Wien, I., Cön¬
Vertretungen-
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Clevein..
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Mi..
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Pe.
burg, Toronto.
(Quellenangabe chne Gewähr).
Ausschnitt aus:
Norddeuische Allgemoine Zeitur
PI
92
Com
e
SDr. H. W. Wien, Anfang Dezember. Zweierlei ist von
(der kürzlich im Burgtheater zum ersten Male aufgeführten
„dramatischen Historie" von Axthur Schnitzler
„er
junge Medardus zunächst zu sähen ederSatz eine
Schönheit bringt, und daß das Ganze sich doch nur ineschöne
Kleinmalerei auflöst. Es war die Absicht, zu zeigen, wie
ein Mensch, der das Zeug zu einem Helden hat, durch die Kraft der
äußeren Umstände zum Narren wird. Diese Absicht ist antikünstlerisch,
und gegen sie, nicht gegen die Ausführung, hat sich die Polemit zu
wenden; denn äußere Umstände bedeuten im höheren Sinne immer
nur eine Zufälligkeit; Kunst aber ist gesetzmäßige Aussonderung und
sinnbildliche Ausdeutung des Lebens. Der junge Medardus wird von
willkürlichen Ereignissen, die nicht aus dem Wesen seiner Zeit kommen,
willkürlich geschleudert und immer wieder von seinem vorgesetzten Wege
abgedrängt. Er will in den Befreiungskampf ziehen. Es ist 1809, und
Napoleon naht der österreichischen Residenz. Gerade wie Medardus
mit den soldatisch gerüsteten Studenten am Tage vor dem Abmarsch in
einer Donauschenke sitzt, werden seine Schwester und ihr Geliebter, der
Sohn des französischen Prätendenten, als Leichen aus dem Fluß gebracht.
Der hochmütige Stolz des Herzogs von Valois hat den beiden eine
Diesseitsvereinigung verwehrt. Da packt den jungen Medardus eine
Nachelaune. Er zieht nicht in den Kampf; er bleibt, um irgendwie,
wenn sich ihm Gelegenheit bietet, den Tod der Schwester zu fühnen
(wozu weder Berechtigung, noch Anlaß ist). Aber die Gelegenheit ist
ihm günstig. Er beleidigt die Schwester des jungen Valois und wird
von ihrem Vetter zum Zweikampf gefordert. Ein neues un¬
beabsichtigtes Ereignis bringt ihn seinem Racheplan nahe: er wird
in diesem Duell verwundet, und in plötzlicher Laune schickt ihm die
Prinzessin durch ihre Zofe blumige Grüße. Eine weibliche Laune,
nicht mehr. Aber aus ihr schürzt sich der Racheplan Medardus
Klährs, schürzt sich sein Schicksal, das ihn verstrickt. Er will sich
der Prinzessin nähern, will sie mit seiner Jugend bezwingen,
will sie entehren, wie ihr Bruder seine Schwester entehrt
hat, und sie mit seinen Armen, die noch heiß von ihrer
Umarmung sind, über die Stufen des Palastes
schleifen:
die Valois, die Dirne. Wiederum wird der Zufall sein Hülfsgenosse.
Die Prinzessin nimmt sein Werben an; sie wird die Geliebte des
Buchhändlersohnes. Er vergißt die Rot, die Schmach und Ver¬
knechtung seiner Vaterstadt. Napoleon ist vor Wien gekommen, die
Residenz der Habsburger kapituliert, die Schlacht von Aspern wird
geschlagen. Zum ersten Male muß der unbezwingliche Korse fliehen.
