II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 278

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23. Der SchleienderBierrette
anerger
schwäbischer Merku.
3 Stuttgart

nicht wettzumachen. Sie ist zu wenig persönlich und charak= in den Liebesszenen der Geist des Wagnerschen „Tristan“
er Musikbrief. X.
teristisch, in stilistischer Hinsicht zu wenig einheitlich, um ziemlich ungeniert, so hat Dohnanyi doch in dieser Partitur
regere Teilnahme wachzurufen. Das Bestreben des Kompo- eine Reihe eigener Gedanken niedergelegt, die für eine ge¬
pril. Wie fleißig im Charlottenburger
wisse dramatische Begabung sprechen. Er weiß zu charakteri¬
nisten, den gleich in der Ouvertüre nicht ohne Glück ange¬
gearbeitet wird, geht daraus hervor,
sieren, erfindet plastische Motive, versteht sich auf wirksame
schlagenen Lustsvielton festzuhalten, versagt in der Fortsetzung
Tagen schon wieder zu einem Premiéren¬
Steigerungen und Höhepunkte und hat vor allem ein paar
des Stückes, das auch in der instrumentalen Einkleidung
e. Es kamen zwei Werke von Ernst
allerliebste Kabinettstücke graziöser Tanzkunst geschaffen, die
häufig ein Mißverhältnis zwischen Stoff und Mitteln auf¬
Aufführung: „Tante Simona“
weist. Es ist alles ganz nett gemacht, es finden sich in der
ihre Ahnen vom Strand der blauen Donau und die an¬
Akt, Text von Viktor Heindel, und
Orchesterbehandlung hübsche Einzelheiten, auch ein paar An¬
heimelnde Luft des Wiener Waldes zwar keineswegs verleug¬
er Pierrette“ Pantomime in drei
sätze selbständigeren Gestaltens, aber Dohnanyis Tonsprache
nen, aber sich in ihrer melodischen Gewähltheit, ihren rhyth¬
1. Der bekannte Pianist
1
misch-harmonischen Feinheiten und ihrer orchestralen Auf¬
entbehrt im ganzen zu sehr der Eigenart, die eine solche dra¬
Geburt, der seit Jahren als Lehrer
machung doch als selbständige Gebilde darstellen. Kommt
der Berliner Hochschule für Musik matische Kleinigkeit einigermaßen schmackhaft machen könnte.
nun dazu, daß das Stück zwei „Bombenrollen“ enthält,
s Tonsetzer mit einer Sinfonie, einer Gespielt wurde das von Rudolf Krasselt dirigierte, vom
Pierrot und Pierrette, die von Elsa Galafrés und Einar
Publikum freundlich ausgenommene Werkchen ganz vor¬
erken und Klavierstücken bereits einen
[Linden geradezu meisterhaft dargestellt wurden, so ist der
trefflich.
hassen. Sein erster Versuch auf dra¬
große Erfolg der vom Komponisten geleiteten, überaus ge¬
Einen künstlerisch viel tiefergehenden Eindruck hinterläßt
dient insofern Aufmunterung, als
schmackvoll inszenierten Aufführung hinreichend erklärt.
