II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 228

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22. Der junge Medandus
Feuilleton.
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Der junge Medardus.*)%#
(Original=Feui##on der „Pießburger Zeltung.“)
Arthur Schnitzle ist der einzige lebende Dich¬
ter, der über üllei Parteien steht. In dem chao¬
tischen Kampfe der verschiedenen Anschauungen
über Kunst, der unserem Jahrhundert so viele Per¬
spektiven eröffnet, findet jede Persönlichkeit neben
unbedingten Bewunderern ablehnende Gegner und
wer der Jugend als Prophet einer vollkommeneren
Lebenskunst gilt, wird von den Besonneneren und
Bejahrteren mit derselben Einmütigkeit als un¬
verständlich und talentlos abgelehnt. Schnitzler
steht seit fast einem Jahrzehnt über allen diesen
Parteien; es gibt manche, die ihm andere Drama¬
tiker vorziehen, vielen sind seine Romane zu weich.
zu unmännlich, aber ob man jung oder alt, Idea¬
list oder Realist, Symbolist oder Naturalist sei, mit
einer gewissen bewundernden Geste steht jeder
mann, der je in seinen Werken geblättert, vor die¬
sem Menschen, der ohne Zweifel einer der Aus¬
erwählten, ein Dichter ist. Ein jedes seiner neuen
Werke erweckt Interesse; sei es mehr oder weniger
gelungen, selbst in seinen Irrtümern und Unvoll¬
kommenheiten bleibt es ein anziehendes, erquicken¬
des Kunstwerk.
Vom neuesten Drama Schnitzlers hörte man
schon lange; ja es wurde sogar, was sonst bei dem
vornehmsten Theater nicht Sitte ist, Reklame damit
getrieben. Allein die Berichte über die Aufführ¬
ung im Burgtheater, sowie auch die Besprechungen
des in Druck erschienenen Werkes, waren ein wenig
zurückhaltend, überall hieß es: Sehr schön, sehr
) Im Buchhandel erschienen beim Verlage
S. Fischer, Berlin.
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gut, aber ...... Es gab ein Aber! Unser skev. Wirkung gerne widersetz
jemandem gerecht zu#
tisches Publikum sagte sich: Aha, das Stück hat kei¬
verstehen; man muß in
nen Erfolg, denn jeder Mensch liest heute schon
last ihm folgen und sag
zwischen den Zeilen und versteht klug die Journa¬
wiege mich in Deine T
listen zu durchblicken! Leute, die vom Stücke keine
ich wiederholt nach der
Silbe lasen und nur höchstens eine Rezension
zur vielgerühmten Auf
durchflogen, gefielen sich mit überlegmem Lächeln,
einen Platz zu verschaffe
das Stück abzutun. Doch ist dem nicht so! Ich
was vom jungen Medar
will versuchen, den Lesern von einem Theater¬
Die Grundfabel des
abende, ohne Versuch einer persönlichen Kritik ein¬
Konflikt, ist kurz ausgen
fach zu erzählen — ich bin aber überzeugt, daß alle
gend ist ungestüm im Al
jene, die sich einen persönlichen Geschmack zumu¬
hat den Kopf voll stürmi
ten und nicht mit den Wölfen zu heulen gewohnt
das Leben lacht sie aus,
sind, zumindest das Verlangen in sich spüren wer¬
sie aus dem Geleise zu
den, die nähere Bekanntschaft des „jungen Medar¬
zum Helden schaffen,
dus“ zu machen.
macht Narren aus ihnen
Ein dramatisches Werk wirkt nur von der
jungen Wiener Bürgers
Bühne. Die Lektüre ist nur ein schwacher Versuch,
Vollbesitze seiner gesunde
den Eindruck eines Theaterstückes zu genießen und
Drang hat, Heldentaten
zumeist das Hilfsmittel jener, die in der Gesell¬
Tat zu begehen. Das
schaft über alles zu sprechen wissen müssen, was in
Napoleons narrt ihn zu
der Mode ist, ohne das Bedürfnis zu haben, ihre
Schaar der begeisterten
eigene liebe Persönlichkeit dem Dichter zu widmen;
Welteroberer in den We
die Lektüre ist nur ein Surrogat, ein Ergänzungs¬
Enttäuschung eines jede¬
mittel. Denn die psychologische Arbeit des Lesens
einstweilen erspart, denn
geschieht bekanntlich in erster Reihe durch den Ver¬
sich ihm in den Weg un
stand; bis der Sinn eines gedruckten Wortes in
neuen Vorhaben, er mu
uns ersteht, hat die Pernunft eine ziemliche Auf¬
ster die von der Präte
unserem Gemüte kommt
gabe zu lösen
leis verschmäht, ihre Sch
dann eine Rolle zu, wenn wir uns vorstellen, wie
Donau begrub, rächen.
diese geschilderte Person auf unsere Augen wirken
nichts anderes, als an R
würde, wie dieser Ausruf in unser Ohr klingen
wie der dänische Königs
würde! Anstatt dem Dichter nun unser empfäng¬
der Größe seines Beginn
liches Herz zu leihen, das er durch Vermittlung
zum zweitenmal; er spieg
der Sinne in der denkbar mannigfaltigsten Weise
lichkeit der Rache vor in
beherrscht und auf dem er die verschiedensten Ska¬
Prinzessin, an der er sich
len menschlicher Empfindungen erstehen und ver¬
Zahn rächen will; wie ih
schwinden läßt, sehen wir ihn durch den gedruckten
zu Schanden brachte, so
Buchstaben mit unserer nüchternen, durchdringen¬
den kalten Vernunft, die sich spröde einer jeden! schämen. Aber die Gegen