Seine Truppen kehren nach Wien zurück. Und der beleidigte
Condottiere züchtigt die Stadt. Der Oheim des jungen Medardus,
der Sattlermeister Eschenbach, wird füsiliert, weil er vor den französi¬
schen Spähern wichtige Atlanten verborgen hat. Medardus sieht den
Oheim zur Richtstatt schreiten, Medardus hört den Knall der
Gewehre, die ihn töten; und wiederum springt in ihm die Rachelust
hoch: er vergißt der Schwester, er will den Tod des Obeims durch
den Tod des Korsen rächen. Aber sein eigener Beginn fällt seinem
eigenen Willen in den Arm: die Prinzessin von Valois, seine
Geliebte, verlangt von ihm,
was seine eigene Absicht
sie dingt ihn zum Mörder Napoleons. Vor diesem Wort:
dungener Mörder, scheut er zurück. Da rafft sie selber sic
heldisch auf, sie will es tun. Aber im Volke munkelt man, daß sie
Napoleons Maitresse sei, eine seiner Maitressen. Die Valois, die
Dirne ... Hat sich ihm, dem Buchhändlersohn Medardus Klähr,
nicht jetzt sein Wille erfüllt, sind sie jetzt nicht herabgezerrt, die
stolzen Valois? Medardus spürt es nicht. Er fühlt sich nur be¬
trogen in seiner Liebe und um seine Tat. Und wie die Prinzessin
die Stufen zum Gemach Napoleons emporsteigt, um ihn zu er¬
dolchen, wird sie von Medardus angefallen und getötet. Man nimmt
ihn gefangen; aber der Mörder der Mordabsicht an dem Franzosen¬
kaiser wäre frei. Er wird zum Helden faute de mienx, das ein
Leben ohne Sinn, ein Leben in Ekel vor dem Ungefähr bedeutete. Er
ertrotzt sich die Füsilierung. Und während Friedensglocken den Ver¬
trag von Schönbrunn verkünden, wird (wie der Dichter meint) „der
letzte und seltsamste Held dieses Krieges“ gerichtet. Aber in Wirklich¬
keit ist Medardus Klähr nicht Held, noch Antiheld, sondern ein
bläßliches, verschnörkeltes Schemen, dessen Menschlichkeit
uns
nicht ergreift. Herr Gerasch vermochte ihn nicht näher zu
bringen. Doch wie in der Dichtung, standen auch auf der Szene
des Burgtheaters rings um ihn eine Schar von achtzig Gestalten, von
denen die letzten noch ein persönliches Erlebnis auszudrücken hatten.
Man war froh und stolz erstaunt, welche ungeheure Menge bedeutender
Spieler das Burgtheater besitzt, wenn ihm auch im männlichen
Ensembleteil das überragende Genie nicht mehr zu eigen ist. Allein
selbst dieser Mangel wurde durch einen weiblichen Gewinn wieder
aufgewogen; denn Fräulein Wohlgemut, die die Prinzessin war, scheint
mir die große Tragödienspielerin zu sein, die das Burgtheater seit der
Wolter entbehrt hat. Baron Berger brachte eine künstlerische Tat!
von höchstem Rang. (Inzwischen ist das Drama Arthur Schnitzlers
als Buch bei S. Fischer, Berlin, erschienen. Nach der Durchsicht
der Tragödie können wir das im Obigen ausgesprochene Urteil nür
bestätigen“ Redaktion.)
Telephon 12.691.
—
„ODUERVER
detssr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
a Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Oenf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Oechienangabe ohne Gewähr,
garo, Wien
Ausschnitt aus:
10 12. 1910
vom:
In einer Wiener Theaterkanzlei.
Diener: Herr Direktor, es ist ein Herr draußen, der
ein neues Stück einreichen will!
Direktor: Iit es vielleicht Herr Leo Fall?
Diener: Nein, Herr Direktor, Herr Leo Fall ist es
bestimmt nicht!
Direktor: Sie Esel! Warum sagen Sie dann nicht
gleich, daß ferr Arthur Schnitler da ist!?
S
Telopha
591.
„ODOERVER
J. Ooturr. bebördl. kons. Uuterpehmen für Zeitunge-ue
Wien, I., Conoordiaplats 4.
Vertretungen
in Bertin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Chet
Oent, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minnespolte,
New-Vork, Paria, Rom, San Francisco, Stockholen, Bt. Petess¬
burg, Toronto.
enngenen
Auseshaft anst.
Allgemeine Rundschau, München
TOOREeree
Verschiedenes aus aller Melt. „Der junge Medardus“
eine dramatische Historie von Arthur Schnitzler, erlebte im
Wiener Burgtheater die Uraufährung. Das Stück findet zahl¬
reiche Bewunderer, auch kühle Beurteiler rühmen ihm viele
Vorzüge nach. „Medandus“ ist die Tragödie eines jungen
Wieners, der, untüchtig das Leben zu meistern, sich am spiele¬
rischen Genuß des Augenblickes, an der schönen Linie, der
Rhythmik, dem Klang der Dinge berauscht, ohne die Kraft zu
finden, dem Schicksal zu gebieten. — In Karlsruhe gefiel Gott¬
abdeshong“ had nehen Maaner¬
Vertretungen-
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Clevein..
