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23. Der Schleiender- Pierrette
vom: 18. APhfmeipe, Musik-Zeitung
lin
4
(
W
Die Berliner Erstaufführung von
E. v. Dohnanyis Spieloper „Tante Simona“
und der Pantomime „Der Schleier der
Pierette“.
Besprochen von Hugo Rasch.
Beide Werke sind anläßlich ihrer Urauiführungen in
Dresden in dieser Zeitung schon eingehend besprochen worden.
(Vergl. No. 5 dieses Jahrgangs und No. 5 des 37. Juhirgangs.)
Sehade ist. daß die in jeder Hinsicht ausgezeichnete Pantomime
— um drei Jahre zurückliegt; in anderen Worten: duß die „Tante
Simona“ obwohl also das jüngere Opus, qualitativ gar keinen
Vergleich mit dem Schleier der Pierette aushält. Wie so oft,
trift den Librettisten ein erheblicher Teil der Schuld. Dort
schuf ein begnadeter Dichter, Arthur Schnitzler,
Seinen Stoff von hohem poctischen Zauber wie packender
dramatischer Wucht, hier schricb ein Wiener Rechisanwalt
ein Textbuch, das an Verbrauchtheit des Sniets wie Billigkeit
der Verse seines gleichen suehen dürfte. Die Schlnßszene wird
eingeleitet mit den Worten der jungen Liebenden i(die sieh
nicht kriegen sollten) an das alte, noch auf Liebespfaden er¬
loppte Paar: „Verzeint die Störung, doch Gott Amor macht
die Kunde, Verweigert euren Segen nicht auch anderm
Das ist das Stück. Zum Schluß singt
Tierzensbunde!“
Ader Verwalter Nuto noch:
„Das sicht wolll anders aus —
Doch was kann ich verlieren —?
Statt Mist kann übers Jahr
ich Kinderwagen führen!“
Wünschen wir dem Schmied dieser Reime dasselbe! Mit
diesem Text ist es Dohnänzi gegangen, wie Puceini mit seinem
zahmen Mädehen aus dem wilden Westen: Es ist ihm nichts
eingefallen. Daher die Verlegenheit der bombastischen Or¬
ehestration dieses überharmlosen Rokokoschwanks. P’sycho¬
logisch absolut erklärlich, und eigentlich für den Komponisten
sprechend!
Die Schnitzlersche Pantomime dagegen hat Dohnanyi zu
einer Leistung von hohem künstlerischen Wert angespornt.
die in der schon erwähnten Nummer 5 des 37. Jahrgangs ihre
volle Würdigung erfahren hat. Es heißt dort in dem Schlu߬
passus mit vollem Recht: „Seine Musik macht den Eindruck
des Echten, seine Arbeit ist künstierisch durch und durch,
dhe Wirkungen sind stark und tiefgehend.
Und nun zur Aufführung selbst! Ueber die Mitwirkenden
bei Tante Simonas Herzerweichung kann im allgemeinen nur
tintes berichtet werden. Louise Marck (Donna Simona),
Eleanor Painter (Bentrice). Mizzi Fink (Giacinta).
Ernst lehmann (Graf Floris), Car! Waschmann
(Graf Ghino) und Eduard Kand! (der mistfahrende Haus¬
verwalter) stellten ein absolut einwandfreies Können in den
Dienst dieser Syrupiade.
Von der Wiedergabe der Pantomime kann ich hier nur
mit dem Ausurgel. Ves-höchsten Lobes sprechen, besonders
FSosssa
was die beiden Hanprpersonen, Pierrol Winar Linden)
ond Pierrette Wilsa Galatres) betrifft. Das war vor¬
behmste Kunst, das waren mit Musik durehtränkte Cesten, Be¬
wegungslinien von ganz hervorragender Schönheit. Elsa Galn¬
ires war, wie mir berichtet wurde, eine Schülerin von Dal¬
croze. Man mag über die Hellerauer Bestrebungen denken,
Wie man will, hier hat man ein Resultat vor sich, un dessen
zwingender Beweiskraft man unmöglich vorbeigehen kann.
Um so weniger, wenn man andere Bestrebungen und Leistun¬
den damit vergleieht; etwa das neurasthenische tichopse der
Wiesenthals, oder die kallisthenischen Tänze, die uns neulich
eim Neuen Schauspiemhans beschert wurden, oder eiwa jener
„Stil der dramatischen Darstellung“, der auch vor Kurzem uns
zWei Stunden lang mit konventionelisten Attituden lungweilte.
und noch manch underes. Nein, da hatte die Pierette der Lisn
=cialafres schon ein änderes diesicht! Das wur eine gesunde
Sund köstliche Flüssigkeit der Bewegung, vollendeiste Beherr¬
schung des Körpers und bei an dem ein suggestives Mit¬
Verleben der Handlung, so daß man gur nicht Zeit hatte, sich
innerlich mit den
23. Der Schleiender- Pierrette
vom: 18. APhfmeipe, Musik-Zeitung
lin
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(
W
Die Berliner Erstaufführung von
E. v. Dohnanyis Spieloper „Tante Simona“
und der Pantomime „Der Schleier der
Pierette“.
