II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 380

etwas können sollte, und noch mißtrauischer gegen das eigene
was ja alles wieder bedenklich zugenommen hatte. Trotzdem
Urteil, daß es von äußeren Vorzügen schmeichelnd umstrickt und
hätte er sich gewiß eine Zeit lang erhalten, dank einer vom
so über den inneren Wert getäuscht werde. Zu der Furcht, sich im
Dichter vorzüglich gesehenen, von Herrn Pallenberg vorzüglich ge¬
Urteil durch das Aeußere wirklich beeinflußen zu lassen, mag aber
spielten Gestalt, hätte nicht das geradezu pöbelhafte, gewissenlose,
nun bei der Kritik noch die Besorgnis treien, man könnte, falls sie das
gehässige und brutale Benehmen eines Teiles des Publikums
Talent eines schönen Mädchens lobe, annehmen, daß dem Kritiker
gegen diesen hochbegabten Darsteller der Direktion den will¬
derarliges widerfahren sei, auch wenn das nicht der Fall ist; so
kommenen Anlaß gegeben, statt eines umstrittenen Stückes lieber
daß hier einmal gewinnende Erscheinung der vollen Anerkennung
eines mit feststehendem Kassenerfolge zu geben, Pallenberg aber
hindernd im Wege steht, der ja der Künstler zu seiner Entwicklung
in die Welt des ja heute so beliebten, allen vernünftigen, geschmack¬
so dringend bedarf. Als zweifelloser Gewinn für das Theater er¬
vollen Leuten allerdings ganz unerträglichen Operettenstiefels
wiesen sich auch die Engagements der Herren Balajthy, Straßni und
zurückgeekelt. Freilich, die Direktion konnte unter sothanen Um¬
Arndt, und im „Jungen Medardus“ und in Keims „Spinnerin
ständen kaum anders, war doch zu den zwei großen Erfolgen der
am Kreuz“ konnte Herr Korff zeigen, wie vorzüglich ihm Gestalten
Saison inzwischen noch ein dritter getreten, Franz Molnars
von der Art Wachshubers und Hochhausers liegen.
„Gardeoffizier“
Die Versuche, Herrn Gerasch tragende Rollen aufzulegen,
Ein besonderes Verdienst erwarb sich das Volkstheater
sollten nun doch wohl ihr Ende finden, wie auch bei einigen
durch die Arbeit und Pflege, die es den volkstümlichen Klassiker¬
anderen Mitgliedern, denen ja gewiß jedermann aufrichtig die Ver¬
vorstellungen zuwandte. Besonders da ja im Burgtheater die
sorgung durch das Hofärar gönnt, nicht eine noch viel schwerere
Sonntagsnachmittagsvorstellungen verschwunden bleiben und die
Belastung dadurch geschaffen werden dürfte, daß man sie, weil sie
Klassiker doch nicht in dem Maße an den Abenden gegeben werden,
engagiert sind, nun auch in wichtigen Rollen hinausstellt. Das ist
wie man sie früher spielte. Unter dem, was das Volkstheater
ja beim Theater das Gefährliche, daß ein Zugeständnis in einer
heuer in dieser Richtung neu oder neu einstudiert bot, sind be¬
Richtung immer Zugeständnisse in anderen Richtungen nach sich
sonders zu nennen: Schillers „Wallenstein“, Shakespeares „Othello“,
zieht.
Max Burckhard.
Ibsens „Volksfeind“ und einige Stücke von — Nestroy.
Auch im Hofburgtheater gewann die Führung ein Oester¬
räicher. In dem „Jungen Medardus“ schuf Schnitzler nicht nur den
Allerlei.
Erfolg der Saison, sondern auch eine neue Kunstform, eine glück¬
liche Verbindung der stofflichen Ausgestaltung nach Muster des
Zur Reisesaison.
historischen Romans mit seiner reichen Fülle einerseits und der
müeren Geschlossenheit des Dramas auf der andern Seite; zugleich
Die Kofferfrage.