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Mi..
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Pe.
burg, Toronto.
(Quellenangabe chne Gewähr).
Ausschnitt aus:
Norddeuische Allgemoine Zeitur
PI
92
Com
e
SDr. H. W. Wien, Anfang Dezember. Zweierlei ist von
(der kürzlich im Burgtheater zum ersten Male aufgeführten
„dramatischen Historie" von Axthur Schnitzler
„er
junge Medardus zunächst zu sähen ederSatz eine
Schönheit bringt, und daß das Ganze sich doch nur ineschöne
Kleinmalerei auflöst. Es war die Absicht, zu zeigen, wie
ein Mensch, der das Zeug zu einem Helden hat, durch die Kraft der
äußeren Umstände zum Narren wird. Diese Absicht ist antikünstlerisch,
und gegen sie, nicht gegen die Ausführung, hat sich die Polemit zu
wenden; denn äußere Umstände bedeuten im höheren Sinne immer
nur eine Zufälligkeit; Kunst aber ist gesetzmäßige Aussonderung und
sinnbildliche Ausdeutung des Lebens. Der junge Medardus wird von
willkürlichen Ereignissen, die nicht aus dem Wesen seiner Zeit kommen,
willkürlich geschleudert und immer wieder von seinem vorgesetzten Wege
abgedrängt. Er will in den Befreiungskampf ziehen. Es ist 1809, und
Napoleon naht der österreichischen Residenz. Gerade wie Medardus
mit den soldatisch gerüsteten Studenten am Tage vor dem Abmarsch in
einer Donauschenke sitzt, werden seine Schwester und ihr Geliebter, der
Sohn des französischen Prätendenten, als Leichen aus dem Fluß gebracht.
Der hochmütige Stolz des Herzogs von Valois hat den beiden eine
Diesseitsvereinigung verwehrt. Da packt den jungen Medardus eine
Nachelaune. Er zieht nicht in den Kampf; er bleibt, um irgendwie,
wenn sich ihm Gelegenheit bietet, den Tod der Schwester zu fühnen
(wozu weder Berechtigung, noch Anlaß ist). Aber die Gelegenheit ist
ihm günstig. Er beleidigt die Schwester des jungen Valois und wird
von ihrem Vetter zum Zweikampf gefordert. Ein neues un¬
beabsichtigtes Ereignis bringt ihn seinem Racheplan nahe: er wird
in diesem Duell verwundet, und in plötzlicher Laune schickt ihm die
Prinzessin durch ihre Zofe blumige Grüße. Eine weibliche Laune,
nicht mehr. Aber aus ihr schürzt sich der Racheplan Medardus
Klährs, schürzt sich sein Schicksal, das ihn verstrickt. Er will sich
der Prinzessin nähern, will sie mit seiner Jugend bezwingen,
will sie entehren, wie ihr Bruder seine Schwester entehrt
hat, und sie mit seinen Armen, die noch heiß von ihrer
Umarmung sind, über die Stufen des Palastes
schleifen:
die Valois, die Dirne. Wiederum wird der Zufall sein Hülfsgenosse.
Die Prinzessin nimmt sein Werben an; sie wird die Geliebte des
Buchhändlersohnes. Er vergißt die Rot, die Schmach und Ver¬
knechtung seiner Vaterstadt. Napoleon ist vor Wien gekommen, die
Residenz der Habsburger kapituliert, die Schlacht von Aspern wird
geschlagen. Zum ersten Male muß der unbezwingliche Korse fliehen.
