Me
box 26/7
22. Der junge dardus
Gralsdramen ausmacht. Nun ich
Versmaß erforderte. Stucken hat
„Lanväl“ auf der Bühne des Burg¬
alle drei Gralsdramen in die
gleiche Zwangsjacke eines Metrums
theaters gesehen, verstehe ich die
Scheu, das Kind beim rechten
gesteckt, das im Epos seine Schul¬
Namen zu nennen. Aus Hochach¬
digkeit tun mag, aber im Drama
tung vor dem Ernst und Eifer,
sich als ein untaugliches Instru¬
den Stucken an die kunstvolle
ment erweist, weil es mit seinem
Musterung seines Sprachkleides
feierlich einherstelzenden Rhythmus
den Schwung der Handlung lähmt
wendete, fand man nicht den Mut,
und mit seinen weitausholenden, in
es offen und ehrlich auszusprechen,
schweren Worten schwelgenden
wie wenig hinter diesem Wortprunk
Sprachbildern die Plastik der Vor¬
steckt, woran wir innerlich Anteil
nehmen könnten. Was in „Lan¬
gänge in die Fläche treibt, ganz ab¬
väl“ an pompösen Gesten und Wor¬
gesehen davon, daß der ewige Gleich¬
klang der Außen= und Innenreime
ten, an rauflustiger Ritterlichkeit
den Zuschauer betäubt und ihm eine
und geheimnisvollen Märchenwun¬
geistige Mitarbeit schier unmöglich
dern aufgeboten wird, steht wahrlich
macht. Alle Wirkungen, die von
in keinem Verhältnis zu der Dürf¬
tigkeit des poetischen Gehaltes. Wer
„Lanväl“ ausgehen, sind bestenfalls
dekorativer Natur. Dekorativ sind
die „Tannhäuser"=Sage umdichtet,
die Worte, die an unser Ohr klin¬
rückt sie unserm Empfinden nicht
gen, die Bilder, die sich an unser
näher, wenn er sie mit Elementen
Auge wenden, dekorativ die Leiden¬
aus einem andern Sagenkreis ver¬
schaften, womit sich die Helden dra¬
quickt und Frau Venus, die treueste
pieren, und dekorativ, wie für einen
Gefährtin des Satans, durch eine
ermordete Königstochter ersetzt, die
Illustrator hergerichtet, sind auch
keine dämonische Urleidenschaft per¬
die Konflikte zwischen sündiger und
reiner Liebe. So stellt dieses Grals¬
sonifiziert, sondern nur zu einem
drama einen Rückfall in die Zeit
gespenstigen Traum= und Liebes¬
leben erwacht, um zum zweitenmal
dar, wo Julius Wolff der meist¬
ermordet zu werden; und ein Zau¬
gelesene Dichter Deutschlands war,
und wir müssen uns wieder einmal
berspuk, der nur dazu da ist, um
mit der Erfahrung trösten, daß noch
einzuspringen, wo die Psychologie
kein Fortschritt ohne Rückschritt er¬
die Handlung im Stiche läßt, hat
kauft worden ist. Und in diesem
mit dem wahren Gralswunder, das
Trost dürfen wir uns um so mehr
uns Richard Wagner in seinem
bestärken lassen, als unter den vie¬
„Parsifal“ neu erleben läßt, nichts
len Dramen, die sich von der Gegen¬
zu tun. Bleibt also nur die viel¬
wart abwenden, wenigstens eines ist,
gerühmte Sprache. Auch hierin be¬
das verheißungsvoll in die Zukunft
finde ich mich im Widerspruch mit
weist: Schönherrs „Glaube und
ihren Bewunderern. Bei jedem
echten poetischen Gestalten schaffen
Heimat“.
