22. DerjungeMedandus
„OBSERVER“
L. öeterr. behendi.
unten
Busenn
für Zefteng ensohsichten
Ko „ Wiinf-I.
Konköfm## 4
5 11. 1910
Grazer Tagespost
Gras, Steiermark
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O
—
Der junge Medardus.
S. Wien, 24. November. Die mit Spannung
erwartete Uraufführung von Schnitlers Der junge
Medardus fand heuta, inter vor einem
glänzenden Publikum statt. Es ist ein Stück, reich an
glänzenden Einzelheiten, dramatischen Schönheiten, aber
auch reich an dramatischen Schwächen. Ein fühlbarer
Mangel des Dramas liegt in dem Fehlen eines Helden.
Denn der junge Medardus ist ein Feuerkopf, stets be¬
reit, sein Leben um ein Nichts in die Schanze zu
schlagen, allein er ist kein Held, kein Mann der Tat.
In keiner Situation handelt der junge Medardus, so
wie er sollte oder wie er es eigentlich mußte. Er
ist auf dem Wege, um gegen Napolcon zu kämpfen,
bleibt aber knapp vor dem Ausmarsche zu Hause, weil
seine Schwester mit einem französischen Prinzen in die
Donau geht, Ca der alte Herzog von Valois in eine
Verbindung nicht einwilligt. Der junge Medardus bleibt
daheim, um den Tod der Schwester zu rächen. Er
gwinnt „das Herz der Prinzessin von Valois und will
ihre Schande dann ihrem Vater ins Gesicht schleu¬
dern. Als er aber seine Absicht ausführen könnte, han¬
belt er anders. Er hat sein Herz verloren. Schließlich
beabsichtigt er, Napoleon zu ermorden, aber auch zu
dieser Tat ist er nicht fähig. Da er auf sein Opfer
lauert, erscheint die Prinzessin, die er für die Geliebte
des Tyrannen hält und er tötet sie an Stelle Napoleons
Schnitzler hat mit seinem neuen Stück eine der bittersten
Satyren auf Wien und das Wienertum gemacht, diel
jemals geschrieben wurden. Gerade jene Stellen, die
am schärfsten gegen das Wienerische gezeichnet sind,
fanden den ggrößten Beifall. Die Vorbereitung der No¬
vität durch die Direktion war eine glänzende, die Auf¬
nahme eine großartige ,und der Beisall nach allen Ver¬
wandlungen ein riesiger.
0X 26
#
S
6680
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Ge
g
B
gu
Kieoe
ge
Grazer Tagespost
Graz, Steiermark
Die Aufführung des jungen Medardus. Aus
Wien wird uns vom 25.d. geschrieben: Die Erstauf¬
führung von Schnitzlers Der junge Medardus
währte bis nach Mitternacht. Die Aufführung fand
eine außerordentlich günstige Aufnahme. Der Dichter
wurde nach jeder Verwandlung unzähligemal gerusen.
Der Darstellung wohnten auch der Thronfolger mit
Gemahlin und Erzherzog Karl Stesan bei. Beson¬
deren Ersolg hatte das Wienerische im Stück. Die vielen
Volksszenen sind fast alle ausgezeichnet. Vesonders auf
dieses Beiwerk hat der Dichter die größte Sorgfalt ver¬
wendet. Sein Drama besteht fast nur aus Episoden,
jede einzelne aber ist ein durchgearbeitetes und in sich
geschlossenes Bild. Die Gefahr, ins Ausstattungsstück
zu entgleisen, lag sehr nahe, doch hat der Dichter nie¬
mals sich selbst vergessen. Er ist bis zum Ende ein
vornehmer Geist, voll feiner dichterischer Empfin¬
dung und voll des besten Humors geblieben. Dar¬
stellung, Ausstattung und Regie verdienen jegliche An¬
erkennung. Das ganze Burgtheater spielte mit. An¬
gesichts der großen Liste des Theaterzettels muß man
sich nur auf ein Lob in Bausch und Bogen beschränken.
