rischen, deren Kunst und Kraft so eigentlich im Boden der Kauerstadt
wurzeln. Trotzdem aber wagte die Zmerenz dieses Letzte. Und als ihre
eigenen Bitten, Vorstellungen und Drohungen nichts mehr nützten, da
sandte sie ihren Vater, den alten Schauspieler Zwerenz zum Direktor
Eibenschütz, damit er noch ein Allerletztes versuche.
„Herr Direktor, sagte der Zwerenz=Vater in eindringlichstem
Tone, „Sie richten meine Tochter zugrunde! Sie schädigen sich selbst
und Ihr Theater, wenn Sie die Zwerenz so auf nichts machen!
Denn diese spanische Tänzerin ist ein Schmarrn, die Rolle ist für meine
Tochter der aufgelegte Durchfall — sie wird nicht mehr vors Publikum
treten können! Die Titelrolle, das Puppenmädel, spielt eine andere —
sie würde auch für die Mizzi nicht passen — eine andere Partie ist
nicht da Ich komme im Namen meiner Tochter, um ihre Entlassung zu
bitten!“
Direktor Eisenschütz konnte nichts anderes tun, als wiederholen,
was der Komponist, die Librettisten Stein und Dr. Willner und Re¬
gisseur Gustav Kadelburg oft und oft versichert, belräftigt, geschworen
hatten: Daß Fran Zwerenz gerade mit ihrer Rosalillja einen ihrer
größten Erfolge feiern werde. Ungläubigkeit auf der anderen Seite
aber schließlich gelang es doch, Frau Zwerenz zu der Erklärung zu be¬
wegen, sie werde die Rolle wagen und ihre Demiss onserklärung zurück¬
ziehen. Aber nur unter einer Bedingung tue sie das: Leo Fall müsse
ihr noch für den dritten Akt eine wirksame Nummer schreiben, entweder
ein Sololied oder ein Duett mit Herrn König, dem Darsteller des
Schmierendirektors Talmi.
Nun stellte sich wieder der Komponist auf die Hinterbeine. Er, der
bis nun immer im eigenen Fleisch gewühlt, der aus seiner Partitur
Sachen gestrichen hatte, an denen sein Herz hing, weil er sie für wirklick,
gut hiest — alles, um dem praktischen Gebote zu folgen, die Vorstellurg
nicht über das gewöhnsiche Zeitmaß hinauswachsen zu lassen. Und nun
sollte er den dritten Akt neuerdings verlängern — ohne zu wissen, ob
ihm die neue Nummer auch so gelingen werde wie die gestrichenen!
Also sagte Fall: „Um keinen Preis! Ich kann der Zwerenz
zuliebe, so weh es mir tut, den Erfolg nicht in Frage stellen!“
So kränkte sich denn die arme Zwerenz weiter und weiter und
weinte Tränen der Wut! Sie blieb auch von einigen Proben weg — der
Nerven wegen, die sich eine Diva doch erlauben darf. Librettisten,
Direktor und Regisseur suchten zu vermitteln — vergeblich. Komponist
und Soubrette — keiner wollte nachgeben. Endlich kamen sie auf ein
besonderes Mittel, Leo Fall umzustimmen. In der Direttionskanzlei des
Carl=Theateis steht eine Büste des Komponisten. Diese ließen sie ver¬
gangene Woche zu einer Probe des „Puppenmädel“ auf die Bühne bringen;
man stellte sie dann aufs Klavier, das Fall zu benützen pflegte. Als der
Komponist nun kam und sich an das Instrument setzte, sah er sich seinem
eigenen Porträt gegenüber. Um den Hals des weißen Fall aus Gips
hing aber zur Brust herab ein großer Karton mit folgen er löchst
poetischen Apostrophierung:
„Lieber Fall, laß dich erweichen,
Lasse endlich ab vom Streichen!
Schreib' der Zwerenz eine Nummer,
Sonst vergeht sie noch vor Kummer.
