Med
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22. Der junge Jardus
eine trübe mythisch=symbolische
sung zeigt sich der berufene Drama¬
Theatralik hüllt, fühlt man sich den¬
tiker, der sich seiner Ziele wohl be¬
noch geistig angeregt, weil ein echter
wußt ist, während Schnitzler sich
Strindberg mit seinen heimlichen
in historischem Beiwerk und Neben¬
Stacheln und wetterwendischen Dok¬
sächlichkeiten verliert und sein Werk
trinen uns immerhin mehr zu sagen
mit Milieuschilderungen überlädt,
hat, als irgendeine glatte Nichtig¬
die die dramatische Handlung er¬
keit, die nur den Bühnengesetzen
drücken und ersticken und die Bühne
gehorcht oder in prunkvollen
zum Panoptikum erniedrigen. Nicht
Sprachbildern ihr künstlerisches Heil
um Schnitzler, dem die deutsche
sucht, wie etwa Hans Müllers
Bühne manche schöne Gabe ver¬
Märchenspiel „Das Wunder des
dankt, mit Schönherr zu erschlagen,
Beatus“ das durch den Prunk des
wurde dieser Vergleich gezogen, son¬
Wortes über die innere Leere und
dern um die Grenzlinien für die
die Abhängigkeit von Wagners
dramatische Vergangenheitsdichtung
„Lohengrin“ hinwegtäuschen möchte.
anzudeuten. Was sich zwischen
Das Wort aber wirkt auf der
ihnen bewegt, dafür bieten die übri¬
Bühne nur, wenn es der Situation
gen Stücke, die heuer in histori¬
selbstlos dient, wie es bei Karl
schen Kostümen über die Wiener
Schönherr der Fall ist. Hans Mül¬
Bühnen schritten, wohl lehrreiche,
ler tut das Gegenteil davon: er
aber minder interessante Beispiele
macht die dramatische Situation zur
poetischer Ziellosigkeit. August
Dienerin des Wortes und wird zum
Strindberg knüpft mit seiner „Kö¬
Wortschaumschläger, wo die Hand¬
nigin Christine" äußerlich an die
lung Schweigen gebietet.
dramatischen Historien Shakesperes
So sehen wir die Vorteile, die
an, indem er die Handlung der
die Vergangenheit der dramatischen
dienstbar
Charakterschilderung
Dichtung gewährt, nur wenig und
macht. Ihm ist es zwar weniger
die Bewegungsfreiheit, die mit der
um das reale Wie zu tun, als
Flucht aus dem realen Zwang der
um das ideelle Was, und er scheut
Gegenwart errungen werden sollte,
sich nicht, das geschichtlich überlie¬
zumeist nur zu einem Spiel mit
ferte Charakterbild seiner Heldin zu
bunten Außerlichkeiten genutzt, so
ändern, nur damit die berühmte
daß wir wieder einmal mitten im
Tochter Gustav Adolfs alle weib¬
Kampfe zwischen Schein und Sein,
zwischen Schale und Kern stehen,
seinem Kopfe malen, ungehemmt
wie einst, als der Naturalismus
ausstrahlen könne, und nur um zu
gegen die Kostümpoesie zu Felde
beweisen, daß die Frau in Purpur
zog. Daß Kräfte sich zum Streite
und Hermelin nicht besser ist als ihre
regen, ist das Erfreulichste an die¬
ungekrönten Schwestern. Nur weit
sem Kampfe. Sonst wüßte man mit
gefährlicher. Doch wie seltsam es
Erscheinungen wie Eduard Stuk¬
auch berührt, Königin Christine
kens „Lanväl“ einfach nichts anzu¬
entgegen der geschichtlichen Wahr¬
fangen. Ich muß gestehen: es war
heit als völlig kenntnislos in der
mir von allem Anfang an verdäch¬
Staatsverwaltung hingestellt zu
tig, immer nur Stuckens sprach¬
sehen, und wie sehr man sich auch
künstlerische Kraft loben zu hören,
über die technische Unzulänglichkeit
während man sich mit scheuer Ver¬
ärgern mag, die den dramatischen
legenheit just an dem vorbeidrückte,
Konflikt erst an das Ende des
Spieles stellt und ihn überdies in was den geistigen Inhalt seiner
35
Märsbeit o.
