box 26/5
22. Der junge Medandus
doch keine einfach auf den theatralischen Effekt zu¬
näc
1Feuilleton.
geschnittene melodramatische Schaustellung, sondern ehr¬
Kar
lichste Dichterarbeit, die nirgends den Zug ins Große
aus
Burgtheater.
verleugnen möchte.
Tra
(Zum erstenmal: „Der junge Medardus“
Aus Wahrheit und Lüge ist die Fabel der „dra¬
Ple
dramatische Historie in einem Vorspiel
Ent
matischen Historie“ gesponnen. Das tragische Schicksal
und fünf Aufzügen von Arthur Schnitzler.)
des Naumburger Predigersohnes Friedrich Stapß, der
tau
Es ist, als sähe man Einen, der bisher in der Nähe
blei
sich bei einer Revue in Schönbrunn an Napoleon heran¬
des schützenden Hafens und im Angesicht lieblicher,
auf
zudrängen versucht hatte, um ihn mit einem Messer zu
blumengeschmückter Küsten sein Fahrzeug herum ummelte,
trete
erstechen, bildet ie geschichtliche Grundlage, auf der der
plötzlich aufs große, weite Meer hinausrudern. Wer
Dichter die Geschichte des jungen Medardus Klähr
Gest
solches wagt, dem mag es nun zuweilen passieren, daß er
es gab übrigens zu jener Zeit in Wien eine bekannte
zu manchem Ruderschlag, der einfacher hätte
geführt
Bürgersfamilie dieses Namens — aufbaute. Als
(205
1
werden können, zu umständlich ausholt, dann
wieder
sein
Friedrich Stapß ergriffen worden war und unumwunden
gerade
dort, wo energische Konzentrierung
aller
schin
seine Absicht, den Kaiser umzubringen, gestanden hatte,
Kräfte notwendig gewesen wäre, um eine
unver¬
Zwe
da ließ ihn Napoleon, durch seine heldenhafte Haltung
mutet
herandringende Welle abzuwehren,
sachte
bestochen, vorführen und richtete, wie Historiker berichten,
fäng
und behutsam, zugleich aber mit einem Stich
ihre
an ihn die Frage: „Würden Sie es mir danken, wenn
ins Sorglose das Ruder führt, als gelte es nicht, ge¬
wirk
ich Sie begnadigte?“ worauf Stapß erwiderte: „Ich
fährlicher Brandung standzuhalten, sondern durch harm¬
er n
würde Sie doch zu töten suchen!" Dieser Vorfall und
lose Kanäle eine Gondel vorwärts zu schieben. So mag
ihre
die Erschießung des Wiener Sattlermeisters Eschenbacher,
es denn immerhin stimmen, daß die dramatische Historie
diese
den der Dichter als einen Onkel Klährs austreten läßt,
„Der junge Medardus“ in künstlerischer Beziehung nur
Haß
sind die zwei wichtigsten historischen Ereignisse, auf denen
gewonnen hätte, wenn die Zahl der auf offener Bühne
groß
sich die Handlung der dramatischen Historie Schnitzlers
fallenden Schüsse eingeschränkt worden wäre, und anderer¬
dent
aufbaut. Es blieb also — selbstverständlich bei aller
seits scheint das Uebermaß an psychologischer Kleinmalerei
dun
Wahrung geschichtlicher Treue in der Zeichnung des
häufig auf den unverkennbaren Zug ins Große hemmend
Onk
großen historischen Hintergrundes — neben der Wahr¬
einzuwirken. Es hätte vielleicht nicht unbedingt das Ganze
heit noch gerade genug Raum für die Dichtung übrig.