über auch ein kühnes dramatisches Wagnis, die Einschaltung einer
Nur wenige Tage noch — und es hebt, mit Beginn der Ferien,
köstlichen Komödienszene zwischen zwei erschütternde Tragödien.
wieder die Massenflucht der srischer Luft und freier Bewegung be¬
Im übrigen stand die Saison insoferne unter dem Zeichen des
dürstigen Städter ins Weite an. Bei den Vorbereitungen für die so
Künstlers, unter dessen Stern sie ja auch gestanden hatte, bevor
lang herbeigesehnte und, ach, so kurze Zeit der Sommerfrische spielt die
er uns in so schrecklicher Weise entrissen wurde, als dessen Saul¬
Kofferfrage nicht die unwichtigste Rolle. Sie ist, wie so viele Fragen,
fragment und seine Uebersetzung von „Figaros Hochzeit“ die
im letzten Grunde nur eine Geldfrage. Und für eine elegante Frau ist
heurige Saison fast einschlossen.
sie deshalb von vornherein gelöst. Denn was eine elegante Frau
Was sonst gegeben wurde, schien mehr wie eine Lese des
braucht — das muß sie eben haben! Vergleicht man die schwerfälligen
Zufalles als eine Auswahl nach erkennbarem Plane. Das
Kofferungetüme unserer Großmütter mit den Damenkofsern von heute,
Schlimmste war wohl Blumenthals trauriges „Lustspiel“ „Die drei
so ist auch auf diesem Gebiete des menschlichen Komforts ein ganz ge¬
Grazien“ dann aber ist gleich zu nennen Fuldas so gar nicht
waltiger Fortschritt unverkennbar. Die moderne Frau weiß nichts mehr
sehenswertes „Schauspiel“ „Herr und Diener“, in dem der Direktor
von dem Aerger über zerknitterte Kleider, eingedrückte Hüte und durch¬
mit geschicktem Kunstgriff wohl nur dadurch den Abend rettete,
einandergeworsene Wäsche. Ihre Koffer sind eigentlich gar keine Koffer
an
daß er die Rolle des ganz einfältigen „Dieners“ von dem klugen
mehr, es sind sinnreich eingerichtete Schränke und Truhen, in denen
Heine, die des ganz unerträglich verschrobenen und brutal=unge¬
jedes Stück genau so gut aufgehoben ist wie zu Hause, und die im
rechten Königs aber von dem gutmütigen, liebenswürdigen
Gasthof ihres Inhaltes überhaupt nicht entleert werden. Da ist zu¬
Reimers spielen ließ. Nicht auf viel höherem künstlerischen Niveau
nächst der Kleidertoffer, in dem die Kleider in ihrer ganzen Länge und
stand das von Edelmut triesende englische Schau= und Rührspiel
Breite an Bügeln über einer Stange hängen. Im Ruhezustand, sozu¬
„Dorothys Rettung“ dessen Erfolg aber das neugewonnene Mit¬
sagen, ist der Koffer aufgerichtel, der Deckel öffnet sich wie eine Tün
glied Fräulein Marberg und der nun erst entdeckte Herr Paulsen
und das am weilesten hinten hängende Kleid läßt sich, samt dem
mit seiner überzeugenden Einsachheit und Schlichtheit sicherten.
Bügel ebenso leicht herausnehmen wie das vorderste. In der Tür und
Bedeutend besser, als Stück betrachtet, war schon Esmanns Lun¬
im Deckel sind Klappen und Fächer für Wäsche, Stiefel und allerhand
spiel Vater und Sohn“, und das größte Interesse nächst
Kleinigkeiten angebracht. Solch ein Kofferschrank bietet für =i Dutzend
Schnitzler, Beaumarchais und Kainz erweckte wohl Stucken mit
Kleider reichlich Platz. Die Nebensächer sind allerdings ein wenig eng,
seinem Drama „Lanval“. Als sehr dankenswert muß jedenfalls der
bemessen. Und darum hat die elegante Frau einen eigenen Wäsche¬
Versuch der Wiederaufnahme von Hebbels „Herodes und Mariamne“
kosfer, aber keinen mit Einsätzen, die nur mit einem Aufwand turne¬
begrüßt werden, mag sich auch nicht jedermann für dieses Ver¬
rischer Geschicklichkeit herausgehoben werden können, sondern einen mit
standesstück mit seinem an die „Familie Sehroffenstein“ gemah¬
Schubfächern, also eine Kofferkommode. Blusen sind zwar angeblich
nenden Parallelismus zu erwärmen vermögen.