Seine Truppen kehren nach Wien zurück. Und der beleidigte
Condottiere züchtigt die Stadt. Der Oheim des jungen Medardus,
der Sattlermeister Eschenbach, wird füsiliert, weil er vor den französi¬
schen Spähern wichtige Atlanten verborgen hat. Medardus sieht den
Oheim zur Richtstatt schreiten, Medardus hört den Knall der
Gewehre, die ihn töten; und wiederum springt in ihm die Rachelust
hoch: er vergißt der Schwester, er will den Tod des Obeims durch
den Tod des Korsen rächen. Aber sein eigener Beginn fällt seinem
eigenen Willen in den Arm: die Prinzessin von Valois, seine
Geliebte, verlangt von ihm,
was seine eigene Absicht
sie dingt ihn zum Mörder Napoleons. Vor diesem Wort:
dungener Mörder, scheut er zurück. Da rafft sie selber sic
heldisch auf, sie will es tun. Aber im Volke munkelt man, daß sie
Napoleons Maitresse sei, eine seiner Maitressen. Die Valois, die
Dirne ... Hat sich ihm, dem Buchhändlersohn Medardus Klähr,
nicht jetzt sein Wille erfüllt, sind sie jetzt nicht herabgezerrt, die
stolzen Valois? Medardus spürt es nicht. Er fühlt sich nur be¬
trogen in seiner Liebe und um seine Tat. Und wie die Prinzessin
die Stufen zum Gemach Napoleons emporsteigt, um ihn zu er¬
dolchen, wird sie von Medardus angefallen und getötet. Man nimmt
ihn gefangen; aber der Mörder der Mordabsicht an dem Franzosen¬
kaiser wäre frei. Er wird zum Helden faute de mienx, das ein
Leben ohne Sinn, ein Leben in Ekel vor dem Ungefähr bedeutete. Er
ertrotzt sich die Füsilierung. Und während Friedensglocken den Ver¬
trag von Schönbrunn verkünden, wird (wie der Dichter meint) „der
letzte und seltsamste Held dieses Krieges“ gerichtet. Aber in Wirklich¬
keit ist Medardus Klähr nicht Held, noch Antiheld, sondern ein
bläßliches, verschnörkeltes Schemen, dessen Menschlichkeit
uns
nicht ergreift. Herr Gerasch vermochte ihn nicht näher zu
bringen. Doch wie in der Dichtung, standen auch auf der Szene
des Burgtheaters rings um ihn eine Schar von achtzig Gestalten, von
denen die letzten noch ein persönliches Erlebnis auszudrücken hatten.
Man war froh und stolz erstaunt, welche ungeheure Menge bedeutender
Spieler das Burgtheater besitzt, wenn ihm auch im männlichen
Ensembleteil das überragende Genie nicht mehr zu eigen ist. Allein
selbst dieser Mangel wurde durch einen weiblichen Gewinn wieder
aufgewogen; denn Fräulein Wohlgemut, die die Prinzessin war, scheint
mir die große Tragödienspielerin zu sein, die das Burgtheater seit der
Wolter entbehrt hat. Baron Berger brachte eine künstlerische Tat!
von höchstem Rang. (Inzwischen ist das Drama Arthur Schnitzlers
als Buch bei S. Fischer, Berlin, erschienen. Nach der Durchsicht
der Tragödie können wir das im Obigen ausgesprochene Urteil nür
bestätigen“ Redaktion.)
Telephon 12.691.
—
„ODUERVER
detssr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
a Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Oenf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Oechienangabe ohne Gewähr,
garo, Wien
Ausschnitt aus:
10 12. 1910
vom:
In einer Wiener Theaterkanzlei.
Diener: Herr Direktor, es ist ein Herr draußen, der
ein neues Stück einreichen will!
Direktor: Iit es vielleicht Herr Leo Fall?
Diener: Nein, Herr Direktor, Herr Leo Fall ist es
bestimmt nicht!
Direktor: Sie Esel! Warum sagen Sie dann nicht
gleich, daß ferr Arthur Schnitler da ist!?
S
Telopha
591.
„ODOERVER
J. Ooturr. bebördl. kons. Uuterpehmen für Zeitunge-ue
Wien, I., Conoordiaplats 4.
Vertretungen
in Bertin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Chet
Oent, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minnespolte,
New-Vork, Paria, Rom, San Francisco, Stockholen, Bt. Petess¬
burg, Toronto.
enngenen
Auseshaft anst.
Allgemeine Rundschau, München
TOOREeree
Verschiedenes aus aller Melt. „Der junge Medardus“
eine dramatische Historie von Arthur Schnitzler, erlebte im
Wiener Burgtheater die Uraufährung. Das Stück findet zahl¬
reiche Bewunderer, auch kühle Beurteiler rühmen ihm viele
Vorzüge nach. „Medandus“ ist die Tragödie eines jungen
Wieners, der, untüchtig das Leben zu meistern, sich am spiele¬
rischen Genuß des Augenblickes, an der schönen Linie, der
Rhythmik, dem Klang der Dinge berauscht, ohne die Kraft zu
finden, dem Schicksal zu gebieten. — In Karlsruhe gefiel Gott¬
abdeshong“ had nehen Maaner¬