II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 300

M
box 26/6
22. Dejungdandus
New-rora,
burg, Toronto.
(Gselienangabe ohre Gaw Ehr1.
Ausschnitt aus:
Mantags-Hovue, Wien
vom:
I3BLLERSER IOLO

Thrater, Kunst und Literatur.
Burgtheater.
Wir erhalten von einer Dame der vornehmsten Ge¬
sellschaft, welche Logenabonnentin, des Hofburgtheaters ist,
folgendesSchreiben:
Sehr geehrter Herr, Redaktéuf),
Alskeifrige Leserin Ihräs gaschätzten Blattgs bomerke
ich sehr wohl, mit welcher Unabhängigkeit und Entschlossen¬
heit Siesder=Mißwirtschaft an den beiden Hofbühnen zu
Leibe gehen. Merkwürdig! Das Publikum hilft sich und
meidet die Hoftheater in ganz demonstrativer Weise. Ich
bin noch Abonnentin; wenn ich da zu gewöhnlichen Re¬
pertoire=Vorstellungen in meine Loge trete, so erschrecke
ich oft vor der Leere, die mir aus dem Parkett wie von
den Galerien entgegengähnt. Die Zivilliste kann große
Lasten auf sich nehmen, aber daß sie das Geld für so viele
Mittelmäßigkeiten, wie sie die Herren von Weingart¬
ner und Baron Berger unaufhörlich engagieren, mit
vollen Händen zum Fenster hinauswirft, erscheint mir ver¬
wunderlich. Sie können mir erwidern, daß ich das gleiche
mit meinen Abonnements tue, aber ich bin eine alte Dame
und in den Hoftheatern aufgewachsen. Ich helfe mir ohne¬
hin soviel ich kann und suche oft an meinen Abonnements¬
abenden das Volkstheater mit seiner Abwechslung und
seinen vortrefflichen Darstellungen sowie die Kleine Wiener
Bühne auf, wo man auch interessante geistvolle Sachen,
sieht und die Regiekunst anstaunen muß. Sogar zu der¬
Operette habe ich mich entschlossen, an die ich früher gar
nicht dachte. Nur ist das keine Hilfe, jede dieser Bühnen
bringt im Jahre eine Novität und ihre Kasse ist versorgt.]
So bin ich in der Hauptsache doch auf die Hofthea¬
ter angewiesen, und da ergeht es mir herzlich schlecht. Zum
Dolmetsch meiner Eindrücke in der Hofoper haben Sie sich
selbst wiederholt gemacht, lassen Sie mich Ihnen Etwas
vom Burgtheater erzählen. Herr Baron Berger haust
dort wie der reine Sanherib. Selbst in den längst ver¬
gessenen Zeiten der unseligen Direktion Wolf war das
Neperteire nicht s# öde und leer, so grenzenlos einförmig
und langweilig' wie in der neuesten Acra. Shakespeare ist;
so gut wie ausgemerzt, Laube und Dingelstedt haben von
ihm gelebt, Wilbrandt und Burckhard ihn nicht ver¬
gessen. Baron Berger hat ihn förmlich gestrichen. Von
Schiller wird „Maria Stuart“ am öftesten gegeben.
Lessing schläft, wenn nicht gerade einmal die „Minna“ aus
denselben Gründen wie „Maria Stuart“ oder die „Monna
Banna“ auf die Bühne gestellt werden muß. Gespielt wer¬
den die durchgefallenen Novitäten dem Publikum zum Trotz
und die aufgewärmten neuszenierten Stücke, in welchen
meist Frl. Hoftenfel eine Glanzrolle zu spielen hat, die
sie aber auch nicht annähernd so wie Helene Hartmann
oder Stella Hohenfels hervorbringt, von Frl. Bo߬
ler und Frl. Baudius nicht zu reden, die mich ent¬
zückten — so alt bin ich nämlich schon. Aber Frl. Hof¬
teufel erfreut sich der besonderen Gunst des Baron Ber¬
ger, und da hat das zahlende Publikum nichts weiter
dreinzureden. Bis die Geschichte nicht etwa so ausgeht,
wie die Protektions=Affaire Marcel=Weingartner.
Wir Armen müssen recht oft den „Krieg im Frieden“ und
dergleichen hören. Dagegen wurde für den reichbegabten
Herrn Heine außer dem abgehetzten „Flachsmann“ noch
keine namhafte neue Rolle ausfindig gemacht und die
Hoffnung des Burgtheaters, Herr Balaithy, leistet fast
ausschließlich „Fuhrmann Henschel“=Dienste. Grenzenlos
eintönig ist das Repertoire, das wir armen Abonnen=
ten auszuhalten. Jüngst wurde endlich „Der junge
edehnn Rebrign