlich. Und doß dieser Mann, natür¬
lich ein Graf, als Gärtner verkleidet, schon in
Tante Simonas Hause weilt, gehört zu den üb¬
lichen Verwicklungen der komischen Oper schon
seit der Lortzingschen Zeit. Und daß schließlich
die Beatriee ihren Grafen kriegt, und daß Tante
Simona sogar noch den Mann (natürlich auch
ein Graf) bekommt, der sie erst verließ, gehört
durchaus zur Natur der Spieloper.
Dohnanyis Musik ist hier frisch und wirklich
heiter, nicht gerade originell (das ist sie ja bisher
überhaupt nie gewesen), aber sehr fein und deli¬
lat gearbeitet. Einige hübsche musikalische
Scherze wurden vom Publikum erkannt und be¬
lacht. Warum am Schluß dieser harmlosen Sache
ein leiser Protest eintrat, ist nicht zu verstehen.
Schwerer gibt sich Dohnanyi im „Schleier
der Pierrette“ einer pantomimischen Be¬
arbeitung von Arthur Schnitzle
Schleier der Beatrice“, die der Dichter selbst
für den Komponisten gemacht hat. Das liegt
natürlich am Stoff, der eine Tragödie in der
Familie der Pierrots zum Gegenstande hat.
Pierette soll den Harlekin heiraten. Sie liebt
aber den Pierrot. Am Hochzeitsabend geht sie
zu ihm, um Abschied zu nehmen. Er will sie
verleiten, mit ihm aus dem Leben zu scheiden,
trinkt den Gifttrank und stirbt, während Pierrette
schaudernd dabei steht und nicht den Mut findet.
ebenfalls zu trinken. In Pierettes Elternhaus
wartet die Hochzeitsgesellschaft auf sie, und
Harlekin verlangt immer heftiger nach ihr. Als
sie kommt, hat sie ihren Brautschleier nicht mehr.
Sie soll ihn holen, und Harlekin geht mit. In
Pierrots Wohnung angekommen, hält er den
Toten für betrunken, will ihn erwecken und sich
rächen. Dann, als er sieht, daß sein Rivale
schon aus dem Leben geschieden ist, setzt er ihn
in einer grausigen Positur auf das Sofa. Und
schließt Pierrette mit dem Toten zusammen ein.
Sie beginnt einen immer wilder werdenden
Wahnsinnstanz und stürzt am Ende tot zu Füßen
des dahingeschiedenen Liebsten nieder. Daß
Dohnanyi hier mit seiner Musik mehr geben
möchte, als er kann, merkt man vom ersten Takt
an. Er sucht nach bedeutsamen Motiven, findet
aber nur alltägliche Phrasen, die wohl zur Hand¬
lung passen, aber in keinerlei Weise die zu¬
sammenraffende Kraft in sich bergen, wie man sie
B. bei Stravinskys „Feuervogel“ oder gar
3.
„Petruschka“ wahrnehmen konnte. Immerhin
trifft Dohnanyi gewisse dramatische Akzente mit
guter Sicherheit und steigert seine Musik ge¬
legentlich ganz vortrefflich.
Die Aufführung von „Tante Simona“ war
sicherlich besser als die der Pantomime. In
der Spieloper zeichneten sich aus Eleanor
Painter als ganz reizende Nichte Beatrice,
Louise Marck als Tante und Mizzi Fink als
Zöschen. Die Männer, Herren Ernst Lehmann
und Karl Waschmann, kamen mit ihren
Stimmen nicht recht gegen die Akustik des
Theaters auf. In der Pantomime vermißte man ——
die eigentliche Leichtigkeit, die Körperlosigkeit der
10 APhie
vom:
.— Gellage.
deutsches Opernhaus.
Zum ersten Male: „Tante Simona“, Spieloper in
einem Akt von Viktor Heindel, Musik von Ernst von
Dohnänyi, und „Der Schleier der Pierrette“
Pantomime in drei Bildern von Arthur Schnitzler,
5
Musik von Dohnänyi.
Der Abend begann ziemlich langweilig, wurde dann inter¬
essanter und anregender, bis er den Hörer in jene Spannung
und Aufregung brachte, die etwa die Lektüre einer blutigen
Karnevalstragödie oder irgend ein grelles Kinodrama auslöst.