erst in so viel Pulverdampf gehüllt werden müssen, damit
ihm
Das Schicksal des jungen Mebardus wird nämlich innig
man ja nicht Klios ernsten Schritt überhöre, und die
liche
mit jenem eines Herzogs von Valois und dessen Familie
neben der Historie ihre sanften Fäden spinnende Historiette
vorh
verknüpft. Der alte, blinde Herzog träumt in seinem
hätte gleichfalls kaum darunter gelitten, wenn der Szenen
gew
Wiener Exil den Königstraum weiter, um dessen Willen
aus dem Kleinleben der belagerten Großstadt weniger
glau
er sein Vaterland hatte verlassen müssen. Einzelne Mit¬
geworden wären. Aber an derlei Nebensächlichkeiten darf
rasst
glieder seiner Familie und wenige Getreue träumen
man nicht allzu viel Aufmerksamkeit verschwenden, wenn
Aben
diesen Traum mit oder tun so, als würden sie ihn mit¬
man das schöne Schauspiel genießt, daß ein
Held
träumen, um den kranken Herzog seiner schönen Lebens¬
schöpferischer Geist neue Wege sucht, die ihn zu
Nart
lüge nicht zu berauben. Wer da nicht mittut, ist der
neuen Werken führen sollen, und voll Ungestüm
dem
junge Herzogssohn Francois, dem die Liebe der Wiener
neuen Entwicklungsmöglichkeiten entgegeneilt. Man
Atte
Bürgerstochter Agathe Klähr, einer Schwester des jungen
darf sich durch all den umständlichen Apparat der Aeußer¬
ist d
Medardus, mehr bedeutet als alle Ansprüche auf die
lichkeiten nicht verwirren lassen; nicht durch die endlose
Star
Litanei der Personen, die der Theaterzettel verzeichnet,
französische Königskrone. Und eben hier setzt die Tra¬
nicht durch die vielen Verwandlungen der Bühne, nicht
gödie ein. Da an eine Verbindung angesichts
des
durch das Knattern der Gewehre und das Donnern der
Widerstandes der herzoglichen Familie natürlich
nicht
hälf
Geschütze, auch nicht durch all den Tratsch und Klitsch
zu denken ist, beschließen die Liebenden, gemeinsam zu
schwi
der Vettern und Basen aus dem Jahre 1809. Es ist ja sterben, und just in jener Nacht, da Medardus, der amsticke
B
zu
9
pl.
du
D
de
ni
de
un
ge
22. Der junge Medandus
doch keine einfach auf den theatralischen Effekt zu¬
näc
1Feuilleton.
geschnittene melodramatische Schaustellung, sondern ehr¬
Kar
lichste Dichterarbeit, die nirgends den Zug ins Große
aus
Burgtheater.
verleugnen möchte.
Tra
(Zum erstenmal: „Der junge Medardus“
Aus Wahrheit und Lüge ist die Fabel der „dra¬
Ple
dramatische Historie in einem Vorspiel
Ent
matischen Historie“ gesponnen. Das tragische Schicksal
und fünf Aufzügen von Arthur Schnitzler.)
des Naumburger Predigersohnes Friedrich Stapß, der
tau
Es ist, als sähe man Einen, der bisher in der Nähe
blei
sich bei einer Revue in Schönbrunn an Napoleon heran¬
des schützenden Hafens und im Angesicht lieblicher,
auf
zudrängen versucht hatte, um ihn mit einem Messer zu
blumengeschmückter Küsten sein Fahrzeug herum ummelte,
trete
erstechen, bildet ie geschichtliche Grundlage, auf der der
plötzlich aufs große, weite Meer hinausrudern. Wer
Dichter die Geschichte des jungen Medardus Klähr
Gest
solches wagt, dem mag es nun zuweilen passieren, daß er
es gab übrigens zu jener Zeit in Wien eine bekannte
zu manchem Ruderschlag, der einfacher hätte
geführt
Bürgersfamilie dieses Namens — aufbaute. Als
(205
1
werden können, zu umständlich ausholt, dann
wieder
sein
Friedrich Stapß ergriffen worden war und unumwunden
gerade
dort, wo energische Konzentrierung
aller
schin
seine Absicht, den Kaiser umzubringen, gestanden hatte,
Kräfte notwendig gewesen wäre, um eine
