II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 357

Med
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22. ber jungeardus
Feuilleton=Beilage des Tagesboten aus Mähren und Schlesien
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Sie schwor
teuern, daß ein anderer mehr Mühe hätte, sie zu erfinden,
Mutterlos.
eines ruhigen
als es mir gemacht hat, sie zu überstehen.“ Es ist kein;
Skizze von Mite Kremnitz.
Seele nahm d
Wunder, daß dieser Mordskerl in den drei Stunden, in
„Vorsichtig müssen Sie mit ihm sein,“ meinte der Arzt.
Sie mußte ih
denen sich die Handlung zuträgt, dem Martin im Würfel¬
er nicht seines
„Gefahr jedoch sche ich für den Augenblick nicht
spiel alles Hab und Gut, durch seinen übermännlichen
Er hatte es eilig, wie meist. Um 11 Uhr sollte er im
Das allein
Zauber die hübsche Sophie und schließlich im Zweikampf
Grunewald sein. Wichtiger Fall. Eine Exzellenz. Selbst mit
nicht alles scho
auch noch das Leben nimmt. Überdies hatte der Vetter
Automobil konnte er kaum pünktlich eintreffen ... Den¬
rens verloren
Martin die Absicht, just an diesem Abend die gute Sophie
noch zögerte er einen Augenblick: die Frau hatte einen so
wurzeln wie d
schnöde zu verlaffen und nach Homburg zu fahren, um
verzweifelten Gesichtsausdruck. Entschieden wollte sie ihn
aus ihm reißen
dort mit Gold und schönen Worten um die Gunst der
Was kam
noch allerhand fragen ...
Tänzerin Eleonora Lambriani zu werben. Rachsüchtig ent¬
„Lassen Sie den jungen Mann ruhig sich aussprechen,“
sich um ihr Kin
hüllt Martin im Sterben diesen vereitelten Plan seiner
sagte er. „Je mehr er darüber redet, desto schneller wird er
bruch begangen
Sophie, die so schnell zu Cassian übergelaufen ist, und er
Welt gebracht!
es los ... Bei seiner nervösen Anlage wäre es freilich
bittet den tapferen Cassian, bei Eleonora sein Erbe zu
Die Notwel
besser gewesen, er hätte es nie erfahren.
sein. Dem Cassian braucht man so was nicht zweimal
Kopfschüttelnd entfernte er sich mit diesen Worten.
erkannt. Selbst
zu sagen; er ist gleich bereit. Entsetzt über die Unbeständig¬
Stumm blickte sie ihm nach. Von diesem hatte sie Hilfe er¬
Menschen, müs
keit des neu gewonnenen Verehrers, der ihr bloß eine
die Wahrheit i
wartet? Von einer Menschenmaschine, einer zweibeinigen
Aber sie
Nacht widmen will, springt Sophie zum Fenster hinaus.
Konvention!
Aber Cassian springt ihr nach, und dem sterbenden
men mit Wahl
„Es wäre freilich besser gewesen,“ wiederholte sie sich
das Höchste: I
Martin meldet der Diener: „Höchst Wundersames hat
bitter. Um dieser Weisheit willen brauchte sie nicht erst
sich ereignet. Der springende Herr hat das springende
den Arzt zu rufen.
Doch wie
Seit Jahren hatte sie ihren Sohn gehütet, um dies
Fräulein in der Luft aufgefangen und beide sind wohlbe¬
Erinnerungen
eine zu vermeiden. Aus der Heimat fort war sie in die
halten unten angelangt.... Gleich darauf hört man
tasie? War sie
Millionenstadt gezogen, wo niemand den andern beachtet.
schon von unten Cassian um den Reisesack brüllen, das
reinen Vergan
Und dennoch!...
Posthorn klingt, der tapfere Cassian macht mit Sophie
nicht ein ander
Mahnte es nicht an das griechische Fatum? Gerade
keinen. Allein
die Nachtfahrt nach Homburg; Martin spielt noch ein
durch das, was man tut, um ein Unheil zu verhüten, führt
so ergeben. Eit
dißchen sein Lieblingsinstrument, die Flöte und erklärt
man es herbei! Sollte es oberhalb, außerhalb von Ursache
wie fern war
dann: „Es ist bitter, allein zu sterben, wenn man eine
und Wirkung noch etwas geben, so wäre dies Etwas bös¬
ohne es zu a
Viertelstunde vorher noch geliebt, wohlhabend und der
artiger Natur. Fest setzte sie die Zähne aufeinander: Gegen
aufgehoben, den
herrlichsten Hoffnungen voll war. Wahrlich, es ist ein übler

dies Ungefähr, gegen den Zufall galt es zu kämpfen mit
sie einmal sei
Spaß, und ich hin eigentlich gar nicht gelaunt, Flöte zu
allen Waffen menschlichen Verstandes. Sie wollte sich nicht
konnte, nur un
spielen“, läßt die Flöte fallen und stirbt.... Direktor
narren lassen. Es galt ihr Kind!
