II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 88

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22. DenjungeMedandus
RETREPEE
einen Blumenstrauß auf das Grab ihres Bruders legen
Burgtheater. 0ec
will, schroff entgegen, nötigt sie, die Blumen zu ent¬
(Zum erstenmal aufgeführt; „Der junge Medardus“,
fernen und wird von dem Marquis von Valois. der
historische Tragödie von Artur Schnitzler.) &
den Affront gesehen, zum Zweikampf gefordert. Helene
Ein vielbewegtes, an dramatischen Szenen und
verlangt von ihrem Verwandten den Tod Medardus' und
dichterischen Gestaltungen reiches Wiener Bild aus den
verspricht ihm dafür ihre Hand. Doch die Kämpfenden werden
napoleonischen Tagen des Jahres 1809 entrollt sich in
beide nur verwundet. Als ihm Helene durch ihr Kammer¬
mädchen Blumen übersendet, loht die aus Haß und
schier erdrückender Fülle in einem Zeitraume von fast
Liebe gemengte Leidenschaft mächtig in ihm empor. Er
fünf Stunden vor unseren erregten, aber auch ermüdeten
Sinnen.
steht vom Krankenlager auf, schleicht sich aus der
Wohnung, klettert über die Gartenmauer des herzog¬
Der Dichter steht in einem sortwährenden Kampfe
mit der Ueberfülle seines Stoffes, der hauptsächlich durch
lichen Besitzes und sagt Helenen überschwenglichen Dank
für ihre Blumengabe. Bald lodert die Leidenschaft in
eine große, mit der Haupthandlung nur lose zusammen¬
beiden empor und sie besiegeln ihren Liebesbund in
hängenden Episode, dem Schicksal der französischen Herzogs¬
einer geheimen Zusammenkunst.
familie von Valois, verursacht wird. Der junge Medardus
Bis hieher hat die umständliche und hyperroman¬
und seine Schwester Agathe, Kinder der Buchhändlers¬
witwe Klähr, kommen in einen tragischen Konflikt mit
tische Liebesaffäre keinen Zusammenhang mit den großen
der Familie Valois. Der junge Herzog François und
Kriegsereignissen und der Bedrängnis der Wiener
Bürgerschaft im Jahre 1809.
Agathe haben einen heimlichen Liebesbund geschlossen.
Um ihre dramatische Existenz zu rechtfertigen, kon¬
Die redlichen Absichten des Prinzen scheitern aber an
dem Widerstande von Frangois' Vater, der in seinem
struiert der Dichter eine Verschwörung gegen das Leben
eingebildeten Königsstolz die Ehe mit einem Bürger¬
Napoleons. Medardus hatte sie früher selbst geplant;
mädchen verweigert. Aus Verzweiflung hierüber suchen
als aber Helene später von ihm als Liebessold das
die Liebenden den Tod in den Wellen der Donau.
Leben des Eroberers verlangt, überkommt ihn ein Ekel
Auf dem Friedhof, wo das Paar gemeinsam
und er wird in seinem Entschlusse wankend. Da kommt
begraben wird, begegnen sich die beiden Familien.
ihm das Gerücht zu Ohren, daß Helene die Geliebte
Medardus tritt der stolzen Herzogstochter Helene, die 1 Napoleons geworden sei und sinnlos vor Wut ersticht er