3 auer icheutenbden Höhe erhod sich die Pringesin
des Fräuleins Wohlgemut. In ihr hat das Burg¬
theater wirklich etwas Köstliches gewonnen: Jugend
und Schönheit zugleich.
Klaine Mawanti###
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Konköfm## 4
5 11. 1910
Grazer Tagespost
Gras, Steiermark
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Der junge Medardus.
S. Wien, 24. November. Die mit Spannung
erwartete Uraufführung von Schnitlers Der junge
Medardus fand heuta, inter vor einem
glänzenden Publikum statt. Es ist ein Stück, reich an
glänzenden Einzelheiten, dramatischen Schönheiten, aber
auch reich an dramatischen Schwächen. Ein fühlbarer
Mangel des Dramas liegt in dem Fehlen eines Helden.
Denn der junge Medardus ist ein Feuerkopf, stets be¬
reit, sein Leben um ein Nichts in die Schanze zu
schlagen, allein er ist kein Held, kein Mann der Tat.
In keiner Situation handelt der junge Medardus, so
wie er sollte oder wie er es eigentlich mußte. Er
ist auf dem Wege, um gegen Napolcon zu kämpfen,
bleibt aber knapp vor dem Ausmarsche zu Hause, weil
seine Schwester mit einem französischen Prinzen in die
Donau geht, Ca der alte Herzog von Valois in eine
Verbindung nicht einwilligt. Der junge Medardus bleibt
daheim, um den Tod der Schwester zu rächen. Er
gwinnt „das Herz der Prinzessin von Valois und will
ihre Schande dann ihrem Vater ins Gesicht schleu¬
dern. Als er aber seine Absicht ausführen könnte, han¬
belt er anders. Er hat sein Herz verloren. Schließlich
beabsichtigt er, Napoleon zu ermorden, aber auch zu
dieser Tat ist er nicht fähig. Da er auf sein Opfer
lauert, erscheint die Prinzessin, die er für die Geliebte
des Tyrannen hält und er tötet sie an Stelle Napoleons
Schnitzler hat mit seinem neuen Stück eine der bittersten
Satyren auf Wien und das Wienertum gemacht, diel
jemals geschrieben wurden. Gerade jene Stellen, die
am schärfsten gegen das Wienerische gezeichnet sind,
fanden den ggrößten Beifall. Die Vorbereitung der No¬
vität durch die Direktion war eine glänzende, die Auf¬
nahme eine großartige ,und der Beisall nach allen Ver¬
wandlungen ein riesiger.
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Graz, Steiermark
Die Aufführung des jungen Medardus. Aus
Wien wird uns vom 25.d. geschrieben: Die Erstauf¬
führung von Schnitzlers Der junge Medardus
währte bis nach Mitternacht. Die Aufführung fand
eine außerordentlich günstige Aufnahme. Der Dichter
wurde nach jeder Verwandlung unzähligemal gerusen.
Der Darstellung wohnten auch der Thronfolger mit
Gemahlin und Erzherzog Karl Stesan bei. Beson¬
deren Ersolg hatte das Wienerische im Stück. Die vielen
Volksszenen sind fast alle ausgezeichnet. Vesonders auf
dieses Beiwerk hat der Dichter die größte Sorgfalt ver¬
wendet. Sein Drama besteht fast nur aus Episoden,
jede einzelne aber ist ein durchgearbeitetes und in sich
geschlossenes Bild. Die Gefahr, ins Ausstattungsstück
zu entgleisen, lag sehr nahe, doch hat der Dichter nie¬
mals sich selbst vergessen. Er ist bis zum Ende ein
vornehmer Geist, voll feiner dichterischer Empfin¬
dung und voll des besten Humors geblieben. Dar¬
stellung, Ausstattung und Regie verdienen jegliche An¬
erkennung. Das ganze Burgtheater spielte mit. An¬
gesichts der großen Liste des Theaterzettels muß man
sich nur auf ein Lob in Bausch und Bogen beschränken.
3 auer icheutenbden Höhe erhod sich die Pringesin
des Fräuleins Wohlgemut. In ihr hat das Burg¬
theater wirklich etwas Köstliches gewonnen: Jugend
und Schönheit zugleich.
Klaine Mawanti###