Besprochen von Hugo Rasch.
Beide Werke sind anläßlich ihrer Urauiführungen in
Dresden in dieser Zeitung schon eingehend besprochen worden.
(Vergl. No. 5 dieses Jahrgangs und No. 5 des 37. Juhirgangs.)
Sehade ist. daß die in jeder Hinsicht ausgezeichnete Pantomime
— um drei Jahre zurückliegt; in anderen Worten: duß die „Tante
Simona“ obwohl also das jüngere Opus, qualitativ gar keinen
Vergleich mit dem Schleier der Pierette aushält. Wie so oft,
trift den Librettisten ein erheblicher Teil der Schuld. Dort
schuf ein begnadeter Dichter, Arthur Schnitzler,
Seinen Stoff von hohem poctischen Zauber wie packender
dramatischer Wucht, hier schricb ein Wiener Rechisanwalt
ein Textbuch, das an Verbrauchtheit des Sniets wie Billigkeit
der Verse seines gleichen suehen dürfte. Die Schlnßszene wird
eingeleitet mit den Worten der jungen Liebenden i(die sieh
nicht kriegen sollten) an das alte, noch auf Liebespfaden er¬
loppte Paar: „Verzeint die Störung, doch Gott Amor macht
die Kunde, Verweigert euren Segen nicht auch anderm
Das ist das Stück. Zum Schluß singt
Tierzensbunde!“
Ader Verwalter Nuto noch:
„Das sicht wolll anders aus —
Doch was kann ich verlieren —?
Statt Mist kann übers Jahr
ich Kinderwagen führen!“
Wünschen wir dem Schmied dieser Reime dasselbe! Mit
diesem Text ist es Dohnänzi gegangen, wie Puceini mit seinem
zahmen Mädehen aus dem wilden Westen: Es ist ihm nichts
eingefallen. Daher die Verlegenheit der bombastischen Or¬
ehestration dieses überharmlosen Rokokoschwanks. P’sycho¬
logisch absolut erklärlich, und eigentlich für den Komponisten
sprechend!
Die Schnitzlersche Pantomime dagegen hat Dohnanyi zu
einer Leistung von hohem künstlerischen Wert angespornt.
die in der schon erwähnten Nummer 5 des 37. Jahrgangs ihre
volle Würdigung erfahren hat. Es heißt dort in dem Schlu߬
passus mit vollem Recht: „Seine Musik macht den Eindruck
des Echten, seine Arbeit ist künstierisch durch und durch,
dhe Wirkungen sind stark und tiefgehend.
Und nun zur Aufführung selbst! Ueber die Mitwirkenden
bei Tante Simonas Herzerweichung kann im allgemeinen nur
tintes berichtet werden. Louise Marck (Donna Simona),
Eleanor Painter (Bentrice). Mizzi Fink (Giacinta).
Ernst lehmann (Graf Floris), Car! Waschmann
(Graf Ghino) und Eduard Kand! (der mistfahrende Haus¬
verwalter) stellten ein absolut einwandfreies Können in den
Dienst dieser Syrupiade.
Von der Wiedergabe der Pantomime kann ich hier nur
mit dem Ausurgel. Ves-höchsten Lobes sprechen, besonders
FSosssa
was die beiden Hanprpersonen, Pierrol Winar Linden)
ond Pierrette Wilsa Galatres) betrifft. Das war vor¬
behmste Kunst, das waren mit Musik durehtränkte Cesten, Be¬
wegungslinien von ganz hervorragender Schönheit. Elsa Galn¬
ires war, wie mir berichtet wurde, eine Schülerin von Dal¬
croze. Man mag über die Hellerauer Bestrebungen denken,
Wie man will, hier hat man ein Resultat vor sich, un dessen
zwingender Beweiskraft man unmöglich vorbeigehen kann.
Um so weniger, wenn man andere Bestrebungen und Leistun¬
den damit vergleieht; etwa das neurasthenische tichopse der
Wiesenthals, oder die kallisthenischen Tänze, die uns neulich
eim Neuen Schauspiemhans beschert wurden, oder eiwa jener
„Stil der dramatischen Darstellung“, der auch vor Kurzem uns
zWei Stunden lang mit konventionelisten Attituden lungweilte.
und noch manch underes. Nein, da hatte die Pierette der Lisn
=cialafres schon ein änderes diesicht! Das wur eine gesunde
Sund köstliche Flüssigkeit der Bewegung, vollendeiste Beherr¬
schung des Körpers und bei an dem ein suggestives Mit¬
Verleben der Handlung, so daß man gur nicht Zeit hatte, sich
innerlich mit den