Der Auftakt zu diesem Dohnänyi=Abend, der vom Publikum
mit großem Beifall aufgenommen wurde, war recht harmlos
und unbedeutend. Die „Tante Simona“ ist eine richtige, nette
„Gartenlaube“=Novelle, ein kleines Abenteuer im Zuschnitt
der Biedermeierstückchen ohne große dramatische Affekte oder
Eindrücke. Tante bewacht ihr kleines Nichtchen vor jedem
Männerauge und muß schließlich erleben, daß sich der Gärtner
ihres Hauses als Graf Ghino und Liebhaber ihrer Pflege¬
befohlenen entpuppt. Sie selbst wird durch die unverhoffte
Wiederkehr ihres ersten Geliebten entschädigt. So gibt es
denn zwei Liebesduette und die entsprechenden glucklichen
Paare. Die Musik erhebt sich hier kaum über ein Durch¬
schnittsniveau. Hin und wieder freut man sich über einige
melodische Breiten und Höhen, auch über koloristische Fein¬
heiten, aber im ganzen erscheint diese Spieloper doch zu blaß
und veraltet. Ein ganz anderes Bild zeigt die Pantomime
„Der Schleier der Pierrette“. Textlich und musikalisch steht
sie turmhoch über dem voraufgegangenen Einakter. Schnitzler
hat hier nach einer älteren Renaissancetragödie „Der Schleier
der Beatrice“ ein wirksames Szenarium entworfen, eine
Schauermär, die in der Zeit des Kino=Theaters sicher auf eine
gute Aufnahme rechnen kann. Pierrot, ein Maler, hat seiner
geliebten Pierrette entsagt. Just an dem Tage, wo sie in einem
benachbarten Hause ihre Hochzeit mit dem ungeliebten, ihr auf¬
gezwungenen Gemahl Arlechino feiert, stiehlt sie sich im Braut¬
kleid aus dem Hochzeitshause fort und eilt zu Pierrot. Beide
beschließen aus dem Leben zu scheiden. Mutig trinkt Pierrot
das Gift und sinkt zusammen. Pierrette erschrickt. Kraftlos
entfällt ihrer Hand der Becher. Voller Angst und Schrecken
eilt sie zur Hochzeitsgesellschaft zurück, wo Arlechino arg¬
wöhnisch über das Ausbleiben der Braut alle Hochzeitsgeschenke
zertrümmert. Im ausgelassenen Tanz sucht Pierrette ihr Ge¬
wissen zu übertauben. Doch überall erscheint ihr gespenstisch
die Leiche des Selbstmörders. Arlechino sieht Pierrettes ver¬
störtes Wesen, er fragt nach ihrem im Hause Pierrots zurück¬
gelassenen Brautschleier. Geängstet eilt sie mit Arlechino zu
der Wohnung des Malers, wo der tote Pierrot bleich am
Boden liegt. Arlechino setzt die Leiche auf einen Stuhl, zwingt
Pierrette mit dem Toten anzustoßen und verläßt entsetzt die
Wohnung. Pierrette ist mit der Leiche eingeschlossen. Angst
und Schrecken machen sie wahnsinnig. Sie tanzt, schreitet und
rennt im Zimmer wild umher, bis sie tot zusammenbricht,
das Gesicht mit dem Schleier deckend. — Eine grusliche Ge¬
schichte ist's, die Schnitzler zu einer Paniomime geformt hat,
ein Stück, das einem feineren Geschmack kaum munden wird.
Aber man fühlt die geschickte Hand des Dramatikers, und so
kann man sich schließlich mit der Gestaltung des Stoffes schon
abfinden, zumal Dohnänyi eine Partitur geschaffen
hat, die überall den geborenen Musikdramatiker und einen
meisterhaften Orchesterstil erkennen läßt. Gewiß hört man
Anklänge an Wagner, Richard Strauß und andere berühmte
Vorbilder, gewiß ist das Ganze nur eine Unterstreichung
dramatischer Akzente, die nirgends eine Charakterisierung der
Handelnden verlangt, aber als Erstlingsarbeit hat die Partitur
doch unbestreitbare Werte. Wie Dohnänyi den Vorgängen auf
der Bühne mit seiner Musik folgt, wie er illustriert, wie er mit
den Blechbläsern droht und mit dem Cello von Liebesfreude
erzählt, wie er leitmotivisch entwickelt und prägnante, selb¬
ständige Motive findet, alles das ist eigen und wirkungsvoll.
Und dann bringt die Partitur als Zwischenaktsmusik einen
Tanzwalzer, wie wir ihn lange nicht gehört haben. Schwung¬
voll=Wienerisch, melodisch und graziös. Nach dieser Probe
wird man von Dohnänyi wohl noch viel erwarten dürfen. Er
Oper zu schreiben. Hoffentlich findet er bald einen geeigneten,
literarisch wertvollen Text. Die Aufführung der Pantomime
Edwin¬
war vortrefflich. Einar Linden (Pierrot),
ten ausgezeichnet und folgten jeder Wendung der Musik, ohne
durch gleichbleibende Bewegungen zu ermüden. Der musika¬
lische Einakter „Tante Simona“ gelang gesanglich weniger
gut, doch waren auch hier Ausstattung, Regie und Orchester
künstlerisch gediegen. Der anwesende Komponist, der in Berlin
als Konzertgeber und Lehrer an der Hochschule weit bekannt
ist, wurde denn auch bereits nach der Spieloper viele Male
gerufen.