etwas aus der Mode, aber zum Tennis, zum Bergsteigen und zur
Günstiger als mit dem Gewinn an Stücken, die eine wirk¬
Siesta am Strande doch noch unersetzbar. Für sie ist der Blusenkoffer,
liche Bereicherung des Repertoires bedeuteten, scheint es mit dem
eine kleinere Ausgabe des Kleiderkossers, bestimmt. Der Hutkoffer ge¬
Gewinn zu stehen, den das Burgtheater durch Engagement neuer
hörte einst — wohin seid ihr entschwunden, ihr schönen Tage!
Mitglieder und durch wirksame Förderung schon vorhandener
zum Handgepäck und zeichstete sich durch seine bescheidenen Dimen¬
Kräfte erzielte, wobei natürlich bei einer Bilanzierung der schreck¬
sionen aus. Jetzt, im Zeichen der Riesenhüte, ist er ein richtiger, aus¬
liche Verlust, den das Theater und mit ihm Wien durch den Hin¬
gewachsener Koffer, ja es gibt Hutkosser, die dem Kkleiderkoffer an
gang von Kainz erlitten hat, gar nicht in Auschlag gesetzt werden
Größe nicht viel nachgeben. Der Stiefelkosser hat Raum für mindestens
dürfte. Fräulein Marbergs und Herrn Paulsens ist schon gedacht
zwei Dutzend Fußbekleidungen, die in einzelnen Abteilungen, zu zwei
worden. Als ein großer Gewinn, eine hoffnungsreiche Erwartung,
und zwei Paaren, verpackt werden, und in den Schirmkoffer werden
erwies sich ebenfalls Fräulein Wohlgemuth und sie wurde
die Regen= und Sonnenschirme, En-tout-cas und Spazierstöcke flach
auch dem Publikum recht bald in richtiger Beschäftigung vor¬
hineingelegt, um mit Riemen festgeschnallt zu werden. Eine elegante
geführt, was wohl das Wichtigste ist für die Entwicklung jedes
Frau hat nicht viel Handgepäck, womöglich nur eine, ziemsich ge¬
Kunstlers und des Instituts, an dem er wirken soll. Weiche,
räumige Reisetasche aus feinstem Leder, die alles enthält, was nötig
schmiegsame, hingebende Gestalten wären wohl kaum Fräulein
ist, wenn man nicht nur den Tag, sondern auch die Nacht auf der
Wohlgemuths Sache, desto mehr liegen ihr aber Hoheit und Stolz
Bahn verbringt, besonders ein vollständiges, kostbares Necefsaire, wie
und jene Leidenschaft, die nicht nur heiß, sondern auch erbarmungs¬
es zu Hause den Toilettentisch ziert. Und dann ist das Hunde¬
los sein kann. In einer Hinsicht erinnert, nicht ihre Art, aber die
köfferchen für den Schoßhund nicht zu vergasen. Was dem hei߬
Art, wie man sie beurteilt, etwas an das tragikomische Schicksal
geliebten „Pussi“ zur Nahrung und zum Schlafe dient, ist darin, sein
Fräulein Reinaus am Deutschen Volkstheater. Beide interessieren
Näpschen und sein Bettchen. Die eine Seite ist, wie ein kleiner Käfig,
schon auf den ersten „Blick“, nur sieht und bespricht man immer
nach außen vergittert und ein Segeltuch umhüllt die transportable
mehr, wie sie aussehen, als was sie trotz noch fehlender
Hundehütte. — Es ist, wie man sieht, eine ganze stattliche Anzahl von
Schulung schauspielerisch heute schon sind. Man ist mißtrauisch.
Koffern, ohne die eine elegante Frau den Ruj der Eleganz beutzu¬
Mißtrauisch gegen die Schauspielerin, daß sie schön sein und ##tage nicht belaupten kann.
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