II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 66

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22. Derjunge Ledandus
den Geliebten hetzen lassen, geht Freiheit, er ist ja wider Willen der Retter des Kaisers zeichnet. Auf dieses illustrierende Beiwerk, das schein¬
geworden, doch übernimmt er nun die historische Rolle
n Marquis, bestellt sich aber für
bar Nebensächliche, verwendet der Dichter die größte
jenes Friedrich Staps, des redlichen deutschen Schwärmers,
ieder den jungen Wiener. Liebt
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es wird uns zur Hauptsache. Seine
Sorgfalt,
der die Welt von der Gottesgeißel mit einem Dolchstich be¬
nicht? Handelt es sich bloß um
ja eigentlich aus“ lauter Episoden,
Historie besteht
freien wollte und sich lieber erschießen ließ, als daß er
und episodischer Art sind namentlich die meisten der un¬
inne oder am Ende doch um
den Schwur geleistet hätte, von ferneren Mordgedanken
rt bleibt man uns schuldig. Und
zähligen Figuren; jede einzelne aber, mag sie einmal nur
abzulassen. Staps war ein ganz einfacher Charakter mit
r fürchterlichen Rache des jungen
und auf Nimmerwiedersehen vorübergleiten, ist ein durch¬
einem einzigen Gedanken im Kopf, einem einzigen Lebens¬
pathetischem Ingrimm uns ange¬
studierter Typus. Die Gefahr, ins. Sensationsdrama, ins
zweck in der Seele. Er konnte nicht anders handeln.
dieser bunten Szenenreihen
Ausstattungsstück zu entgleisen, lag sehr nahe. Doch nie
Weniger begreiflich ist es, daß der arme Medardus, der
handen gekommen zu sein. Erst
vergißt der Dichter sich selbst oder doch nur in seltenen
fast willenlos dahin und dorthin fackelt, hamletartig über
ner Familienehre, jetzt bloß noch
Augenblicken, wo auch er an dem derberen Theaterwesen
die Reinheit der Tat klügelt und gleich einem Wölkchen
abenteuerlichen Liebesromanes,
zu viel Gefallen findet. Davon abgesehen bleibt er bis
zwischen den Winden flattert, die Sprache jenes starken
Schicksal dieses Wiener Landwehr¬
zum Ende ein vornehmer Mann, voll feiner poetischer
Jünglings sich aneignet und dessen Heldentod als Knall¬
nach dem Tode seines Oheims
Empfindung, voll Geist, zur rechten Zeit voll des besten
effekt für seine Schlußszene verwendet. Wie recht hat der
n ausrufen: „Es ist der Mühe
Humors. Wer ihm folgt, hat Mühe, alle Blumen und
Dichter, wenn er von ihm sagt, Gott habe einen Helden
nun ahnen wir, denn unser
Blüten aufzulesen, die er während der langen Fahrt an
aus ihm schaffen wollen, der Lauf der Dinge einen
sich angesichts der vielfach ver¬
den Weg streut.
Narren aus ihm gemacht. Fragt sich nur, ob ein solcher
ächtlich geschärft, daß der junge
Darstellung, Ausstattung, Regie verdienen jedwede
Narr willkommener Stoff für dramatische Gestaltung
brunn laufen wird, um den
Anerkennung. Man weiß, daß es diesmal niedagewesene
sein kann.
So wird er den Eschenbacher
Schwierigkeiten zu überwinden gab. Das ganze Burg¬
Dies die Geschichte, die sehr anregend einsetzt, dann
sen beim Jesuitenhof erschossen
theater mußte mitspielen, das ganze. Angesichts dieser
durch eine endlose Reihe von Bildern sich verzettelt. Der
Leporelloliste von einem Theaterzettel beschränken wir uns
Dichter wollte zweierlei: einen interessanten Liebesroman
Mache hat Medardus kein Glück.
auf ein Lob in Bausch und Bogen, können höchstens
erzählen und zugleich die ganze Historie des Jahres
auch diese zweite, wie sie schon
von den beiden Hauptrollen ein Wörtchen sagen. Herrn
1809 mit all seinen Nöten und Fährden in den Rahmen
Sie will ihn jetzt für ihren
Gerasch gelang es nicht, für den jungen Medardus
der Bühne einfangen. Doch dem Roman war schon der
Wir hören von ihrem Versuch,
unser Interesse zu wecken. Dieses schwankende Rohr fest¬
Atem ausgegangen, als die Historie kaum begonnen. Der
enst ihrer ehrgeizigen Pläne zu
zuhalten, aus diesem komplizierten Charakter mit seinem
dritte Akt bringt erst die Beschießung der Stadt, und schon
dert. Die Tat wäre unrein, wenn
unsteten Wesen ein einheitliches Charakterbild zu schaffen,
ist unsere Teilnahme für Medardus und seine Prinzessin
Körder im Solde der Valois voll¬
dazu bedurfte es eines größeren Schauspielers, ja eines
erkaltet. Was kümmert uns erst das Bumbum der
als er vernimmt, daß Prinzessin
ganz großen. Zu einer bedeutenden Höhe erhob sich aber
Kanonen in einer dramatischen Einöde? Auch jener ab¬
Kaisers Naxoleon geworden —
die Prinzessin des Fräuleins Wohlgemuth. In ihr,
sonderliche Prätendentenhof ist eine nicht besonders glück¬
rücht lügt — erst dann greift er
will uns bedünken, hat das Burgtheater wirklich etwas
liche Fiktion. Da kommen und gehen die Leute, erscheinen
ktasche. Nun heraus mit dem be¬
Köstliches gewonnen, Jugend und Schönheit zugleich,
und verschwinden, ohne daß man errät, warum sie sich
t die Tat wieder rein geworden,
Jugend, die etwas kann, und Schönheit, vom Geiste be¬
auf die Bühne bemühten. Der ganz unhistorische Spuk
recht nicht den Napoleon,
seelt. Sie leiht nicht wenig Anziehungskraft dem neuen
verdampft schließlich in die Luft, woher er gekommen.
die ihm unversehens in den Weg
Werke, das übrigens trotz aller Schwächen in sich selbst
Ungleich besser geriet alles Wienerische in dem Stück.
erfährt er dann, daß sie
den stärksten Magnet trägt. Die dramatisierte Chronik des
Wiener Stube, Wiener Gasse, überall fühlt man sich zu
fr, den Kaiser zu ermorden.
dnis. Man schenkt ihm die Hause. Von den vielen Volksizenen sind fast alle ausae= Jahres 1809, wer wollte das nicht gesehen haben ?4 N.