G. Sch.
nitt ausiner Allgemeine - Zeitun
Berlin
4# AP
Theater, Kunstu. Wissenschaft!
Deutsches Opernhaus.
Zwei Dohnanyi=Premieren.
Das Deutsche Opernhaus hat auf alle
Fälle eine geschickte Kombination getroffen, als
es an ein und demselben Abend die beiden
Bühnenwerke Ernst von Dohnanyis, näm¬
lich die einaktige Spieloper „Tante Simona“
und die Pantomime „Der Schleier der
Pierrette“ herausbrachte. Die beiden Stücke
sind derartig weit von einander verschieden, daß
man fast den gemeinsamen Komponisten darüber
vergißt.
Die Handlung zu „Tante Simona“ ist im Stil
der älteren Spieloper geschrieben. Einfach, be¬
scheiden, biedermeierlich, aber nett und manchmal
auch ganz hübsch lustig. Ein Erholungsstück nach
der Geschmacksverirrung des „Mädchens aus dem
Goldenen Westen“. Daß die durch einen frühe¬
ren Aufsitzer anti=männlich gesonnene Tante
Simona ihr Nichtchen Beatrice nicht vor der Be¬
kanntschaft mit dem Mann bewahren kann, ist
selbstverständlich. Und doß dieser Mann, natür¬
lich ein Graf, als Gärtner verkleidet, schon in
Tante Simonas Hause weilt, gehört zu den üb¬
lichen Verwicklungen der komischen Oper schon
seit der Lortzingschen Zeit. Und daß schließlich
die Beatriee ihren Grafen kriegt, und daß Tante
Simona sogar noch den Mann (natürlich auch
ein Graf) bekommt, der sie erst verließ, gehört
durchaus zur Natur der Spieloper.
Dohnanyis Musik ist hier frisch und wirklich
heiter, nicht gerade originell (das ist sie ja bisher
überhaupt nie gewesen), aber sehr fein und deli¬
lat gearbeitet. Einige hübsche musikalische
Scherze wurden vom Publikum erkannt und be¬
lacht. Warum am Schluß dieser harmlosen Sache
ein leiser Protest eintrat, ist nicht zu verstehen.
Schwerer gibt sich Dohnanyi im „Schleier
der Pierrette“ einer pantomimischen Be¬
arbeitung von Arthur Schnitzle
Schleier der Beatrice“, die der Dichter selbst
für den Komponisten gemacht hat. Das liegt
natürlich am Stoff, der eine Tragödie in der
Familie der Pierrots zum Gegenstande hat.
Pierette soll den Harlekin heiraten. Sie liebt
aber den Pierrot. Am Hochzeitsabend geht sie
zu ihm, um Abschied zu nehmen. Er will sie
verleiten, mit ihm aus dem Leben zu scheiden,
trinkt den Gifttrank und stirbt, während Pierrette
schaudernd dabei steht und nicht den Mut findet.
ebenfalls zu trinken. In Pierettes Elternhaus
wartet die Hochzeitsgesellschaft auf sie, und
Harlekin verlangt immer heftiger nach ihr. Als
sie kommt, hat sie ihren Brautschleier nicht mehr.
Sie soll ihn holen, und Harlekin geht mit. In
Pierrots Wohnung angekommen, hält er den
Toten für betrunken, will ihn erwecken und sich
rächen. Dann, als er sieht, daß sein Rivale
schon aus dem Leben geschieden ist, setzt er ihn
in einer grausigen Positur auf das Sofa. Und
schließt Pierrette mit dem Toten zusammen ein.
Sie beginnt einen immer wilder werdenden
Wahnsinnstanz und stürzt am Ende tot zu Füßen
des dahingeschiedenen Liebsten nieder. Daß
Dohnanyi hier mit seiner Musik mehr geben
möchte, als er kann, merkt man vom ersten Takt
an. Er sucht nach bedeutsamen Motiven, findet
aber nur alltägliche Phrasen, die wohl zur Hand¬
lung passen, aber in keinerlei Weise die zu¬
sammenraffende Kraft in sich bergen, wie man sie
B. bei Stravinskys „Feuervogel“ oder gar
3.
„Petruschka“ wahrnehmen konnte. Immerhin
trifft Dohnanyi gewisse dramatische Akzente mit
guter Sicherheit und steigert seine Musik ge¬
legentlich ganz vortrefflich.
Die Aufführung von „Tante Simona“ war
sicherlich besser als die der Pantomime. In
der Spieloper zeichneten sich aus Eleanor
Painter als ganz reizende Nichte Beatrice,
Louise Marck als Tante und Mizzi Fink als
Zöschen. Die Männer, Herren Ernst Lehmann
und Karl Waschmann, kamen mit ihren
Stimmen nicht recht gegen die Akustik des
Theaters auf. In der Pantomime vermißte man ——
die eigentliche Leichtigkeit, die Körperlosigkeit der