II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 41

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22. Derjungeedandus
lle das Parlament die Staatseisenbahn= der normalen Eingänge auf einer vagen Grundlage, neuen Budgets.
Stimmungen gewidmet, in einer Fülle der königliche Prinz wirbt um die Hand Kaisers macht. Zufällig trikt sie ihm auf ihrem Gange
Agathens, der Schwester des Medardus, und da zu Napoleon, dem sie wie eine russische Nihilistin mit
Die mit wenigen Worten sicher individuali¬
sein unbeugsamer Vater die Zustimmung zur dem Dolch im Gewande naht, entgegen, in ihr Herz
Er die einzelnen Bilder werden zusehr
fährt sein blinkender Stahl, und erst im Gefängnisse
Heirat verweigert, gehen die Liebenden in den
Eehen nebeneinder, nicht ineinander, und
erfährt er, wie er wider Willen zum Retter des
nassen Tod, ein drittes aufkeimendes Leben mit dem
erliche Höhepunkt, die Barrikadenszene,
Kaisers geworden sei. Die Freiheit winkt, schon grüßen
ihren vernichtend, an der Leiche weiht sich der Bruder
Mosaik von Einzelheiten, ohne in einem
die Glocken des Friedens, Mutter und Freund stehen
der Rache. Eine Vorgeschichte, die leicht im Laufe
ment zu gipfeln. Die ganze, auch in dem
hoffnungsvoll harrend ihm zur Seite, das einfache
des Stückes zu rekapitulieren gewesen wäre, hat
Hasten und Drängen der Figuren,
Wort, er wolle seine Pläne gegen Napoleon, dem er
Schnitzler in zwei Szenen der eigentlichen Handlung
g und Undeutlichkeit der Rufe auf der
sich gar nicht mehr nähern könnte, aufgeben, genügt
vorangeschickt, und dieses Präludium, ein vertiefter
eben klare Szene könnte ohne jede
für seine Rettung— da besinnt er sich, daß er nicht
das Verständnis des Hörers fortfallen, Abkömmling der „Liebelei“ offenbart den Dichter wohl
Medardus Klähr, sondern Friedrich Staps ist, und
am reinsten und hinterläßt den ausgeglichensten Ein¬
k ich noch heute ihre Eliminierung für
lenkt in seine historische Mission ein, die ihn im
druck des Abends. Er klingt hinüber in die Be¬
kn. So müssen wir das Drama in dem
Dienste einer Idee sterben heißt. Haltlos schwankt
erdigungsszeue, die Schnitzler in seinen Lieblings¬
auf den sich direkt und indirekt alle
Medardus hin und her, ein Hamlet der Gedanken¬
motiven, den Kirchhofsgedanken schwelgen läßt, am
en, in Medardus Klähr. Was drückt
losigkeit, aber eigentlich mehr ein Cyrano in
Grabe von Schwester und Bruder treffen Helene und
in die Hand zu seinem wahnwitzigen
seinem Abenteurertum, und der wortfrohe Gascogner
Medardus zusammen, in Haß und Verachtung, aber
ächst ist es sein Freund Etzelt, der,
steht dem Wiener Wesen in manchem Zuge
auch in durchblitzendem Begehren. Das Weib, das sich
ur Waffentat, ihn nicht seines Schwures
näher als der tiefsinnige Held Shakespeares.
mit kaltem Enthusiasmus als das Gefäß, das einen
nd seine Ohren erfüllt mit dem Rufe,
künftigen König bergen soll, einem Vetter anverlobt,
in Wien ist. Aber Medardus hört
hält, ist eine Kritik des Stückes und seiner Hauptfigur.
lockt den durch ihre Schuld im Zweikampf verwundeten
ill, der nicht in sein Herz dringt. In
„Gott wollte ihn zum Helden schaffen, der Lauf der
Jüngling, und dem zu einer Demütigung des Weibes
wilde Leidenschaft, und diese hindert
Dinge machte einen Narren aus ihm." Eine solche
ausziehenden Phantasten öffnet sich ihr Schlafgemach,
gleich seine Rache.