Der Komponist mußte hell auflachen, als er sich selbst bei ihm
selbst mit diesem devoten Bittsprüchlein vorsprechen sah! Und er beschloß,
die „g'fährliche Belastung des Schlußaktes, der immer nur kurz sein
soll“, zu wagen und jenes Duett Zwerenz=König zu schreiben, das —
die Leser wissen's aus dem Premierenbericht — am Erstaufführungs¬
abend geradezu den Clon der Vorstellung bedeutete. Viermal mußten es
die beiden singen und tanzen — und doch war es bereits halb 11 Uhr
abends, die Zeit, da das Publikum schon das Recht hat, müde zu sein.
Wir haben diese Geschichte erzählt, weil sie so recht zeigt, wie
wenig die Künstler wissen, was ihnen frommt, wie sie zu ihrem Glück
förmlich gezwungen, zum Erfolg geradezu gezerrt werden müssen.
Wochenlang droht die Zwerenz mit ihrer Demission wegen einer Rolle,
die ihr einen Erfolg bringt, wie sie ihn seit Jahren nicht erzielt, und
fast ebenso lang sträubt sich der Komponist gegen eine Piéce, die schlie߬
lich den Abend auf die höchste Stufe der Stimmung bringt — im
Publikum und auf der Bühne. Das ist echtes Theater ...
Doch vom „Puppenmädel“ zu reden, ohne vom Puppenmädel
selbst zu sprechen, nämlich von der Darsiellerin der Titelrolle, wäre
ein Unrecht. Lisa Weise, die zierliche Berlinerin, hat sich mit
ihrer neuen Partie so recht in die Herzen der Wiener hinein¬
gespielt. Wie samos weiß sie den ganzen Abend über das Püppchen zu
tragen, zu losen, zu befragen, als ob es ihre Freundin und Beraterin
wäre! Und wie nett, ja geradezu virtuos versteht sie es, im ersten Att
als niedliche „Hüttenbesitzerin“ an das vorübergehende Publikum Ansichts¬
karten zu verkaufen! Das ist übrigens gar kein Wunder. Sollte Frau
Weise, eine so tluge Dame, im Umgang mit solch hübschen farbigen
Dingern 'nicht samos Bescheid wissen, wenn ihr Gatte der Besitzer und
Leiter einer der größten Ansichtskartenfabriken des Deutschen Reiches ist?
wurzeln. Trotzdem aber wagte die Zmerenz dieses Letzte. Und als ihre
eigenen Bitten, Vorstellungen und Drohungen nichts mehr nützten, da
sandte sie ihren Vater, den alten Schauspieler Zwerenz zum Direktor
Eibenschütz, damit er noch ein Allerletztes versuche.
„Herr Direktor, sagte der Zwerenz=Vater in eindringlichstem
Tone, „Sie richten meine Tochter zugrunde! Sie schädigen sich selbst
und Ihr Theater, wenn Sie die Zwerenz so auf nichts machen!
Denn diese spanische Tänzerin ist ein Schmarrn, die Rolle ist für meine
Tochter der aufgelegte Durchfall — sie wird nicht mehr vors Publikum
treten können! Die Titelrolle, das Puppenmädel, spielt eine andere —
sie würde auch für die Mizzi nicht passen — eine andere Partie ist
nicht da Ich komme im Namen meiner Tochter, um ihre Entlassung zu
bitten!“
Direktor Eisenschütz konnte nichts anderes tun, als wiederholen,
was der Komponist, die Librettisten Stein und Dr. Willner und Re¬
gisseur Gustav Kadelburg oft und oft versichert, belräftigt, geschworen
hatten: Daß Fran Zwerenz gerade mit ihrer Rosalillja einen ihrer
größten Erfolge feiern werde. Ungläubigkeit auf der anderen Seite
aber schließlich gelang es doch, Frau Zwerenz zu der Erklärung zu be¬
wegen, sie werde die Rolle wagen und ihre Demiss onserklärung zurück¬
ziehen. Aber nur unter einer Bedingung tue sie das: Leo Fall müsse
ihr noch für den dritten Akt eine wirksame Nummer schreiben, entweder
ein Sololied oder ein Duett mit Herrn König, dem Darsteller des
Schmierendirektors Talmi.
