II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 275

23.
box 28/1
Der-Schleiender Pierrette
(Quellenangabe ohne Dewähr.)
Ausschnitt aus:
„pn verSdlessche Zeliluns, bresian
vom:
Fritz Segel.

1
Im Deutschen Opernhause brachte Direktor Georg Hart¬
mann zwei hier noch unbekannte Werke Ernst von Dohnanyis
zur Aufführung. Dieser ungarische, längst vorteilhaft bekannte
Tonsetzer, der seit 1908 eine Zierde des Lehrkörpers unserer König¬
lichen Hochschule für Musik ist, bereitete seinen zahlreichen Ver¬
ehrern mit der einaktigen komischen Oper „Tante Simona“, die
im Dresdner Hoftheater am 22. Januar zur Uraufführung ge¬
kommen war, eine ziemliche Enttäuschung. Der unglaublich harm¬
lose Text des Wiener Advokaten Viktor Heindl scheint seine
Phantasie gelähmt zu haben; zudem scheint ihm das komische Ele¬
ment nicht recht zu liegen. Dagegen mußte sein Mimodrama „Der
Schleier der Pierrette“, das seit dem Januar 1910 bereits über
piele Bühnen gegangen ist und auf Arthur Schnitzlers wirkungs¬
vollem Drama „der Schleier der Beatrice" beruht, wohl jeden da¬
von überzeugen, daß Dohnanyi einen tragischen Stoff dramatisch
höchst wirksam zu vertonen versteht. Seine Musik bringt die Gegen¬
sätze im Stoff aufs wirksamste zum Ausdruck, enthält gewaltige
Steigerungen, ist brillant instrumentiert und stets glücklich in der
Erfindung und Verarbeitung der Leitmotive. Auch spricht aus
ihr unverkennbar eine eigene, persönliche Note, sodaß man
hoffen darf, daß uns Dohnanyi noch einmal eine hervorragende
tragische Oper schenken wird, vorausgesetzt, daß er ein
Während das Operchen von
gutes Textbuch findet.
dem tüchtigen Kapellmeister Rudolf Krasselt dirigiert wurde,
führte in dem Mimodrama der Komponist selbst in vortrefflicher
Weise den Taktstock. Es wurde übrigens weit besser dargestellt,
als in der Oper gesungen wurde. Für die Pierrette hatte man
die vortreffliche erste Wiener Darstellerin dieser Rolle, die Schau¬
spielerin Elsa Galafrés=Hubermann extra verpflichtet. Auch
die übrigen Darsteller, unter denen in einer Chargenrolle Josef
Plaut hervorragte, fanden sich mit den ihnen sonst ziemlich fremd
liegenden mimischen Aufgaben sehr angemessen ab, freilich brauchten
sie oft nur den sehr deutlichen musikalischen Anordnungen
des Komponisten Folge zu leisten. Als Regisseur bewährte sich
in beiden Werken der junge Dr. Hans Kaufmann; die Tänze
des zweiten Bildes machten dem Geschmack der Ballettmeisterin“
Mary Zimmermann alle Ehre. In den Kostümen und Dekorati¬
onen zeigte sich der Maler Gustav Wunderwald wieder als ein
wahrer Wundermann. Während die „Tante Simona“ bald vom 1
Spielplan verschwinden dürfte, wird sich der „Schleier der Pierrette“.
sicherlich auf demselben erhalten, trotz aller Einwendungen gegen
die Kunstgattung des Mimodramas, die sich bisher eigentlich nur
in Berenyis „Die Hand“ und André Wurmsers „Verlorenem Sohn“
W. A.
durchgesetzt hat.
# L.ift und Tohon