Theodor Antropp
sich Gedanke und Gefühl ihren
sprachlichen Körper. Stucken macht
Musik
es umgekehrt: er hat zuerst ein
Marr
Versschema ausgewählt und in die¬
LOrcz wird ein neuer Lieder¬
Akompottist signalisiert, Joseph
ses den Inhalt hineingedichtet. Und
Marx, und man rühmt ihn als
nicht etwa bloß den eines einzigen
einen neuen Großmeister, der neue
Dramas, dessen balladesker Charak¬
Pfade weist. Aunmehr liegt ein
ter gerade dieses und kein anderes
Kunstwart XXIV, II
334
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22. Der junge dardus
Gralsdramen ausmacht. Nun ich
Versmaß erforderte. Stucken hat
„Lanväl“ auf der Bühne des Burg¬
alle drei Gralsdramen in die
gleiche Zwangsjacke eines Metrums
theaters gesehen, verstehe ich die
Scheu, das Kind beim rechten
gesteckt, das im Epos seine Schul¬
Namen zu nennen. Aus Hochach¬
digkeit tun mag, aber im Drama
tung vor dem Ernst und Eifer,
sich als ein untaugliches Instru¬
den Stucken an die kunstvolle
ment erweist, weil es mit seinem
Musterung seines Sprachkleides
feierlich einherstelzenden Rhythmus
den Schwung der Handlung lähmt
wendete, fand man nicht den Mut,
und mit seinen weitausholenden, in
es offen und ehrlich auszusprechen,
schweren Worten schwelgenden
wie wenig hinter diesem Wortprunk
Sprachbildern die Plastik der Vor¬
steckt, woran wir innerlich Anteil
nehmen könnten. Was in „Lan¬
gänge in die Fläche treibt, ganz ab¬
väl“ an pompösen Gesten und Wor¬
gesehen davon, daß der ewige Gleich¬
klang der Außen= und Innenreime
ten, an rauflustiger Ritterlichkeit
den Zuschauer betäubt und ihm eine
und geheimnisvollen Märchenwun¬
geistige Mitarbeit schier unmöglich
dern aufgeboten wird, steht wahrlich
macht. Alle Wirkungen, die von
in keinem Verhältnis zu der Dürf¬
tigkeit des poetischen Gehaltes. Wer
„Lanväl“ ausgehen, sind bestenfalls
dekorativer Natur. Dekorativ sind
die „Tannhäuser"=Sage umdichtet,
die Worte, die an unser Ohr klin¬
rückt sie unserm Empfinden nicht
gen, die Bilder, die sich an unser
näher, wenn er sie mit Elementen
Auge wenden, dekorativ die Leiden¬
aus einem andern Sagenkreis ver¬
schaften, womit sich die Helden dra¬
quickt und Frau Venus, die treueste
pieren, und dekorativ, wie für einen
Gefährtin des Satans, durch eine
ermordete Königstochter ersetzt, die
Illustrator hergerichtet, sind auch
keine dämonische Urleidenschaft per¬
die Konflikte zwischen sündiger und
reiner Liebe. So stellt dieses Grals¬
sonifiziert, sondern nur zu einem
drama einen Rückfall in die Zeit
gespenstigen Traum= und Liebes¬
leben erwacht, um zum zweitenmal
dar, wo Julius Wolff der meist¬
ermordet zu werden; und ein Zau¬
gelesene Dichter Deutschlands war,
und wir müssen uns wieder einmal
berspuk, der nur dazu da ist, um
mit der Erfahrung trösten, daß noch
einzuspringen, wo die Psychologie
kein Fortschritt ohne Rückschritt er¬
die Handlung im Stiche läßt, hat
kauft worden ist. Und in diesem
mit dem wahren Gralswunder, das
Trost dürfen wir uns um so mehr
uns Richard Wagner in seinem
bestärken lassen, als unter den vie¬
„Parsifal“ neu erleben läßt, nichts
len Dramen, die sich von der Gegen¬
zu tun. Bleibt also nur die viel¬
wart abwenden, wenigstens eines ist,
gerühmte Sprache. Auch hierin be¬
das verheißungsvoll in die Zukunft
finde ich mich im Widerspruch mit
weist: Schönherrs „Glaube und
ihren Bewunderern. Bei jedem
echten poetischen Gestalten schaffen
Heimat“.
Theodor Antropp
sich Gedanke und Gefühl ihren
sprachlichen Körper. Stucken macht
Musik
es umgekehrt: er hat zuerst ein
Marr
Versschema ausgewählt und in die¬
LOrcz wird ein neuer Lieder¬
Akompottist signalisiert, Joseph
ses den Inhalt hineingedichtet. Und
Marx, und man rühmt ihn als
nicht etwa bloß den eines einzigen
einen neuen Großmeister, der neue
Dramas, dessen balladesker Charak¬
Pfade weist. Aunmehr liegt ein
ter gerade dieses und kein anderes
Kunstwart XXIV, II
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