Nun stellte sich wieder der Komponist auf die Hinterbeine. Er, der
bis nun immer im eigenen Fleisch gewühlt, der aus seiner Partitur
Sachen gestrichen hatte, an denen sein Herz hing, weil er sie für wirklick,
gut hiest — alles, um dem praktischen Gebote zu folgen, die Vorstellurg
nicht über das gewöhnsiche Zeitmaß hinauswachsen zu lassen. Und nun
sollte er den dritten Akt neuerdings verlängern — ohne zu wissen, ob
ihm die neue Nummer auch so gelingen werde wie die gestrichenen!
Also sagte Fall: „Um keinen Preis! Ich kann der Zwerenz
zuliebe, so weh es mir tut, den Erfolg nicht in Frage stellen!“
So kränkte sich denn die arme Zwerenz weiter und weiter und
weinte Tränen der Wut! Sie blieb auch von einigen Proben weg — der
Nerven wegen, die sich eine Diva doch erlauben darf. Librettisten,
Direktor und Regisseur suchten zu vermitteln — vergeblich. Komponist
und Soubrette — keiner wollte nachgeben. Endlich kamen sie auf ein
besonderes Mittel, Leo Fall umzustimmen. In der Direttionskanzlei des
Carl=Theateis steht eine Büste des Komponisten. Diese ließen sie ver¬
gangene Woche zu einer Probe des „Puppenmädel“ auf die Bühne bringen;
man stellte sie dann aufs Klavier, das Fall zu benützen pflegte. Als der
Komponist nun kam und sich an das Instrument setzte, sah er sich seinem
eigenen Porträt gegenüber. Um den Hals des weißen Fall aus Gips
hing aber zur Brust herab ein großer Karton mit folgen er löchst
poetischen Apostrophierung:
„Lieber Fall, laß dich erweichen,
Lasse endlich ab vom Streichen!
Schreib' der Zwerenz eine Nummer,
Sonst vergeht sie noch vor Kummer.
Der Komponist mußte hell auflachen, als er sich selbst bei ihm
selbst mit diesem devoten Bittsprüchlein vorsprechen sah! Und er beschloß,
die „g'fährliche Belastung des Schlußaktes, der immer nur kurz sein
soll“, zu wagen und jenes Duett Zwerenz=König zu schreiben, das —
die Leser wissen's aus dem Premierenbericht — am Erstaufführungs¬
abend geradezu den Clon der Vorstellung bedeutete. Viermal mußten es
die beiden singen und tanzen — und doch war es bereits halb 11 Uhr
abends, die Zeit, da das Publikum schon das Recht hat, müde zu sein.
Wir haben diese Geschichte erzählt, weil sie so recht zeigt, wie
wenig die Künstler wissen, was ihnen frommt, wie sie zu ihrem Glück
förmlich gezwungen, zum Erfolg geradezu gezerrt werden müssen.
Wochenlang droht die Zwerenz mit ihrer Demission wegen einer Rolle,
die ihr einen Erfolg bringt, wie sie ihn seit Jahren nicht erzielt, und
fast ebenso lang sträubt sich der Komponist gegen eine Piéce, die schlie߬
lich den Abend auf die höchste Stufe der Stimmung bringt — im
Publikum und auf der Bühne. Das ist echtes Theater ...
Doch vom „Puppenmädel“ zu reden, ohne vom Puppenmädel
selbst zu sprechen, nämlich von der Darsiellerin der Titelrolle, wäre
ein Unrecht. Lisa Weise, die zierliche Berlinerin, hat sich mit
ihrer neuen Partie so recht in die Herzen der Wiener hinein¬
gespielt. Wie samos weiß sie den ganzen Abend über das Püppchen zu
tragen, zu losen, zu befragen, als ob es ihre Freundin und Beraterin
wäre! Und wie nett, ja geradezu virtuos versteht sie es, im ersten Att
als niedliche „Hüttenbesitzerin“ an das vorübergehende Publikum Ansichts¬
karten zu verkaufen! Das ist übrigens gar kein Wunder. Sollte Frau
Weise, eine so tluge Dame, im Umgang mit solch hübschen farbigen
Dingern 'nicht samos Bescheid wissen, wenn ihr Gatte der Besitzer und
Leiter einer der größten Ansichtskartenfabriken des Deutschen Reiches ist?