II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 115

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# #nter. bebördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Clevelund, Chrtstianta
Oenf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapollz
New-Vork, Paris, Rom, San Francisoo, Stockholm, St. Peters
burg, Toronto.
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DRESDNER ANZEIC
25 301910
Theater und Musik
* Schnitzlers neues Drama. Der junge Medar¬
dus, drümntische Historie in einem Vorspiel und fünf
Akten von Arthur Schnitzler, deren Uraufführung
am Burgtheater in Wien stattfand, ist in S. Fischers Verlag
in Berlin soeben in Buchform erschienen. Das Stück spielt
in Wien zur Zeit der napoleonischen Kriege. Die Haupt¬
gestalt ist ein junger Wiener Student, der sich in allerlei
Liebesabentener verstrickt und schließlich den Kaiser Napo¬
leon in Schönbrunn erstechen will. Statt dessen tötet er
eine junge Herzogin von Valois, die den Kaiser ebenfalls
ermorden wollte. Medardus weigert sich, eine Begnadigung
anzunehmen und wird standrechtlich erschossen. Die Schlu߬
szene ist die einfachste, aber die stärkste und dichterischste des
ganzen Dramas. Hier erkennt man auch, wie der Dichter
diesen Medardus eigentlich gemeint hat. Als einen, den Gott
zum Helden schaffen wollte; „der Lauf der Dinge machte
einen Narren aus ihm" Einen wirren, ehrlichen und
idealen Schicksalsnarren, der alles zu schwer, zu ernst
nimmt, der phantastisch träumend durchs Leben taumelt,
immer zu großen Taten sprungbereit, ohne sie jemals wirk¬
lich zu vollbringen — worin vielleicht eine tiefere öster¬
reichische Symbolik steckt. Um diesen Medardus herum be¬
wegt sich eine große Zahl von echten Schnitzlerschen Ge¬
stalten: die seltsame, kalt=leidenschaftliche Mädchengestalt der
Prinzessin Helene, der bucklige philosophische Buchhändler
Etzelt, der kluge Doktor Assalagey, der ironische Arzt Bü¬
dinger, ein symbolischer uralter Herr, den nichts mehr nahe
geht, der charakterlose Delikatessenhändler Wachshuber, wie
überhaupt das Wien von 1809 glänzend charakterisiert ist.
Die Sprache des Stückes ist teils schwungvoll und feierlich,
teils zwanglos wienerisch und enthält manches schöne und
tiefe Wort. Vieles wirkt durch Länge und Kompliziertheit
ermüdend, namentlich die langwierigen Auseinandersetzun¬
gen und Beratungen der französischen Emigranten. Da¬
gegen gehören andere Stellen, zum Beispiel der Schluß des
Vorspiels, die nächtliche Gartenszene und der Schluß des
dritten und vierten Aktes zum Schönsten und Stärksten,
was Schnitzler geschrieben hat. Technisch ist das Stück ver¬
wickelt. Ungekürzt würde es sieben Stunden dauern. Der
Dichter hat daher für die Aufführung im Burgtheater eine
Bearbeitung vorgenommen, die aber noch immer ungefähr
fünf Stunden dauert. Auch in dieser Bühnenbearbeitung
ist der junge Medardus ein Werk mit 78 Figuren — also
etwa so viel wie im Faust. Das Vorspiel und die fünf
Akte zerfallen in 18 Verwandlungen, was natürlich den
Zusammenhang und die geschlossene Wirkung sehr beein¬
trächtigt. Dafür gibt es freilich eine Anzahl wunder¬
schöner Bühnenbilder zu sehen: Eine Altwiener Wohnung,
einen kleinen Gasthof an der Donau, ein aristokratisches
Gartenpalais, den Währinger Friedhof, die Burgbastei im
Belagerungszustand und die Sehenswürdigkeit des Abends
den großen Schönbrunner Schloßhof. Professor Lefler hat
diese Dekorationen nach Altwiener Bildern entworfen und
Direktor Baron Berger hat zusammen mit Regisseur
Thimig in wochenlangen Proben ein Meisterstück der In¬
szenierungskunst zustande gebracht. Dazu kommt noch eine
außerordentliche Besetzung. Es wirken nämlich sämtliche
Damen und Herren des Burgtheaters mit, mit Ausnahme
des alten Baumeister. Die Titelrolle spielt Gerasch, die
Helene Fräulein Wohlgemut, den alten Herzog von Valois
Hartmann, den Eschembacher Balejthy, den Etzelt Treßler
usw. Ein imposantes künstlerisches Aufgebot, wie es einem
Dichter und seinem Werke nicht oft zur Verfügung steht.
I. I.
box 26/5
Telephon 12.801.
„ODÖENVEN
I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschelitsfeche Zeitung. Beriis
25.HUTEHSEN 1910
vom:
— —
„Wien, 24. November. (Eig. Drahtber.) „Der junge Medardus“.
von Arthur Schnitzler. Am 24. Juni 1809 wurde in
Wien der aus Überlingen am Bodensee eingewanderte Sattler¬
meister Eschenbach erschossen, weil er Kanonen=Rohre aus dem
bürgerlichen Zeughaus dem Verbot des französischen Heeres¬
Kommandos zuwider in seinem Garten eingegraben hatte. Der
Wiener Literarhistoriker Arnold, dem wir auch (im XI. Band der
Schriften des Literarischen Vereins) die Gabe: „Achtzehnhundertnenn.
Die politische Lyrik des Kriegsjahres“ verdanken, hat zum 100. Gedenk¬
tag der Hinrichtung Eschenbachs am 24. Juni 1909 im Amtsblatt,
der Wiener Zeitung, den Wortlaut des kriegsgerichtlichen Urteils
mit dem Zusatz drucken lassen: Genaueres wisse man nicht, doch
wäre zu hoffen, daß Dichter wie Bartsch oder Ertl den Stoff auf¬
greifen und ausgestalten würden. Als Arnold diesen Wunsch äußerte,
ahnte er nicht, daß Arthur Schnitzler längst um dieses
frei weiter entwickelte Motiv eine Historie „Der junge Medardus“
geschrieben. Eschenbach (nach dem eine Wiener Straße getauft ist)
heißt bei Schnitzler Eschenbacher; er ist der Onkel des jungen
Medardus (dessen Bühnenschicksale in der „Voss. Ztg.“ bereits er¬
zählt wurden). Dieser Inhaltsangabe läßt sich nicht der Reichtum
der Haupt= und Neben=Handlungen, die Fülle der Genrebilder ab¬
sehen, in denen Schnitzler die Wiener Bevölkerung, die Zustände
zwischen den Schlachten von Aspern und Wagram mit feiner, fester
Hand zu malen gesucht hat. Über fünf Stunden währte die Ur¬
aufführung des Stückes im Burgtheater. Regie und Schau¬
spieler leisteten eine Riesenarbeit, und das Publikum, das Schnitzler
vom Anfang an wärmstens entgegenkam, nahm das ganze Werk un¬
gemein wohlwollend auf.