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22. Der junge Jardus
eine trübe mythisch=symbolische
sung zeigt sich der berufene Drama¬
Theatralik hüllt, fühlt man sich den¬
tiker, der sich seiner Ziele wohl be¬
noch geistig angeregt, weil ein echter
wußt ist, während Schnitzler sich
Strindberg mit seinen heimlichen
in historischem Beiwerk und Neben¬
Stacheln und wetterwendischen Dok¬
sächlichkeiten verliert und sein Werk
trinen uns immerhin mehr zu sagen
mit Milieuschilderungen überlädt,
hat, als irgendeine glatte Nichtig¬
die die dramatische Handlung er¬
keit, die nur den Bühnengesetzen
drücken und ersticken und die Bühne
gehorcht oder in prunkvollen
zum Panoptikum erniedrigen. Nicht
Sprachbildern ihr künstlerisches Heil
um Schnitzler, dem die deutsche
sucht, wie etwa Hans Müllers
Bühne manche schöne Gabe ver¬
Märchenspiel „Das Wunder des
dankt, mit Schönherr zu erschlagen,
Beatus“ das durch den Prunk des
wurde dieser Vergleich gezogen, son¬
Wortes über die innere Leere und
dern um die Grenzlinien für die
die Abhängigkeit von Wagners
dramatische Vergangenheitsdichtung
„Lohengrin“ hinwegtäuschen möchte.
anzudeuten. Was sich zwischen
Das Wort aber wirkt auf der
ihnen bewegt, dafür bieten die übri¬
Bühne nur, wenn es der Situation
gen Stücke, die heuer in histori¬
selbstlos dient, wie es bei Karl
schen Kostümen über die Wiener
Schönherr der Fall ist. Hans Mül¬
Bühnen schritten, wohl lehrreiche,
ler tut das Gegenteil davon: er
aber minder interessante Beispiele
macht die dramatische Situation zur
poetischer Ziellosigkeit. August
Dienerin des Wortes und wird zum
Strindberg knüpft mit seiner „Kö¬
Wortschaumschläger, wo die Hand¬
nigin Christine" äußerlich an die
lung Schweigen gebietet.
dramatischen Historien Shakesperes
So sehen wir die Vorteile, die
an, indem er die Handlung der
die Vergangenheit der dramatischen
dienstbar
Charakterschilderung
Dichtung gewährt, nur wenig und
macht. Ihm ist es zwar weniger
die Bewegungsfreiheit, die mit der
um das reale Wie zu tun, als
Flucht aus dem realen Zwang der
um das ideelle Was, und er scheut
Gegenwart errungen werden sollte,
sich nicht, das geschichtlich überlie¬
zumeist nur zu einem Spiel mit
ferte Charakterbild seiner Heldin zu
bunten Außerlichkeiten genutzt, so
ändern, nur damit die berühmte
daß wir wieder einmal mitten im
Tochter Gustav Adolfs alle weib¬
Kampfe zwischen Schein und Sein,
zwischen Schale und Kern stehen,
seinem Kopfe malen, ungehemmt
wie einst, als der Naturalismus
ausstrahlen könne, und nur um zu
gegen die Kostümpoesie zu Felde
beweisen, daß die Frau in Purpur
zog. Daß Kräfte sich zum Streite
und Hermelin nicht besser ist als ihre
regen, ist das Erfreulichste an die¬
ungekrönten Schwestern. Nur weit
sem Kampfe. Sonst wüßte man mit
gefährlicher. Doch wie seltsam es
Erscheinungen wie Eduard Stuk¬
auch berührt, Königin Christine
kens „Lanväl“ einfach nichts anzu¬
entgegen der geschichtlichen Wahr¬
fangen. Ich muß gestehen: es war
heit als völlig kenntnislos in der
mir von allem Anfang an verdäch¬
Staatsverwaltung hingestellt zu
tig, immer nur Stuckens sprach¬
sehen, und wie sehr man sich auch
künstlerische Kraft loben zu hören,
über die technische Unzulänglichkeit
während man sich mit scheuer Ver¬
ärgern mag, die den dramatischen
legenheit just an dem vorbeidrückte,
Konflikt erst an das Ende des
Spieles stellt und ihn überdies in was den geistigen Inhalt seiner
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Märsbeit o.