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22. Denjunge Medandus
Talente Artbur Schnitzlers nicht hervorgehen Beidem söhnend, wie es nur die Liebe kann, de
wurde lebhaft gehuldigt. Es war eine Nachfeier der doppelt hoch angerechnet werden.
Feuilleton.“#
Aber dieser „junge Medardus“
Erinnerungen an Aspern, den Erzherzog Karl usw.
Stück, sondern die werte Person) ist das
Dem Werk ist das Datum seiner Entstehung aufge¬
Gect
Arthur Schnitzler hat seine
Burgtheater. #7
prägt. Aber während in anderen Fällen eine künst¬
Historie“ aus Geschichte und freier Er
lich an und aufgeregte Begeisterung rechtzeitig vor¬
„Der junge Medardus.“ Dramatische Historie von
sammengewebt, wie es nicht anders i
her Festspiele schafft, deren spekulative Verfasser
Arthur Schnißller. Zum erstenmale Donnerstag den
und zur ersteren dürfen wir unbedenkli
allemal ein bischen auf eine nächsichtige Jubiläums¬
24. November 1910.
typischen Gestalten und Situationen
stimmung rechnen, ist dieses Gedicht aus dem Feste
Vermutlich sollen wir an eine „dramatische
denen die geschriebene Ueberlieferung die
selbst hervorgegangen und erscheint daher in ange¬
Historie“ geringere Ansprüche stellen, als an das
die näheren Umstände nicht bewahrt hat.
messener Frist nach demselben, wie sich's eigentlich
historische Drama, und für den Mann, der das
der Dichter auf den sicheren Wegen, di
gehört. Es ist eine Frucht der Erinnerungen an
letztere wieder beleben könnte, hätten wir A. Schnitz¬
bistorischen und archäologischen Milien
1809, denen wir im vorigen Jahre auf verschiedene
ler auch ohne den jetzt vorliegenden Gegenbeweis
andere Art gehuldigt haben. Damals erstand dem von heute und gestern gezeigt haben
nicht gehalten. Dazu fehlt dem Dichter beliebter Ein¬
Auge des Wiener Dichters das Bild Wiens vor seine gute Bekanntschaft mit den lebend
akter und anderer kleiner Sittengemälde nicht nur
Titelheld und die Fabel seines Stückes
hundert Jahren. Das Wien der Franzosenzeit und
das Zeug, sondern im gegenwärtigen Falle auch der
der Franzosennot: in der Wirklichkeit kein sehr er¬ bin nicht so tief in die Lokalgeschichte e
Stoff und der Held. Fünf geschlagene Stunden, durch
und weiß nicht einmal, ob und wiewei
freuliches Bild, in der Kunst just so erfreulich, als
im Buch sind es sechs Akte,
fünfzehn „Bilder“.
urkundlich bezeugt sind; aber ich erdre
es der Dichter künstlerisch zu gestalten weiß. Es
— hindurch
nämlich ein Vorspiel und fünf Aufzüge,
behaupten, daß auch das beste urkundli
hätte sich auch „Wien anno 1809“ betiteln dürfen;
hält er uns auf dem Zuschauersitze fest; aber es
für sich allein noch keinen gültigen Pa
denn Wien ist die eigentliche Heldin des Stückes,
ist nicht der Bann einer großartig dahinrollenden
tritt in das Reich der dramatisierten
eine bedrängte und gequälte, fieberzerrüttete Stadt,
Handlung, der uns fesselt, sondern eine Reihe kleiner
deuten muß. Oder gar zu dem Hochsitz e
eine leidende Heldin also, und der Titelheld ist etwas
Schilderungen, die uns im einzelnen nicht mi߬
und Titelfigur! Ich wenigstens habe m
noch Schlimmeres: eine pathetische und pathologische,
fallen, im ganzen kalt lassen, und die wir uns nur
Herrn Medardus (den Jüngling, nicht
keine ethische Natur, genau besehen gar kein echter
aus Pflichtgefühl, Neugier und Interesse für das
nur geärgert; und wenn es Anderen bess
Wiener. Denn Wien hat Ethos und wenig Pathos.
Lokalkolorit und den Wiener Autor bis aus bittere
ist, so will ich mindestens sagen, war
Wien bleibt Wien auch unter dem Grollen der Ge¬
Ende (um halb 12 Uhr nachts!) gefallen lassen.
nicht eine Spur von Teilnahme abgewin
schütze von Aspern und Wagram; es zeigt sich bei
solcher Musik nur nicht eben von seiner vorteil¬ Die weitere Diagnose dürfte dem Arzt D
Der „junge Medardus“ hat bei der Erstauffüh¬
haftesten Seite. Das macht nichts. Auch die an= leichter fallen, als mir. Ich möchte nur
rung lauten, überlauten Beifall gefunden, und ganz
ziehendsten Gestaltungen der Kultur haben ihre Punkte der Krankheitsgeschichte aufmerk
Unrecht haben die Schreier und Klatscher nicht ge¬
die zugleich eine doppelte Liebesgeschich
habt. Denn ganz Verwerfliches konnte aus der Ver= schwachen Seiten und ihre schwachen Stunden, und
bindung eines lokalgeschichtlichen Stoffes mit dem wer die recht darzustellen weiß, so lichtvoll, so ver¬ kurze, einfache und eine lange, sonderbau
22. Denjunge Medandus
Talente Artbur Schnitzlers nicht hervorgehen Beidem söhnend, wie es nur die Liebe kann, de
wurde lebhaft gehuldigt. Es war eine Nachfeier der doppelt hoch angerechnet werden.
