II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 229

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22. Der junge bedandus
Wirkung gerne widersetzt. Dies ist nicht die Art,
gut aber . Es gad ein Abert Unfer sie¬
jemandem gerecht zu werden, einen Dichter zu
tisches Publikum sagte sich: Aha, das Stück hat kei¬
verstehen; man muß in Feiertagslaune, ohne Bal¬
nen Erfolg, denn jeder Mensch liest heute schon
illeton.
last ihm folgen und sagen: Da hast Du mich, jetzt
zwischen den Zeilen und versteht klug die Journa¬
wiege mich in Deine Träume. Deshalb versuchte
listen zu durchblicken! Leute, die vom Stücke keine
ich wiederholt nach der Lektüre des Werkes mir
Medardus.*)#

Silbe lasen und nur höchstens eine Rezension
zur vielgerühmten Aufführung des Burgtheaters
durchflogen, gefielen sich mit überlegenem Lächeln,
der „Pießburger Zeitung.“)
einen Platz zu verschaffen und erst jetzt kann ich
das Stück abzutun. Doch ist dem nicht so! Ich
ist der einzige lebende Dich¬
was vom jungen Medardus erzählen.
will versuchen, den Lesern von einem Theater¬
Die Grundfabel des Dramas, der eigentliche
arteien steht. In dem chao¬
abende, ohne Versuch einer persönlichen Kritik ein
verschiedenen Anschauungen
Konflikt, ist kurz ausgedrückt folgender: Die Ju¬
fach zu erzählen — ich bin aber überzeugt, daß alle
gend ist ungestüm im Aushecken von Plänen, sie
em Jahrhundert so viele Per¬
jene, die sich einen persönlichen Geschmack zumu¬
hat den Kopf voll stürmisch drängender Ideen, aber
det jede Persönlichkeit neben
ten und nicht mit den Wölfen zu heulen gewohnt
das Leben lacht sie aus, denn ein Ruck genügt, um
krern ablehnende Gegner und
sind, zumindest das Verlangen in sich spüren wer¬
sie aus dem Geleise zu bringen. „Gott will sie
Prophet einer vollkommeneren
den, die nähere Bekanntschaft des „jungen Medar¬
zum Helden schaffen, aber der Lauf der Dinge
von den Besonneneren und
dus“ zu machen.
macht Narren aus ihnen.“ So ergeht es auch dem
selben Einmütigkeit als un¬
Ein dramatisches Werk wirkt nur von der
jungen Wiener Bürgersohn Medardus, der im
tlos abgelehnt. Schnitzler
Bühne. Die Lektüre ist nur ein schwacher Versuch,
Vollbesitze seiner gesunden Kraft den unbestimmten
Jahrzehnt über allen diesen
den Eindruck eines Theaterstückes zu genießen und
Drang hat, Heldentaten zu vollführen, eine große
##che, die ihm andere Drama¬
zumeist das Hilfsmittel jener, die in der Gesell¬
Tat zu begehen. Das ereignisreiche Zeitalter
sind seine Romane zu weich.
schaft über alles zu sprechen wissen müssen, was in
Napoleons narrt ihn zuerst, es lockt ihn in die
ob man jung oder alt, Idea¬
der Mode ist, ohne das Bedürfnis zu haben, ihre
Schaar der begeisterten Soldaten, die sich dem
bolist oder Naturalist sei, mit
eigene liebe Persönlichkeit dem Dichter zu widmen;
Welteroberer in den Weg stellen wollen; aber die
bundernden Geste steht jeder
die Lektüre ist nur ein Surrogat, ein Ergänzungs¬
Enttäuschung eines jeden Soldaten bleibt ihm
n Werken geblättert, vor die¬
mittel. Denn die psychologische Arbeit des Lesens
einstweilen erspart, denn ein neues Ereignis stellt
ohne Zweifel einer der Aus¬
geschieht bekanntlich in erster Reihe durch den Ver¬
sich ihm in den Weg und erfüllt ihn mit einem
rist. Ein jedes seiner neuen
stand; bis der Sinn eines gedruckten Wortes in
neuen Vorhaben, er muß den Tod seiner Schwe¬
isse; sei es mehr oder weniger
uns ersteht, hat die Pernunft eine ziemliche Auf¬
ster, die von der Prätendenten=Familie der Va¬
inen Irrtümern und Unvoll¬
unserem Gemüte kommt
leis verschmäht, ihre Schande in die Wellen der
gabe zu lösen
es ein anziehendes, erquicken¬
dann eine Rolle zu, wenn wir uns vorstellen, wie
Donau begrub, rächen. Wie Hamlet denkt er an
diese geschilderte Person auf unsere Augen wirken
nichts anderes, als an Rache und Vergeltung und
drama Schnitzlers hörte man
würde, wie dieser Ausruf in unser Ohr klingen
wie der dänische Königssohn zerschellt auch er an
##rde sogar, was sonst bei dem
würde! Anstatt dem Dichter nun unser empfäng¬
der Größe seines Beginnens. Der Zufall narrt ihn
nicht Sitte ist, Reklame damit
liches Herz zu leihen, das er durch Vermittlung
zum zweitenmal; er spiegelt ihm die süßeste Mög¬
e Berichte über die Aufführ¬
der Sinne in der denkbar mannigfaltigsten Weise
lichkeit der Rache vor in der Gestalt der stolzen
sowie auch die Besprechungen
beherrscht und auf dem er die verschiedensten Ska¬
Prinzessin, an der er sich Auge um Auge, Zahn um
inen Werkes, waren ein wenig
len menschlicher Empfindungen erstehen und ver¬
Zahn rächen will; wie ihr Bruder seine Schwester
hieß es: Sehr schön, sehr
schwinden läßt, sehen wir ihn durch den gedruckten
zu Schanden brachte, so will er sie besitzen und be¬
Buchstaben mit unserer nüchternen, durchdringen¬
del erschienen beim Verlage
den kalten Vernunft, die sich spröde einer jeden schämen. Aber die Gegenwart ist gar zu schön, die