die ihm nichts
Braun beiont bei der Aufführung des sanftmelancholischen
In einem Stadtbahnwagen hatte Kurt dem lauten
sie freilich scho
und ironiereichen Spaßes in wirksamer Weise das Ma¬
Gesprach zweier Herren zugehört, als sie seinen Namen
die Mutter ra#
rionettenhafte, das er manchmal, weit über die szenischen
erwähnten. Und da war er ziemlich schnell dahinter ge¬
pisvoll werden
Angaben des Dichters hinausgehend, auch verstärkt. Dem
kommen, daß sein eigener Vater den Gegenstand ihrer Un¬
Je mehr
tapferen Cassian selbst wird ein dröhnendes Lachen mit
terhaltung bildete ...
ginnen.
auf den Weg gegeben, zu dem sich das Püppchen gar
Are
Gibt es etwas Bloderes als solchen Zufall? Zwei
Andere #
possierlich schüttelt. Die zapplige Heiterkeit steigert sich,
fremde Menschen erwähnen ohne besonderen Anlaß im
schleiern ...
wenn sich Cassian, Martin und Sophie zu Tisch setzen und
gleichgültigen Geschwätz ein vergangenes Ereignis
erfinden .
Cassian seine aufschneiderischen Mären zum besten gibt,
Und der einzige, der es nicht anhören dürfte, sitzt gerade
einen scharfen
wobei sich in sein gröhlendes Gelächter das Gepipse des
in diesem Augenblick in demselben Eisenbahnabteil! Jetzt
Die Feigh
Fräuleins sowie das schüchterne Lachen Martins ergötz¬
wußte Kurt alles. Auch warum die Mutter es ihm bisher
nicht Fieb
lich mischt und alle drei gar kräftiglich wackeln. Köstlich ist
verheimlicht hatte. Er glaubte, sein Vater sei einer Lungen¬
richt? Auf siel
auch der Doppelsprung aus dem Fenster. Das Würfel¬
entzündung erlegen, während er in einem Irrenhause
nicht an. Nur
spielen und den Zweikampf verlegt die löbliche Regie hin¬
lebte
vollte sie auf
ter oder wenigstens nahe an die Kulisse. Nur die figür¬
„Mutter,“ stieß Kurt gequält hervor, als sie ihm die
Gott, wie vie
liche Darstellung des unglückseligen Flötenspiels am Schlusse
vom Arzt vorgeschriebenen kalten Umschläge machte. „Zu
Kurt lag
will nicht recht gelingen ... Der Gesamteindruck dieses
denken, das alles ist, umsonst, was ich tue oder anstrebe,
zi im Bett,
in unserer Literatur ziemlich vereinzelt dastehenden mo¬
daß in mir das Verderbliche lauert. Solch Bewußtsein ist
unfähig sich z
dernen Puppenspiels ist jedenfalls so entzückend, daß
schlimmer als der Tod . . . Nur eine Frage der Zeit, wann
die aus ihm
man nur wünschen kann, Schnitzler möchte es auf diesem
es mich überwältigt ... Wie alt war der Vater? ...
Sie sagte
aparten Gebiet nicht bei dem einen Versuch bewenden
„Alles ist Frage der Zeit,“ dachte sie, aber dabei tobte
ihrer Familie.
lassen. Es gibt Variationen des Schnitzlerschen Themas
die helle Verzweiflung in ihr. Die größte Gefahr tag ge¬
keine Mühe n
von der Bittersüßigkeit von Tod, Liebe und Leben, die
rade in seinem Hange, sich mit der Möglichkeit der Er¬
ich bin verurt
sich durch Marionetten wirklich besser wiedergeben lassen
krankung zu beschäftigen.
Ihre Qua
als durch lebendige Menschen, so daß auch der Dichter
Ohne auf seine Frage zu antworten, erwiderte sie:
Phantast,“ stie
des „jungen Medardus“ im Abfassen neuer Puppenspiele
„Du bist doch auch mein Kind, hast sogar mehr von mir
wäsch gehört
keine capitis diminutio zu erblicken brauchte.
bald aber
als vom Vater. Einst sagte ich „leider“
die du auf dich
Dem Schauspiel folgte, etwas weniger wirksam, Mo¬
„Gott sei Dank“ denn meine Familie ist kerngesund..
verfärbte sich;
zarts Singspiel von den Launen der Verliebten „Bastien
„Versuche nicht länger, mich zu täuschen.. Du hast mich
Angstvoll,
und Bastienne". Die bekanntlich recht schematische Ver¬
ja immer mit so ungewöhnlicher Angst beobachtet. Heut'
er sie an. Und
söhnungshandlung des zerzankten Schäferpaares durch den
versteh' ich sie
ihn hindurch:
Die Mutter gab es nicht zu. Denn, vor allem durfte
devin du village Colas kommt der Darstellung durch
nach der Begla
Marionetten mehr entgegen als die Handlung der serva
sie nicht schwanken, mußte unerschüttert bleiben. Er spähte
daß ihm alle
ja angstvoll auf jedes Anzeichen in ihren Zügen. Er wollte
padrona, die ein sehr sorgsames Mienenspiel verlangt.
wären
gar zu gern glauben, er sehnte sich danach, überzeugt zu
Leider ist in Wien — in Berlin war das anders — der
„Du brauch
werden ... Wie sie ihn durchschaute! Sie mußte ihm also
Sänger des Colas stimmlich unzulänglich; seinem Gesang
ken,“ fuhr sie,
das Selbstvertrauen, die Zuversicht schaffen
„Der Arrt le
fehlt des Basses Grundgewalt und seine Prosa bleibt