die Musik zu der sin Stuttgart ja schon bekannten) Schnitz¬
egende Feld des musikalischen Lust¬
Dem Deutschen Opernhaus, das sich durch seine ernsten
lerschen Pantomime „Der Schleier der Pier¬
ternimmt. Man kann das anspruchs¬
künstlerischen Leistungen bereits eine geachtete Stellung im
rette“, einem unzweideutigen Filmstück, das in seiner raffi¬
gen Komponisten als eine Abschlags¬
Berliner Musikleben erworben hat, ist jeder Erfolg herzlich
hft gelten lassen, ohne seine Schwächen nierten Mischung von Empfindelei und Roheit, in der klug
zu gönnen. Die junge Bühne verhält sich, in erfreulichem
off ist mehr als harmlos. Eine moral= berechneten Verwendung im bösesten Sinne theatralischer
Gegensatz zur Hofoper, dem Neuen gegenüber nicht so zurück¬
e, die jedes jüngere männliche Wesen Effekte mit Erfolg auf die höchstentwickelte Reizsamkeit mo¬
haliend und abwartend. Kurz hintereinander sind bei ihr
rice streng fernhält und einen jungen derner Nerven spekuliert. Auch wer der Gattung der Panto¬
Puccini und Dohnanyi zu Wort gekommen: Sullivan mit
ngenommen hat, weil er sich für taub= mime im allgemeinen ablehnend gegenübersteht, wird den ge¬
seinem allerdings schon bejahrten „Mikado“ soll folgen. Wie
rrascht ihre Nichte im zärtlichen schichtlichen Aufbau und die mit kundiger Hand entworfenen,
wäre es, wenn sie jetzt einmal unter den deutschen Mu¬
Gärtner, der in Wirklichkeit gar kein theatralisch unleugbar wirksamen Szenenbilder des Schnitz¬
sikern Umschau hielte? („Wieland der Schmied“ war leider
lerschen Stückes anerkennen müssen. Wir leben im Zeitalter
unger Edelmann ist und überdies auch
eine Niete.) Es gibt da manche Persönlichkeiten, die das
des „Kintopps“, und alles dagegen aufgefahrene schwere
Ern sich seiner Sprechwerkzeuge und vor
Kgl. Opernhaus grundsätzlich nicht zu kennen scheint. Daß
sästhetische Geschütz hat in seine Mauern noch keine Bresche
t bemerkenswertem Erfolg zu bedienen
es den leitenden Männern der Charlottenburger Oper nicht
zu legen vermocht. Es geht mit solchen Modesachen, wie mit
rz vor der beschlossenen Abreise nach
an Initiative fehlt, wissen wir jetzt. Mögen sie an Wagemut
anderen Moden: sie sind eines schönen Tages da, um eines
r fußgelehrigen Beatrice Gelegenheit
und Tatkraft wettmachen, was die Hofbühne an Tradition,
noch schöneren Tages wieder zu verschwinden. Wie : B. die
ber die Gefährlichkeit der Männer im
Damenmelt ein seither „unumgänglich notwendiges“ Klei= unbeschränkten Mitteln und bewährten Repertoirestücken —
licher Gärtnerburschen im besonderen
allerdings nur noch ¾ Jahre — voraus hat. Der 1. Jan.
dungsstück mit einem Mal in erfreulicher Uebereinstimmung
iken, ein ehemaliger Verehrer der so
1914 bringt vielleicht auf diesem Gebiet eine Art Götterdäm¬
als „einfach unmöglich“ erklärt, so wird auch die Mode¬
Tante auftaucht, überrascht die Nichte
merung! Das Kgl. Opernhaus befindet sich seit langer Zeit
strömung des Filmstücks urplötzlich wieder verebben Im
bei einem nicht minder zärtlichen
im Stadium des künstlerischen Stillstands. Eine Berliner
übrigen findet jedes Publikum die geistige Kost, die ihm zu¬
natürlich alles in Wohlgefallen auf¬
Privatoper, die planmäßig künstlerisch fortschrittlich arbeitet,
sagt. Der „Schleier der Pierrette“ nun hat dem Publikum
cios köstlicher Novelle bekannte Vor¬
außerordentlich zugesagt. Auch der Musikkritiker kann sich würde einen Gewinn nicht bloß für das musikalische Leben
n stellenden männlichen Individuums
schickten Librettisten wohl etwas geist= von dieser wohlwollenden Beurteilung gerechterweise nicht der Reichshauptstadt bedeuten. Die wohltätigen Folgen
dieser Konkurrenz werden sich im übrigen mit der Zeit schon
werten lassen können; so verläuft die ausschließen, denn Dohnanyi hat der Paniomime eine musi¬
fühlbar machen.
kalische Illustrierung angedeihen lassen, die ganz erheblich
cken und hausbacken. Die Musik, die
uplen Geschichte geschrieben hat, ver- über dem Durchschnitt dessen steht, was man sonst als Be¬
enkundigen Schwächen des Textbuches gleitmusik zu diesem Genre zu hören bekommt. Spukt auch
an