Feuilleton.“#
Aber dieser „junge Medardus“
Erinnerungen an Aspern, den Erzherzog Karl usw.
Stück, sondern die werte Person) ist das
Dem Werk ist das Datum seiner Entstehung aufge¬
Gect
Arthur Schnitzler hat seine
Burgtheater. #7
prägt. Aber während in anderen Fällen eine künst¬
Historie“ aus Geschichte und freier Er
lich an und aufgeregte Begeisterung rechtzeitig vor¬
„Der junge Medardus.“ Dramatische Historie von
sammengewebt, wie es nicht anders i
her Festspiele schafft, deren spekulative Verfasser
Arthur Schnißller. Zum erstenmale Donnerstag den
und zur ersteren dürfen wir unbedenkli
allemal ein bischen auf eine nächsichtige Jubiläums¬
24. November 1910.
typischen Gestalten und Situationen
stimmung rechnen, ist dieses Gedicht aus dem Feste
Vermutlich sollen wir an eine „dramatische
denen die geschriebene Ueberlieferung die
selbst hervorgegangen und erscheint daher in ange¬
Historie“ geringere Ansprüche stellen, als an das
die näheren Umstände nicht bewahrt hat.
messener Frist nach demselben, wie sich's eigentlich
historische Drama, und für den Mann, der das
der Dichter auf den sicheren Wegen, di
gehört. Es ist eine Frucht der Erinnerungen an
letztere wieder beleben könnte, hätten wir A. Schnitz¬
bistorischen und archäologischen Milien
1809, denen wir im vorigen Jahre auf verschiedene
ler auch ohne den jetzt vorliegenden Gegenbeweis
andere Art gehuldigt haben. Damals erstand dem von heute und gestern gezeigt haben
nicht gehalten. Dazu fehlt dem Dichter beliebter Ein¬
Auge des Wiener Dichters das Bild Wiens vor seine gute Bekanntschaft mit den lebend
akter und anderer kleiner Sittengemälde nicht nur
Titelheld und die Fabel seines Stückes
hundert Jahren. Das Wien der Franzosenzeit und
das Zeug, sondern im gegenwärtigen Falle auch der
der Franzosennot: in der Wirklichkeit kein sehr er¬ bin nicht so tief in die Lokalgeschichte e
Stoff und der Held. Fünf geschlagene Stunden, durch
und weiß nicht einmal, ob und wiewei
freuliches Bild, in der Kunst just so erfreulich, als
im Buch sind es sechs Akte,
fünfzehn „Bilder“.
urkundlich bezeugt sind; aber ich erdre
es der Dichter künstlerisch zu gestalten weiß. Es
— hindurch
nämlich ein Vorspiel und fünf Aufzüge,
behaupten, daß auch das beste urkundli
hätte sich auch „Wien anno 1809“ betiteln dürfen;
hält er uns auf dem Zuschauersitze fest; aber es
für sich allein noch keinen gültigen Pa
denn Wien ist die eigentliche Heldin des Stückes,
ist nicht der Bann einer großartig dahinrollenden
tritt in das Reich der dramatisierten
eine bedrängte und gequälte, fieberzerrüttete Stadt,
Handlung, der uns fesselt, sondern eine Reihe kleiner
deuten muß. Oder gar zu dem Hochsitz e
eine leidende Heldin also, und der Titelheld ist etwas
Schilderungen, die uns im einzelnen nicht mi߬
und Titelfigur! Ich wenigstens habe m
noch Schlimmeres: eine pathetische und pathologische,
fallen, im ganzen kalt lassen, und die wir uns nur
Herrn Medardus (den Jüngling, nicht
keine ethische Natur, genau besehen gar kein echter
aus Pflichtgefühl, Neugier und Interesse für das
nur geärgert; und wenn es Anderen bess
Wiener. Denn Wien hat Ethos und wenig Pathos.
Lokalkolorit und den Wiener Autor bis aus bittere
ist, so will ich mindestens sagen, war
Wien bleibt Wien auch unter dem Grollen der Ge¬
Ende (um halb 12 Uhr nachts!) gefallen lassen.
nicht eine Spur von Teilnahme abgewin
schütze von Aspern und Wagram; es zeigt sich bei
solcher Musik nur nicht eben von seiner vorteil¬ Die weitere Diagnose dürfte dem Arzt D
Der „junge Medardus“ hat bei der Erstauffüh¬
haftesten Seite. Das macht nichts. Auch die an= leichter fallen, als mir. Ich möchte nur
rung lauten, überlauten Beifall gefunden, und ganz
ziehendsten Gestaltungen der Kultur haben ihre Punkte der Krankheitsgeschichte aufmerk
Unrecht haben die Schreier und Klatscher nicht ge¬
die zugleich eine doppelte Liebesgeschich
habt. Denn ganz Verwerfliches konnte aus der Ver= schwachen Seiten und ihre schwachen Stunden, und
bindung eines lokalgeschichtlichen Stoffes mit dem wer die recht darzustellen weiß, so lichtvoll, so ver¬ kurze, einfache und eine lange, sonderbau