Gestalt zu entwickeln, ist Aufgabe des Romans, und
das er als beglückter Liebhaber verläßt. Noch belügt er sich
i begegnen sich: Der Wiener Bürgers¬
es ist ein eigenartiger Zufall, daß der Verlag
selbst mit der Vorstellung, ihren Körper nackt über
em deutschen ehrlichen Herzen und der
S. Fischer in Berlin, der uns die schöne Buchausgabe
die Treppe zu zerren und öffentlicher Schande preis¬
Abkömmling des Königshauses der
des „Medardus“ schenkt, gleichzeitig neben sie die
zugeben, aber „die Zwischenzeit ist mein“, spricht er
#itig bis in die kalten Fingerspitzen. Mit
neue umfangreiche Prosadichtung Gerhard Hauptmanns
mit dem Dänen=Prinzen, ein paar wunderbare Nächte
Vater sind François und Helene nach
legt „Der Narr in Christo“ Wie ein Schwärmer zu¬
will er noch genießen. Etzelt kennt ihn genauer als
n, wo sie im Kreise ihrer Getreuen von
gleich rührend und lächerlich sein kann, das vermag
er sich selbst: „In solche Tiefen führt nicht der Haß",
ie träumen und Napoleon mit kindischen
nur eine Erzählung aufzubauen, die alles Mitleid aus
das Weib ist stärker als sein Vorsatz. Helenens ge¬
zu stürzen suchen. Wiens Geschichte
Dichterherzen, alles Verständnis für Irrtümer einer
bieterischer Blick drängt ihm, der racheflammend in
n dieser erlauchten Familie zu erzählen,
reinen Seele ausströmen lassen darf; das Theater
den Kreis der Adeligen eindringt, jedes Wort von den
le Emigranten haben in Österreich gar
gibt nicht Raum für solche Entwicklungen. Einfach
Lippen zurück, sie versucht es, trotzend auf ihre Macht,
tt gefunden, in der sie sehnsüchtig eines
und schlicht war der Sinn des armen Staps, in
ihm den Dolch gegen den Korsen in die Hand zu
der nie erfolgen sollte; noch die Füns¬
spielen, die Hand, die schon das Mordwerkzeug an einer geraden Linie bewegte sich sein einziger
vorigen Jahrhunderts bargen in Pre߬
Gedanke. Medardus' Tat ist eine überklügelte,
der Brust geborgen hält; aber im Dienste der Valos#
einen Stuart, der niemals auf die
kann er die heilige Pflicht, die er dem Vaterlande leisten germotivierte Nichttat. Indem das Burgtheater
kines Hauses verzichtet und seine An¬
Eohn und Tochter überträgt. Frangois will, nicht durchführen, seine Tat wird erst wieder rein, die große Szene zwischen Medardus und Helene,
im deutschen Franz geworden, und wo das Gerücht aus der Prinzessin die Geliebte des in der sie ihn zum Morde zu bereden sucht.
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gänzlich strich, hat es wohl die raffinierte Pfrchoogt##tion, keine
einfacher gestaltet, doch seine mörderischen Absichten sie zustrebt. Der
völlig unverständlich gemacht, wo sie ein langes, im bbild des Werke
Schaustücke des Schönbrunner Schloßgartens unbeachtet die Pfeiser spielen
verhallendes Gespräch nicht deutlich aufklärt. Geschicht¬
das Volk drängt
liche Wahrheit eines Werkes kann nur in seiner öffnen sich¬
geschichtlichen Möglichkeit liegen. Der Dichter hat nicht sichtbar. Au
Napoleon.
völlige Freiheit, mit den Tatsachen umzuspringen, wie
Der Dichter ha
er sie braucht und wie er sie glaubhaft zu machen
versteht, und niemand rechte um ein paar abgeänderte
das Burgtheater
Fakta. Ich glaube an diese Wiener, die Schnitzler
Patrizierhaus in
hier hingestellt hat, ich nehme auch in einem Märchen¬
Emporkömmling er
reiche, wie es Napoleon geschaffen, einen Märchen¬
Bilder, es gab mi
prinzen mit einem Märchenhofe, der freilich nur sehr
wegung der greßen
schattenhaft geraten ist, hin. Ich gebe ihm das Recht,
versagenden und
Menschen zu deuten und modern zu gestalten, und
fehlte nur Eines
denke an ein schönes Wort Goncourts: „Man belebt
war die schwache
eine Vergangenheit nur, wenn man ihr Herz und
gedrückt, sein w#
Gehirn der Gegenwart gibt, und alles, was
und kräftig, er be
man aus ihr selbst holen kann, sind die für das Stück.