unver¬
Zwe
da ließ ihn Napoleon, durch seine heldenhafte Haltung
mutet
herandringende Welle abzuwehren,
sachte
bestochen, vorführen und richtete, wie Historiker berichten,
fäng
und behutsam, zugleich aber mit einem Stich
ihre
an ihn die Frage: „Würden Sie es mir danken, wenn
ins Sorglose das Ruder führt, als gelte es nicht, ge¬
wirk
ich Sie begnadigte?“ worauf Stapß erwiderte: „Ich
fährlicher Brandung standzuhalten, sondern durch harm¬
er n
würde Sie doch zu töten suchen!" Dieser Vorfall und
lose Kanäle eine Gondel vorwärts zu schieben. So mag
ihre
die Erschießung des Wiener Sattlermeisters Eschenbacher,
es denn immerhin stimmen, daß die dramatische Historie
diese
den der Dichter als einen Onkel Klährs austreten läßt,
„Der junge Medardus“ in künstlerischer Beziehung nur
Haß
sind die zwei wichtigsten historischen Ereignisse, auf denen
gewonnen hätte, wenn die Zahl der auf offener Bühne
groß
sich die Handlung der dramatischen Historie Schnitzlers
fallenden Schüsse eingeschränkt worden wäre, und anderer¬
dent
aufbaut. Es blieb also — selbstverständlich bei aller
seits scheint das Uebermaß an psychologischer Kleinmalerei
dun
Wahrung geschichtlicher Treue in der Zeichnung des
häufig auf den unverkennbaren Zug ins Große hemmend
Onk
großen historischen Hintergrundes — neben der Wahr¬
einzuwirken. Es hätte vielleicht nicht unbedingt das Ganze
heit noch gerade genug Raum für die Dichtung übrig.
erst in so viel Pulverdampf gehüllt werden müssen, damit
ihm
Das Schicksal des jungen Mebardus wird nämlich innig
man ja nicht Klios ernsten Schritt überhöre, und die
liche
mit jenem eines Herzogs von Valois und dessen Familie
neben der Historie ihre sanften Fäden spinnende Historiette
vorh
verknüpft. Der alte, blinde Herzog träumt in seinem
hätte gleichfalls kaum darunter gelitten, wenn der Szenen
gew
Wiener Exil den Königstraum weiter, um dessen Willen
aus dem Kleinleben der belagerten Großstadt weniger
glau
er sein Vaterland hatte verlassen müssen. Einzelne Mit¬
geworden wären. Aber an derlei Nebensächlichkeiten darf
rasst
glieder seiner Familie und wenige Getreue träumen
man nicht allzu viel Aufmerksamkeit verschwenden, wenn
Aben
diesen Traum mit oder tun so, als würden sie ihn mit¬
man das schöne Schauspiel genießt, daß ein
Held
träumen, um den kranken Herzog seiner schönen Lebens¬
schöpferischer Geist neue Wege sucht, die ihn zu
Nart
lüge nicht zu berauben. Wer da nicht mittut, ist der
neuen Werken führen sollen, und voll Ungestüm
dem
junge Herzogssohn Francois, dem die Liebe der Wiener
neuen Entwicklungsmöglichkeiten entgegeneilt. Man
Atte
Bürgerstochter Agathe Klähr, einer Schwester des jungen
darf sich durch all den umständlichen Apparat der Aeußer¬
ist d
Medardus, mehr bedeutet als alle Ansprüche auf die
lichkeiten nicht verwirren lassen; nicht durch die endlose
Star
Litanei der Personen, die der Theaterzettel verzeichnet,
französische Königskrone. Und eben hier setzt die Tra¬
nicht durch die vielen Verwandlungen der Bühne, nicht
gödie ein. Da an eine Verbindung angesichts
des
durch das Knattern der Gewehre und das Donnern der
Widerstandes der herzoglichen Familie natürlich
nicht
hälf
Geschütze, auch nicht durch all den Tratsch und Klitsch
zu denken ist, beschließen die Liebenden, gemeinsam zu
schwi
der Vettern und Basen aus dem Jahre 1809. Es ist ja sterben, und just in jener Nacht, da Medardus, der amsticke
B
zu
9
pl.
du
D
de
ni
de
un
ge